Mittwoch, 01. Mai 2024

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Konflikt um die Westsahara
Warum sich Spanien auf die Seite Marokkos schlägt

Die Westsahara sorgt seit Jahrzehnte für Konflikte: Marokko beansprucht das Gebiet für sich, die Befreiungsfront Polisario setzt sich für eine Unabhängigkeit ein. Zuletzt vollzog die frühere Kolonialmacht Spanien einen Kurswechsel, der viele vor den Kopf stieß - und auch Folgen für die Energieversorgung haben könnte.

Von Hans-Günter Kellner | 04.04.2022
Saharaui-Demonstration in Toulouse
Saharaui-Demonstration für einen von Marokko unabhängigen Staat Westsahara (picture alliance / NurPhoto / Alain Pitton)
Eingehüllt in schwarz-weiß-grüne Fahnen demonstrieren rund 3.000 Menschen gegen die neue Haltung der spanischen Regierung zur Zukunft der Westsahara. Die Bühne ist direkt vor dem Außenministerium in der Madrider Innenstadt aufgebaut. Von dort ruft ein Redner: „Die Westsahara steht nicht zum Verkauf. Man darf sie nicht verraten.“
Mohammed und Moulud sehen aus einigen Metern Entfernung zu. Sie sind Saharauis. So nennt sich das Wüstenvolk aus der Westsahara. Mohammed erklärt, warum sie so aufgebracht sind:
„Wir demonstrieren hier gegen eine Entscheidung des spanischen Regierungschefs. Er gibt der Erpressung nach und folgt dem Diktat Marokkos. Er akzeptiert den Vorschlag für eine Autonomie der Westsahara innerhalb Marokkos. Wir, das Volk der Westsahara, wollen aber ein Referendum!“
Marokko und die Westsahara
Marokko und die Westsahara (picture alliance / dpa)

Spanische Kolonie bis 1975

Der Streit um den Status der Westsahara hält seit Jahrzehnten an: Die Region liegt am Atlantik zwischen Marokko und Mauretanien und gilt als reich an Bodenschätzen, insbesondere an Phosphat und seltenen Erden, ihre Gewässer gelten als fischreich. Bis 1975 war die Westsahara eine spanische Kolonie. Der 32-jährige Mohamed hat diese Zeit zwar nicht selbst erlebt, aber er kennt die Geschichte:
„Die Westsahara war einst die 53. Provinz Spaniens. Ende 1975 verließ Spanien die Westsahara überstürzt und überließ das Volk der Saharauís den Marokkanern. Dafür ist Spanien verantwortlich.“
So haben sie es in der Westsahara erlebt. Die Eltern der beiden jungen Männer schlossen sich damals der Befreiungsfront Polisario an. Sie hatte sich bereits zu Zeiten der spanischen Kolonie gegründet, richtete ihren Befreiungskampf nach dem Abzug der Kolonialmacht nun gegen die neue Besatzungsmacht Marokko, vor der viele flüchteten. Die Polisario errichtete in der Wüste auf algerischem Staatsgebiet Flüchtlingscamps. Dort leben bis heute 175.000 Menschen. Obwohl Spanien eine Kolonialmacht war, gibt es bis heute viele enge, familiäre Kontakte zwischen Spaniern und Sarahauis, erzählt Mohammeds Freund Mouloud:
„In den Flüchtlingscamps ist noch heute Spanisch die zweite Sprache nach dem Arabischen. Viele unserer Eltern und Großeltern besitzen sogar noch einen spanischen Personalausweis oder einen Nachweis ihres Dienstes bei der spanischen Armee.“
„Was die Spanier mit der Bevölkerung aus der Westsahara besonders eint, sind die Sommerferien. Seit 30 Jahren verbringen Kinder aus den Flüchtlingscamps einige Wochen in Spanien. Auch wir beide haben den Sommer jahrelang bei spanischen Familien verbracht. Das ist ein besonderes Verhältnis. Ich habe meine biologischen Eltern und meine spanischen Eltern. Und so geht es sehr vielen.“

