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Hörerwelten: Der leidenschaftliche Atheist Andreas May
"Macht euch mal locker"

Andreas May verpasst keine Ausgabe von "Tag für Tag" - und bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Atheisten. In einer Mail an den Deutschlandfunk kritisiert er: Die Positionen von Nicht-Gläubigen bekommen zu wenig Raum.

Von Claudia van Laak | 09.05.2018
    Ein Mann sitzt auf einem Stuhl vor einer Gruppe von Menschen und lächelt in die Kamera
    Tag für Tag-Hörer und leidenschaftlicher Atheist: Andreas May (Claudia van Laak/Deutschlandradio)
    Er kommt freundlich lächelnd auf einem knallroten Fahrrad angeradelt. Der XXL-Version eines Fahrrads, auf der sich auch ein Zwei-Meter-Mann wie Andreas May - Schuhgröße 49 – wohl fühlt. Der ausgebildete Fotograf, der als Location-Scout arbeitet, bezeichnet sich selbst als "leidenschaftlicher Atheist." Und genau deshalb schaltet er jeden Morgen um halb zehn den Deutschlandfunk ein.
    "Für mich kommt mir die halbe Stunde vor, als ob es Kirchenfunk wäre, es könnte auch "Radio Evangelika" heißen in meinen Augen, häufig. Aber deshalb höre ich es gerade, weil es für mich Kirchenfunk ist."
    Als Atheist lockt ihn die intellektuelle Auseinandersetzung mit Gläubigen, Theologen und anderen Kirchenvertretern. Nicht laut und aggressiv. Andreas May ist ein nachdenklicher, ruhiger Mensch, der nach Fragen gerne eine Gesprächspause entstehen lässt.
    "Muss ich mal kurz drüber nachdenken."
    Nämlich über die Frage, ob er – wie viele andere Atheisten – Kritik an den Privilegien der großen christlichen Kirchen übt. Die fehlende Trennung von Staat und Kirche? Die deutsche Besonderheit, dass das Finanzamt die Kirchensteuer eintreibt? Andreas May schüttelt den Kopf. Das alles stört ihn kaum.
    "Die können so reich sein und noch so viele Häuser haben"
    "Die können so reich sein und noch so viele Häuser haben, das ist mir eigentlich relativ egal. Der springende Punkt ist zunehmend, dass ich es unverantwortlich finde, sich auf eine Kirchenkanzel zu stellen, um vom ewigen Leben zu sprechen. Das sollte man nicht tun, weil sie wissen nicht, wovon sie reden. Das ist eigentlich, was mich antreibt oder motiviert."
    Andreas May schließt sein rotes Fahrrad ab, betritt die Aula einer Berufsschule in Berlin-Moabit. Die Initiative "Pro Berliner Neutralitätsgesetz" hat an diesem Abend zu einer Podiumsdiskussion geladen.
    Das Gesetz besagt: Polizistinnen, Richter, Staatsanwältinnen, Lehrer – sie alle dürfen im Dienst keine religiösen Symbole zur Schau stellen – weder Kippa noch Kopftuch tragen, auch kein großes christliches Kreuz um den Hals. Für den Atheisten Andreas May ist die religiöse Neutralität von Staatsbediensteten essentiell.
    "Es macht wirklich Sinn. Es gibt offensichtlich einen konservativ-religiösen Roll-back, der spürbar ist. Und wenn man dem irgendwie entgegentreten kann, dann auch durchaus mit so einem Gesetz. Dass wir die Schulen freihalten von solchen Sachen."
    Ein Bus mit der Aufschrift "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" am Brandenburger Tor in Berlin: Eine Aktion von überzeugten Atheisten 2009.
    Finden die Positionen von Nicht-Gläubigen zu wenig Beachtung in deutschen Medien? (dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)
    Auf dem Podium erzählen betroffene Lehrerinnen und Lehrer, wie sich die Atmosphäre an ihren Schulen in den letzten Jahren zum Negativen gewandelt habe. Die erste Einwanderergeneration sei offen und neugierig gewesen, jetzt herrsche ein Misstrauen gegenüber den deutschen Lehrern vor, muslimische Eltern würden ihren Kindern verbieten, die Geburtstagspartys von nicht-muslimischen Freunden zu besuchen.
    Religionen an sich sind das Problem
    Seyran Ates, die Anwältin und Gründerin einer liberalen Moschee in Berlin, plädiert vehement gegen das Kopftuch in Schulklassen. Mit Berufsverboten habe das nichts zu tun. Andreas May nickt, die Argumentation der liberalen Muslima Seyran Ates gefällt ihm. Noch besser fände er es, sie hätte dem Islam an sich abgeschworen. Nicht die politische Instrumentalisierung von Religionen sei das Problem, meint der 50Jährige, sondern die Religionen an sich.
    "Es sind die religiösen Behauptungen, die diese Verwirrung stiften, die diese Unruhe machen und zu solchen Zerwürfnissen führen. Es sind ursächlich die religiösen Behauptungen von ALLEN Seiten. Du darfst keinen Fisch essen, Du darfst nicht trinken, Du musst es so und so tragen. Da sitzt für mich die Ursache."
    Andreas May findet, dass die Positionen der Nicht-Gläubigen in den Medien – auch im Deutschlandfunk - zu wenig Beachtung finden. Dabei ist unsere Botschaft doch eine positive – sagt er.
    "Macht Euch mal locker. Und lass doch Deinen Jungen gerne zum Nachbarskind zum Geburtstag gehen, und lass die einfach einen schönen Nachmittag haben. Gottes Zorn wird Dich nicht abends treffen, wenn Du das erlaubst. Macht Euch locker."