Mittwoch, 27. März 2024

Entlastungspakete der Bundesregierung
Von Heizkostenzuschuss bis 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm

Seit dem Krieg in der Ukraine zieht die Inflation weiter an. Vor allem steigende Heizkosten werden zum Problem. Der Bundestag hat die Finanzierung einer geplanten Gas- und Strompreisbremse beschlossen. Das Wohngeld und das Hartz-IV-System sollen reformiert werden.

22.11.2022
    Eine Frau liegt warm angezogen mit Schal, dicken Socken und Decke bei Kerzenlicht auf einer Couch, dahinter ist ein Heizkörper zu sehen
    Heizkosten fallen bei den Energiekosten eines Haushalts am stärksten ins Gewicht (picture alliance / Jochen Tack / Jochen Tack)
    Seit Kriegsbeginn steigt die Inflation, Lebensmittel, aber auch Strom und Heizen werden teurer. Nach zwei Entlastungspaketen für Bürgerinnen und Bürger und dem Aus der Gasumlage hatte die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht und zur Finanzierung einer Gaspreisbremse den sogenannten Abwehrschirm über 200 Milliarden Euro beschlossen.
    Mit den Stimmen der Ampel-Parteien hat der Bundestag die Finanzierung des Sondervermögens gebilligt (21.10.2022). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, die geplante Gaspreisbremse werde spätestens zum März umgesetzt. Außerdem billigte das Parlament weitere Entlastungen für Rentnerinnen und Rentner sowie für Wohngeldempfänger.
    Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Kombination der drei Entlastungspakete und des Abwehrschirms als „Doppel-Wumms“ bezeichnet. Insbesondere mit dem Abwehrschirm zur Finanzierung eines Gaspreisdeckels stößt Deutschland bei den EU-Mitgliedern jedoch auf scharfe Kritik, unter anderem weil sich Deutschland gegen einen EU-weiten Gaspreisdeckel stellt.

    Entlastungspaket 1

    Bereits im Februar hatte die Ampelkoalition einige Entlastungen für Haushalte in Höhe von 13 Milliarden Euro auf den Weg gebracht:
    Die wichtigsten Maßnahmen:
    • Wegfall der EEG-Umlage (der Mehrbetrag zur Ökostrom-Förderung ist seit Anfang Juli weggefallen und damit ein halbes Jahr früher als geplant - das könnte einem vierköpfigen Haushalt bis zu 130 Euro ersparen)
    • Erhöhung der Pendlerpauschale von 35 Cent auf 38 Cent (rückwirkend zu Jahresbeginn für alle, die mehr als 20 Kilometer fahren)
    • Erhöhung des monatlichen Kinderzuschlags für Eltern mit kleinen Einkommen von 209 auf 229 Euro pro Kind
    Zudem sollen Wohngeldempfänger sowie viele Studierende und Auszubildende im Sommer einen doppelt so hohen Zuschuss zu den Heizkosten bekommen wie bisher geplant. Das hat der Bundestag Mitte März beschlossen. Von dem Heizkostenzuschuss sollen mehr als zwei Millionen Menschen profitieren. Er ist zunächst als einmalige Hilfe für die laufende Heizperiode vorgesehen und soll spätestens zum Ende des Jahres ausgezahlt werden. Wohngeldempfänger erhalten 270 Euro, Bafög-Empfänger und Auszubildende mit Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld 230 Euro.

