Sonntag, 28. April 2024

Urteil gegen Rechtsextremist Sven Liebich
Anderthalb Jahre für Hass und Hetze im Netz

Verurteilt wurde Sven Liebich wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Verbreitet hat der Rechtsextremist seine Hassbotschaften und Lügen auf Marktplätzen - aber auch von Anfang an im Internet. Und genau dort bleiben sie besonders gefährlich.

Von Niklas Ottersbach | 13.07.2023
Von Anhängern umringt sitzt Sven Liebich vor Prozessbeginn auf einer Treppe
Da noch auf freiem Fuß: Sven Liebich vor Prozessbeginn, umringt von Anhängern (picture alliance / dpa / Heiko Rebsch)
Feierlaune vor dem Amtsgericht Halle: Katrin Schmidt, die eigentlich anders heißt, köpft eine Flasche Sekt. Sie ist eine von den „Omas gegen rechts“, die sich den Hetzreden von Liebich entgegenstellen.
Der rechtsextreme Blogger hat Katrin Schmidt auf dem Marktplatz von Halle aufs Übelste beleidigt und das auch noch ins Netz gestreamt. Dort hatte er ihr gewünscht, dass sie von Flüchtlingen vergewaltigt werde. Knapp vier Jahre ist das schon her.
Heute nun die erste Gefängnisstrafe für Liebich. Genugtuung bei Katrin Schmidt: „Ich habe nicht mehr dran geglaubt. Und es scheint doch möglich zu sein, einen Nazi, der seit Jahren hetzt und Hass und Gewalt verbreitet, zu verurteilen. Ich bin einfach nur happy.“

Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Volksverhetzung, Beleidigung, üble Nachrede: Es sind eine ganze Reihe von Straftaten, wegen denen Sven Liebich nun zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Eine Bewährungsstrafe kam dieses Mal nicht in Betracht, sagt Gerichtssprecher Werner Budtke.
„Die Richterin hat das damit begründet, dass sie bei ihm keine Hoffnung hat, dass er sich zukünftig straffrei führen wird. Das heißt also, sie vermutet, dass er aufgrund seiner nach wie vor stattfindenden Versammlungen auch möglicherweise erneut Beleidigungen aussprechen wird oder üble Nachreden.“
Noch ist das Urteil allerdings nicht rechtskräftig. Wenn Sven Liebich Berufung einlegt, geht das Ganze zum Landgericht. Ob es dazu kommt, ist unklar. Der rechtsextreme Blogger schweigt während der Urteilsverkündung. Und auch hinterher: kein Ton in die Mikrofone.

Liebich entdeckt früh das Internet als Plattform

Sven Liebich ist eine der prägenden Figuren in der rechtsextremen Szene in Sachsen-Anhalt. Und einer der ganz wenigen, die namentlich im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden.
Schon in den Neunziger Jahren hat er für die Neonazi-Szene CDs verkauft. Später hat der rechtsextreme Blogger dann das Internet als Vermarktungsplattform für seine Hassbotschaften entdeckt. Marktplatz-Youtube-Gerichtssaal. Dieser Dreiklang beschäftigt Halle seit Jahren. Aber auch Bundespolitikerinnen wie Renate Künast, die gerichtlich gegen Liebichs Falschbehauptungen vorging.
In der Corona-Krise hat er wöchentlich den Marktplatz beschallt und bis ins Jahr 2067 hinein Kundgebungen angemeldet.
Liebichs Online-Shop, über den er Baseballschläger mit dem Motiv „Abschiebehelfer“ verkauft hat, ist inzwischen offline. Die Generalstaatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt ermittelt.

Behörden verstärken Kampf gegen Hasskriminalität

Es fällt auf: Die Behörden gehen mittlerweile härter vor gegen Liebich. Seit ein paar Monaten gibt es eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt, die sich mit Hass und Hetze im Netz beschäftigt. Sie ist in Halle angesiedelt. Heike Geyer ist dort die leitende Oberstaatsanwältin. Sie sagt, die neue Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität sei keine Reaktion auf den rechtsextremen Blogger.
„Das meiste, wofür Sven Liebich von uns belangt wird, hat mit dieser Hasskriminalität nichts zu tun. Ich weiß natürlich, es gibt da die Hetzereien auf Svens Welt, etc. Was da in den letzten Jahren gelaufen ist. Aber hier geht es um Geschichten auf der Straße.“

Alte Inhalte finden noch immer Publikum

Mittlerweile ist es leiser um Liebich geworden. Doch solche Phasen habe es in den letzten Jahrzehnten immer mal gegeben, sagt Valentin Hacken vom Bündnis Halle gegen rechts:
„Und dann muss man auch sagen, viele Dinge, die Sven Liebich in den letzten Jahren produziert hat, die sind immer noch irgendwo online verfügbar. Zum Teil gar nicht mehr auf eigenen Kanälen, zum Teil, weil er die Kanäle selbst gelöscht hat. Aber sie werden immer noch weiterverbreitet. Ein Beispiel: Ein Video, wo Sven Liebich sich verkleidet als vermeintlicher Imam in Halle und ganz furchtbare Reden hält. Das findet man bis heute in rechten Telegram-Kanälen. Und auf anderen Seiten. Und das wird von Leuten verbreitet, die nicht mehr genau wissen, wer Sven Liebich ist.“

Den politischen Diskurs nachhaltig vergiftet

Lügen im Internet einmal verbreitet, sind kaum einzufangen. Sven Liebich hat das früh begriffen. Rechte Hetze im Netz habe gesamtgesellschaftlich Spuren hinterlassen, sagt Valentin Hacken. Der Sprecher von „Halle gegen rechts“ nennt als Beispiel die Debatte ums Heizungsgesetz der Ampel. Und wie einige in CDU und CSU damit polemisieren. „Begriffe wie die Heizstasi, das ist was, das würde Sven Liebich auch nicht anders formulieren.“
Insofern sei der rechtsextreme Blogger aus Halle vielleicht bald hinter Gittern. Doch sein Hass auf Sharepics und Videos geteilt, so sieht es der Sprecher von Halle gegen rechts, haben den politischen Diskurs nachhaltig vergiftet.