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Hoffen auf Europa

Die EU will mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, der Ukraine und Weißrussland eine "Östliche Partnerschaft" gründen. Das heißt aber nicht, dass die neuen Ost-Partner sich Hoffnungen machen können auf eine EU-Mitgliedschaft. Trotzdem weckt diese Politik natürlich Erwartungen. Auch in Moldawien, das noch weit von westlichen Standards entfernt ist.

Von Robert Baag | 07.05.2009
    Anfang April. Soeben hatten die Bürger Moldawiens ihr neues Parlament gewählt. Und wieder hatten die seit 2001 regierenden Kommunisten gewonnen. Da schlägt ein zunächst friedlicher Protest gegen den angeblich manipulierten Wahlausgang völlig überraschend in Gewalt um. Das Parlament wird zeitweise besetzt. Eine Studentin stirbt bei den Auseinandersetzungen zwischen den überwiegend jungen Leuten und der Polizei. Auf beiden Seiten gibt es zahlreiche Verletzte.

    Blaue Europa-Fahnen mit dem Sternenkranz, aber auch Flaggen Rumäniens werden geschwenkt, des großen EU-Nachbarn, mit dessen Staatsbürgern viele Moldawier ethnisch verwandt sind und deren Sprache sie sprechen.

    Ziemlich genau vier Wochen, bevor Moldawien der "Östlichen Partnerschaft" der EU beitreten soll, haben diese Krawalle in der Hauptstadt Chisinau das übrige Europa aufgeschreckt. Doch auch die Führung in Moskau ist beunruhigt, nimmt Partei für die Wahlsieger, die indes mit dem Marxismus-Leninismus vergangener Tage schon lange nichts mehr am Hut haben, sondern - wie der Volksmund lästert - ihre Abgeordnetenprivilegien lieber für lukratives "Business" nutzen.

    Dies hat Moskaus Außenamtssprecher Andrej Nesterenko jedoch nicht im Sinn, als er die Haltung der EU zu den Oster-Unruhen in Chisinau kritisiert:

    "Wir gehen vom gemeinsamen Interesse Russlands und der EU an einer nachhaltigen Entwicklung dieses Teils von Europa aus. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Position Brüssels in vielen Fragen und was die Lage in Moldawien angeht, eher 'Euro-Solidarität' als Objektivität ausdrückt. Die EU kritisiert Moldawien. Auf die andere Seite Einfluss zu nehmen, beeilt sich die EU hingegen nicht, um etwa die rumänisch- moldawischen Beziehungen auf allgemein anerkannte Normen zurückzuführen."

    Der dem Moskauer Führungsduo Medwedew-Putin nahestehende Politologe Gleb Pawlowski unterstellt den Unruhe-Stiftern sogar Hintermänner in Bukarest:

    "Das sind auf Rumänien orientierte Leute, keine bloßen Oppositionsparteien. Die wollen nach Rücksprache mittel- bis langfristig Moldawien an Rumänien anschließen und es mit ihm vereinen."

    Die russische Führung fürchtet einmal mehr das mögliche Wegdriften eines alten Verbündeten an der Grenze zur NATO und EU. Und auch wenn ein EU-Beitritt Moldawiens, für den sich die dort regierenden Kommunisten vor noch gar nicht langer Zeit stark gemacht hatten, kaum absehbar ist, so weiß Chisinau ganz genau, was die EU ihrerseits an Moldawien hat.

    Ferran Tardellas, Sprecher des EU-Energie-Kommissar Piebalgs, bestätigte noch vergangene Woche in Moskau:

    "Durch Moldawien führt eine sehr wichtige Pipeline weiter in Richtung Rumänien und Bulgarien, die unsere Versorgung sichern soll. Moldawien, die Ukraine und Weißrussland sind wichtige Transitländer und deswegen sind wir sehr daran interessiert, gute Beziehungen mit ihnen zu haben - mindestens vom Standpunkt der Energiesicherheit her. Ja, die Partnerschaftspolitik wird hier eine wichtige Rolle spielen!"

    Doch das Agrarland Moldawien mit seinen rund vier Millionen Bürgern kämpft mit vielen Problemen. Einst der wohlhabende Gemüsegarten der Sowjetunion, gilt es inzwischen als "Armenhaus Europas". Ein Viertel der Bevölkerung verdingt sich im Ausland. Über 40 Prozent des Bruttosozialprodukts speisen sich aus deren Geldüberweisungen nach Hause. Bei der Energiezufuhr ist Moldawien völlig auf Russland angewiesen.

    Und: Da ist immer noch der Dauerkonflikt um die selbst proklamierte, international nicht anerkannte "Dnjestr-Republik", die sich schon Anfang der 90er-Jahre aus Angst vor einem Anschluss Moldawiens an Rumänien in einem blutigen Konflikt von Chisinau abgespaltet hatte. In diesem zwischen Moldawien und der Ukraine eingeklemmten Flecken Land leben rund eine halbe Million überwiegend Russischsprachige. Gut ein Drittel von ihnen besitzt russische Pässe. Sie sind damit russische Staatsbürger.

    Vor allem aber: Dort sind weiterhin russische Truppen stationiert. Und so klang es für viele Moldawier wohl nach Zweckoptimismus, als ihr Staatspräsident noch kurz vor den April-Wahlen in Moskau seinem russischen Amtskollegen Medwedew schmeichelte:

    "Unsere Beziehungen haben - wie man es auch drehen und wenden will - Perspektiven! Nach unserem heutigen Treffen werden wir diese Perspektiven noch vertiefter ansprechen."

    Teil fünf: Aserbaidschan und Armenien