    Entlastungspaket 2

    Am 19. bzw. 20. Mai stimmten Bundestag und Bundesrat dem folgenden zweiten Maßnahmenpaket des Bundeskabinetts zu:
    Die wichtigsten Maßnahmen:
    • Jeder einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige, der in den Steuerklassen 1-5 einsortiert ist, soll eine Energiepreispauschale von einmalig 300 Euro brutto bekommen. Das Geld wird vom Arbeitgeber als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt, bei Selbstständigen wird stattdessen die Steuer-Vorauszahlung gesenkt. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer. Wer einen hohen Steuersatz hat, bekommt am Ende also entsprechend weniger raus – wer unter dem Grundfreibetrag bleibt, profitiert von der vollen Summe.
    • ein Kinderbonus als zusätzliche Einmalzahlung für Familien in Höhe von 100 Euro pro Kind
    • eine Einmalzahlung für Empfänger von Sozialleistungen in Höhe von 200 Euro
    • eine Einmalzahlung für Arbeitslosengeldempfänger in Höhe von 100 Euro
    • Die Energiesteuer auf Kraftstoffe wurde befristet für drei Monate ab Juni auf das europäische Mindestmaß abgesenkt. Durch diese Art Tankrabatt reduzierte sich der Steuersatz für Benzin um 29,55 ct/Liter, für Dieselkraftstoff um 14,04 ct/Liter
    • Für 90 Tage wurde bundesweit außerdem ein Ticket für neun Euro pro Monat im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angeboten.
    Die Kosten für das zweite Entlastungspaket werden auf 14 bis 16 Milliarden Euro beziffert. Es soll Teil des vom Finanzminister angekündigten „Ergänzungshaushalts“ sein. Umweltverbände kritisierten die Energiehilfen als klimapolitisch halbherzig und forderten ein sozial gestaffeltes Klima- oder Energiegeld. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag forderte Entlastungen für die Wirtschaft.

    "Doppel-Wumms": Entlastungspaket 3 und 200-Milliarden-Abwehrschirm

    Der Bundestag hat mit den Stimmen der Ampel-Parteien die Finanzierung des sogenannten Abwehrschirms in der Energiekrise gebilligt - das Sondervermögen in Höhe von insgesamt 200 Milliarden Euro ist von der Schuldenbremse ausgenommen. Für die Bereitstellung der Gelder wird der in der Corona-Pandemie eingerichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds wieder aktiviert. Mit den neuen Schulden sollen eine Gaspreisbremse und Strompreis-Abschläge bezahlt werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, die geplante Gaspreisbremse werde spätestens zum März umgesetzt.
    Die Bundesregierung wird wohl im November ihre konkreten Pläne für die Strompreis- und die Gaspreisbremse vorlegen. Bis Mitte 2024 sollen die Entlastungsmaßnahmen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert werden.
    Der Bundestag beschloss außerdem eine Energiepreispauschale von 300 Euro für Rentnerinnen und Rentner sowie einen zweiten Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger.
    Bundeskanzler Scholz hatte kürzlich die Maßnahmen aus den bisherigen Entlastungspaketen und dem Abwehrschirm als „Doppel-Wumms“ bezeichnet.
    Folgende Maßnahmen sollen aus dem 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm finanziert werden:
    • Gaspreisbremse - Einmalzahlung im Dezember, ab März eine Deckelung der Preise für Gas und Fernwärme. Laut Medienberichten vom 22. November 2002 soll der Preisdeckel für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs jedoch bereits rückwirkend ab Januar Haushalte und Unternehmen entlasten.
    • Strompreisbremse - Haushalte und kleinere Unternehmen sollen ab März ein Grundkontingent von 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs für einen vergünstigten Brutto-Preis von 40 Cent je Kilowattstunden bekommen. Auch hier sollen die Entlastungsbeträge rückwirkend schon für Januar und Februar gelten.
    • Hilfen für Gasimporteure als Ersatz für die gekippte Gasumlage
    • weitere Hilfen für Unternehmen
    Die wichtigsten Maßnahmen des dritten Entlastungspakets:

    • Nachfolger für das 9-Euro-Ticket: Bund und Länder einigen sich am 2.11.2022 auf ein 49-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen geeinigt. Das berichten mehrere Medien wie die Deutsche Presse-Agentur und „Der Spiegel“.
    • Abschöpfung von Zufallsgewinnen von Stromkonzernen, die aktuell mehr als üblich durch den hohen Strompreis profitieren
    • Bürgergeld soll ab 2023 Hartz IV ablösen: Kommt das Vorhaben trotz Widerstand der Union durch den Bundesrat, steigt der Regelsatz auf 502 Euro pro Monat.
    • Kindergeld soll zum 1. Januar für das erste und zweite Kind um je 18 Euro erhöht werden, Erhöhung des Kinderzuschlags auf 250 Euro
    • Energiepauschale für Rentner und Rentnerinnen (300 Euro), die im Dezember ausgezahl werden soll. Das Geld muss versteuert werden. Einbezogen sind auch Menchen, die eine Erwerbsminderungs- oder eine Hinterbliebenenrente bekommen. Studierende und Fachschüler erhalten einmalig 200 Euro.
    • Wohngeldreform: Wohngeld soll laut Bundestagsbeschluss ab Januar 2023 verdoppelt werden auf durchschnittlich 370 Euro monatlich, der Kreis der Berechtigten soll auf bis zu zwei Millionen Menschen anwachsen, die Klimaabgabe gerechter auf Mieter und Vermieter verteilt werden.
    • zweiter Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger: Alleinstehende erhalten 415 Euro, Zwei-Personen-Haushalte 540 Euro, Haushalte mit mehr Mitgliedern für jede weitere Person 100 Euro mehr. Für Bafög-Empfängerinnen und -Empfänger sowie Auszubildende, die Berufsausbildungshilfe oder Ausbildungsgeld beziehen, beträgt die Pauschale 345 Euro
    • Erhöhung des CO2-Preises soll auf Januar 2024 verschoben werden
    • Senkung der Umsatzsteuer auf Gasverbrauch bis Ende März 2024 von 18 auf sieben Prozent (zunächst als Ausgleich für die gekippte Gasumlage geplant, bleibt die Maßnahme dennoch bestehen)
    • Steuererleichterungen (Abbau der kalten Progression)
    • Schutz vor Gas- und Stromsperre für Mieterinnen und Mieter
    • Entfristung und Erhöhung der Homeoffice-Pauschale von 600 Euro pro Jahr auf bis zu 1.000 Euro pro Jahr ab 2023. (Steuerpflichtige können weiterhin 5 Euro pro Tag in der Einkommenssteuererklärung geltend machen an künftig 200 statt 120 Homeoffice-Tagen)

    Reaktionen aus dem In- und Ausland

    Dass derzeit noch konkrete Konzepte für eine Strompreis- und Gaspreisbremse fehlen, stößt auf die Kritik von CDU und CSU. Es würden Schulden auf Vorrat aufgenommen, ohne zu wissen, wofür das Geld am Ende genau verwendet wird, so die Union laut Agenturberichten. Die Linke befürchtet, dass die geplanten Preisbremsen insbesondere Besserverdienern mit hohen Energieverbräuchen zugutekommen würden. Es brauche zielgenauere Hilfen für sozial Schwache. Aus Sicht der AfD sind die Sanktionen gegen Russland schuld an der Energiekrise. Deutschland solle lieber wieder Erdgas aus Russland importieren.
    Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) kritisierte den zeitlichen Ablauf der vorgesehenen Entlastung durch die Gaspreisbremse. Die Pläne der Expertenkommission sehen eine Entlastung im Dezember vor, im Januar und Februar höhere Preise und ab März dann wieder Entlastungen. Der MPK-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schlug ein freiwilliges Aussetzen von Preiserhöhungen für Januar und Februar durch die Energieunternehmen vor.
    Auch der Paritätische Gesamtverband kritisierte die Beschlüsse. Eine bundesweite Umfrage des Verbands zeige, dass fast die Hälfte (46 Prozent) der befragten Einrichtungen ohne Hilfe ihre Angebote noch höchstens ein Jahr aufrechterhalten könnten. Dabei geht es um Pflegeheime und -dienste, Frauenhäuser, Beratungsstellen, Kindergärten und Obdachlosenunterkünfte. Auch die Krankenhäuser forderten erneut schnelle finanzielle Zusagen.
    Die Reaktionen auf den "Doppel-Wumms", insbesondere die Finanzierung einer Gas- und Strompreisbremse durch den 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm, stoßen in der EU auf heftige Kritik, unter anderem deshalb, weil sich Deutschland bisher gegen einen EU-weiten Gaspreisdeckel sperrt. Der polnische Europaminister Szymon Szynkowski sagte im Deutschlandfunk, es sei unfair und verzerre den Wettbewerb, wenn ein Land wie Deutschland Staatshilfen genehmige, die kleinere Länder nicht in der Höhe aufbringen könnten. (21.10.2022)
    Quellen: Nadine Lindner, Johannes Kuhn, Nina Voigt, Jörg Münchenberg, Cornelia Crumbach, Thielko Grieß, SPD, Panajotis Gavrilis, og, Agenturberichte