Kulturelle Nähe zu Spanien

4.000 Kinder kamen vor der Pandemie jeden Sommer aus den Flüchtlingslagern nach Spanien. Die spanischen Solidaritätskomitees, die die Aufnahme zusammen mit der Polisario organisieren, hoffen, dass es bald wieder so viele werden. Mohamed und Mouloud haben in Spanien auch einen Beruf erlernt und leben inzwischen dort.
Ein Zurück in ihre einstige Heimat ist für sie keine Alternative. Marokko herrsche dort noch immer mit harter Hand, sagen beide. Während in Marokko von einer friedlichen Landnahme unbewaffneter marokkanischer Zivilisten die Rede ist, dem sogenannten Grünen Marsch im Jahr 1975, erinnern die Saharauis an die Traumata der Flucht, berichten von der Bombardierung von Zivilisten. Die spanische Politologin Irene Fernández Molina von der Universität im britischen Exeter meint zu diesen Erzählungen:
„Das war real und ist hinreichend dokumentiert. Am Grünen Marsch waren zwar nur unbewaffnete Zivilisten beteiligt, die nichts weiter als Fahnen und den Koran trugen. Das war die symbolische Landnahme. Aber sie führte zu einer überhaupt nicht friedlichen Invasion der Westsahara durch Marokkos Militär, die zur Flucht eines großen Teils der Saharauis führte.“
Der "Grüne Marsch" in die Westsahara: Jubelnde Marokkaner beim Überqueren der Grenze zur damaligen spanischen Überseeprovinz "Spanisch-Sahara" am 6. November 1975.
Der "Grüne Marsch" in die Westsahara: Jubelnde Marokkaner beim Überqueren der Grenze zur damaligen spanischen Überseeprovinz "Spanisch-Sahara" am 6. November 1975. (picture-alliance / dpa / UPI)

Waffenstillstand seit 1991

Bis 1991 befanden sich Marokko und die „Befreiungsfront Polisario“ im Krieg. Dann einigten sich die Kriegsparteien im Rahmen der Vereinten Nationen auf einen Waffenstillstand, erklärt die Politikwissenschaftlerin:
„Das Abkommen konzentrierte sich auf zwei Punkte: auf einen Waffenstillstand und anschließend ein Referendum zur Selbstbestimmung der Ursprungsbevölkerung dieses Gebiets. Das war ein Abkommen zwischen beiden Kriegsparteien, auch Marokko stimmte zu. Doch die beiden einigten sich nie über die Frage, wer eigentlich alles zur Ursprungsbevölkerung gehört, wer bei diesem Referendum abstimmen sollte.“

"Föderale Strukturen funktionieren in einem autoritären oder halbautoritären Staat nicht"

Und so ist die Situation bis heute. Seit 2004 lehnt Marokko jeden Lösungsvorschlag ab, der mit der Unabhängigkeit der Westsahara enden könnte. 2007 unterbreitete Marokko dafür einen eigenen Vorschlag: Die Westsahara sollte marokkanisches Staatsgebiet bleiben, aber eine autonome Selbstverwaltung erhalten. Dies lehnte wiederum die Polisario ab. Auch Irene Fernández Molina hat Zweifel, dass innerhalb Marokkos eine autonome Verwaltungsstruktur möglich wäre:
„In Marokko haben sich in den letzten 15 Jahren, also, seit es diesen Vorschlag gibt, Demokratie und Rechtsstaat nicht konsolidiert, sondern ganz im Gegenteil. Die Gewaltenteilung funktioniert nicht. Ich würde eher von einer Tendenz zu einem autoritären Staat sprechen. Und föderale Strukturen funktionieren in einem autoritären oder halbautoritären Staat nicht.“
Menschenrechtsorganisationen bestätigen diese Sicht. Amnesty International wirft Marokko die Inhaftierung von kritischen Journalisten aus der Westsahara vor, ebenso willkürliche Festnahmen und sogar Folter von Aktivisten, die sich für die Unabhängigkeit der Region einsetzen. Amnesty-Sprecher Alfonso López verweist auf den Fall von Sultana Khaya, die seit November 2020 ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest stehe:
„Sie setzt sich gegen die Ausbeutung der Bodenschätze der Westsahara ein. Völkerrechtlich betrachtet handelt es sich nicht um marokkanisches Territorium. Sicherheitskräfte verhindern, dass sie ihr Haus verlässt oder Besuch empfängt. Mehrmals sind Sicherheitskräfte ohne Uniform bei ihr eingedrungen. Sie vergewaltigten ihre Schwester. Bei anderen Angriffen wurden die Personen im Haus verprügelt. Und dies alles wegen ihres friedlichen Protests gegen die Ausbeutung der Bodenschätze und ihre Forderung nach einem Referendum und die Unabhängigkeit der Westsahara.“
Allerdings scheint sich die Situation ein wenig zu entspannen. Journalisten der spanischen Tageszeitung El País konnten die Aktivistin Ende März besuchen, ohne dass sie Sicherheitskräfte daran gehindert hätten. Freunde durften ihr Möbel bringen, die bei vorherigen Einsätzen zerstört worden seien. Der Direktor des Nationalen Rats für Menschrechte in Marokko habe zudem die Anschuldigungen von Sultana Khaya nicht verifizieren können, schreibt El País. Amnesty-Sprecher López ist skeptisch:
„Keine marokkanische Institution ist unabhängig. Bei Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtler oder auch Journalistinnen werden rechtsstaatliche Grundsätze missachtet. Die Rechte von Angeklagten sind in keiner Weise garantiert. Man kann darum auch nicht sagen, dass der Direktor des Rats für Menschenrechte unabhängig von der Regierung wäre. Vielmehr hängt sein Amt von der Regierung ab.“

Neuer Vorstoß von Spaniens Regierungschef Sánchez

Trotzdem hofft die spanische Regierung nun auf Tauwetter. Am 14. März hat Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez,  dem marokkanischen Monarchen Mohammed VI. einen Brief geschrieben. Darin spricht er nicht nur von der gemeinsamen Geschichte und der Nachbarschaft beider Länder. Vor allem äußert sich der spanische Ministerpräsident zur Westsahara. Er schreibt wörtlich: „Spanien sieht den marokkanischen Vorschlag für eine Autonomie, vorgeschlagen 2007, als den ernsthaftesten, glaubwürdigsten und realistischsten zur Lösung dieses Streits an.“ Im spanischen Parlament erklärte Sánchez wenige Tage später:
„Wir wollen zu Marokko eine Beziehung, wie sie von zwei benachbarten Ländern zu erwarten ist. Bei all der strategischen Bedeutung, die unser Verhältnis zueinander hat: bei der Kontrolle der Einwanderung, den Handelsbeziehungen, auch bei der Bekämpfung des Terrorismus. Ich habe in meinem Brief an König Mohammed VI. den Willen zum Ausdruck gebracht, ein Verhältnis aufzubauen, das auf Transparenz und ständigem Austausch beruht, auf gegenseitigem Respekt und den Abkommen zwischen unseren beiden Ländern. Und dass wir uns jeglichen unilateralen Handlungen enthalten sollten. Um der Bedeutung all der Dinge gerecht zu werden, die uns einen. Und um künftige Krisen zwischen unseren Ländern zu vermeiden.“
Saharaui-Soldatinnen bei einer Militärparade 2008 in der Westsahara
Saharaui-Soldatinnen bei einer Militärparade 2008 in der Westsahara (picture-alliance/ dpa / Mohamed Messara)

Ein klarer Kurswechsel

Dies ist ein klarer Kurswechsel. Statt sich wie bislang nur allgemein für eine Lösung der Westsaharafrage im Rahmen der Vereinten Nationen auszusprechen, ergreife Spanien nun Partei, heißt es nicht nur bei den Protesten auf der Straße, sondern auch im spanischen Parlament. Auch die Parteien, deren Stimmen Sánchez zum Regieren benötigt, protestieren gegen diese Entscheidung. Die Zusammenarbeit mit Marokko bei der Bekämpfung der Einwanderung habe sich Sánchez teuer erkauft, sagt zum Beispiel Gabriel Rufián von der Republikanischen Linken Kataloniens:
„Warum verteidigt die Regierung das Existenzrecht des ukrainischen Volkes gegenüber Russland, aber nicht das Existenzrecht der Saharauis gegenüber Marokko? Warum schickt sie Panzer gegen einen Tyrannen wie Putin, aber einem anderen Tyrannen schickt sie einen Brief? Weil Mohammed VI. den Schlüssel der Tür zu Südeuropa hat, an die der Hunger und die Verzweiflung Afrikas anklopfen.“
Und das weiß Marokko für sich zu nutzen: Im vergangenen Jahr hatten die marokkanischen Grenzpolizisten die Überwachung der Grenze zur spanischen Enklave Ceuta in Nordafrika eingestellt. Tausende von Marokkanern überrannten daraufhin die spanische Grenze. Rabat zog zudem seine Botschafterin aus Madrid ab. Marokko wolle damit eine Änderung der spanischen Haltung in der Westsahara-Frage erwirken, meinten Analysten schon damals.
Die Wüstenstadt El Ayoun / Laayoune in der Westsahara im Jahr 2006
Die Wüstenstadt El Ayoun / Laayoune in der Westsahara im Jahr 2006 (picture-alliance / maxppp / Joelle Vassort)
Keine andere Fraktion unterstützte in der Parlamentsdebatte die Haltung von Ministerpräsident Pedro Sánchez zur Westsahara. Die Regierungsmehrheit ist damit zwar nicht in Gefahr – schließlich gab es keine Abstimmung in der Frage – doch eine symbolische Niederlage war die Debatte für Pedro Sánchez durchaus. Der Applaus nach seiner Verteidigungsrede kam lediglich von den eigenen sozialistischen Abgeordneten. Er selbst wählt die Flucht nach vorn:
„Niemand von Ihnen hier im Saal scheint gegen das Abkommen mit Marokko zu sein. Niemand hat es kritisiert. Niemand hat gesagt, dass es nicht wichtig ist. Niemand hat gesagt, dass es besser wäre, wir hätten eine ständige Krise mit Marokko.“

"Marokko kann von Spanien einfach mehr verlangen"

Die marokkanische Sicht auf den Konflikt und die aktuelle Annäherung lässt sich nur schwer beschreiben. Zwar hat Marokko im Zuge des Tauwetters wieder seine Botschafterin nach Madrid entsandt, doch Anfragen bleiben weiterhin unbeantwortet.
Immer wieder wird in den Diskussionen in Spanien ein ähnlicher Brief von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Mohamed VI. vom Januar erwähnt. Das Bundespräsidialamt bestätigt diesen Brief nicht. (**) Aber marokkanische Medien zitieren daraus. Steinmeier schreibe darin, Marokkos Autonomie-Initiative für die Westsahara sei eine gute Grundlage für die Lösung des Konflikts. Spanien habe nach diesem Brief aus Berlin unter Zugzwang gestanden, heißt es in Madrid, doch die Formulierung von Sánchez geht weiter als die Steinmeiers, erklärt Politikwissenschaftler Eduard Soler i Lecha vom Barcelona Centre for International Affairs:
„Für Spanien geht es um viel mehr als für Deutschland. Für Deutschland kann es um Investitionen gehen, um diplomatische Beziehungen, die Situation deutscher Staatsbürger in Marokko. Aber für Spanien ist eine offene Krise mit dem Nachbarn viel gefährlicher. Spanien hat an den nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla eine Landgrenze zu Marokko. Es gibt unterschiedliche Haltungen über die Hoheitsgewässer der Kanarischen Inseln. Marokko kann von Spanien einfach mehr verlangen, um im Gegenzug zu einer Versöhnung bereit zu sein.“

Spaniens Achillesferse

Gleichzeitig hat Spanien mit seinem Kurswechsel aber auch den großen Gegenspieler Marokkos in der Region, brüskiert. Algerien. Algerien steht in dem Konflikt um die Westsahara eng an der Seite der Befreiungsfront Polisario und hat schon lange kein gutes Verhältnis mehr zu Marokko. Die Grenze zwischen beiden Ländern ist seit Jahren geschlossen. Algerien will auch kein Erdgas mehr über eine Pipeline liefern, die durch marokkanisches Gebiet nach Spanien führt. Denn darüber hat auch Marokko Erdgas erhalten. Und eine zweite, direkte Pipeline kann diesen Ausfall nicht kompensieren.
Das setzt Spanien unter Druck. Einerseits. Denn andererseits springen dafür die USA als Flüssigerdgaslieferant ein. Spanien hat sieben Häfen mit sogenannten LNG-Terminals, mehr als jedes andere europäische Land. Auch dies ist von strategischer Bedeutung, erklärt Soler i Lecha:
„Von Europa wird wegen des Krieges in der Ukraine mehr Geschlossenheit erwartet. Spanien gewinnt also an strategischer Bedeutung, auch aufgrund seiner Häfen für Flüssigerdgas. Spanien will außerdem seine Verpflichtungen bei der Verteidigung ausbauen. Im Juni haben wir den NATO-Gipfel in Madrid. Spanien ist a priori international betrachtet in einer interessanten Position. Aber es hat eine Achillesferse. Es gab keine diplomatischen Beziehungen zu Marokko, einem wichtigen Partner des Westens. Das war ein Damoklesschwert, eine Situation, aus der sich jeden Augenblick eine neue Krise entwickeln konnte.“

Berlin und Madrid geht es um ein gutes Verhältnis zu Marokko

Und so kommt der Politikwissenschaftler Eduard Soler i Lecha vom Barcelona Centre for International Affairs zu diesem Schluss: Im Grunde gehe es weder Berlin noch Madrid um eine Lösung für die Westsahara, sondern um ein gutes Verhältnis zu Marokko, dem wichtigsten westlichen Verbündeten in Nordafrika.
Saharaui-Flüchtlingscamp auf algerischem Gebiet
Saharaui-Flüchtlingscamp auf algerischem Gebiet (picture alliance / NurPhoto / Noe Falk Nielsen)
Ohne Zustimmung beider Kriegsparteien können die Vereinten Nationen zwar keine Entscheidung im Konflikt durchsetzen, meint Westsahara-Expertin Irene Fernández Molina in Exeter. Doch letztlich setze sich in der Region das Recht des Stärkeren durch:
„Die Polisario hat sich im Laufe der Jahre durchaus flexibel gezeigt. Insbesondere 2003, als sie den zweiten Friedensplan des damaligen UN-Sondergesandten James Baker akzeptiert hatte. Darin akzeptierten sie, dass es eine Übergangslösung mit einer Autonomie geben sollte und nach einigen Jahren sollte ein Referendum über die Zugehörigkeit zu Marokko oder die Unabhängigkeit entscheiden. Abstimmungsberechtigt wäre dabei alle gewesen, die dauerhaft in der Westsahara leben. Alle dachten, das sei ein für Marokko vorteilhafter Plan, denn die Marokkaner sind in der Westsahara in der Mehrheit. Doch Marokko lehnte den Plan ab, wohl weil das Referendum von den Vereinten Nationen organisiert worden wäre, bei dem sie nicht intervenieren könnten.“
Sich noch flexibler zu zeigen, würde für die Polisario bedeuten, sich zu ergeben, den Status Quo zu akzeptieren, meint Fernández Molina.

Waffenstillstand mit Marokko im November aufgekündigt

Beobachter bezweifeln, dass die Annäherung Spaniens an die marokkanische Position Rabat langfristig besänftigen wird, dass jetzt tatsächlich eine ganz neue Etappe im Verhältnis zu Marokko beginnt, von der Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez spricht. Sánchez will zwar nach Rabat zu Mohammed VI. reisen, aber das sei nur die Inszenierung einer Versöhnung, glaubt der spanische Journalist und Maghreb-Experte Ignacio Cembrero. Europa habe sich damit als erpressbar erwiesen.
„Die spanische Regierung hat nun ein bisschen Ruhe erreicht. Aber ich denke, das wird nicht länger als ein Jahr dauern. Früher oder später geht es wieder los und Marokko stellt neue Forderungen. So könnte Rabat von Spanien fordern, eine ähnliche Position wie die der USA einzunehmen. Die haben am 10. Dezember 2020 die marokkanische Souveränität über die Westsahara ganz anerkannt.“
Saharaui-Demonstration November 2021 in Madrid
Saharaui-Demonstration November 2021 in Madrid (picture alliance / NurPhoto / Oscar Gonzalez)
Auch die Saharauis werden Ihren Widerstand nicht aufgeben. Im November vergangenen Jahres hat die Befreiungsfront Polisario bereits den Waffenstillstand mit Marokko aufgekündigt – und bei den Protesten vor dem Außenministerium erhalten sie zumindest auf der Straße Zuspruch:
„Es ist ein Unrecht, was mit den Menschen dort geschieht. Das sind Menschen, mit ihren Rechten, die respektiert werden müssen. Sie sind keine Figuren auf einem Schachbrett. Es ist unwürdig, wie weit Sánchez mit seinem Abkommen mit Marokko gegangen ist.“
(*) Wir haben die Überschrift korrigiert.
(**) Das Bundespräsidialamt hat ein persönliches Schreiben an König Mohammed VI auf Anfrage inzwischen bestätigt. Zum Inhalt machte es keine Angaben.