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Internationale Beziehungen
"Deutschland muss mehr für seine Sicherheit leisten"

Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann rechnet damit, dass die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts fortgeführt werden. Zudem drängte er darauf, dass Deutschland mehr Geld für seine Verteidigung ausgibt. Die Bundesrepublik könne nicht immer den amerikanischen Steuerzahler in die Pflicht nehmen, sagte Wellmann im DLF.

Karl-Georg Wellmann im Gespräch mit Stephanie Rohde | 28.01.2017
    Der CDU-Politiker Karl-Georg Wellmann
    Karl-Georg Wellmann (CDU) (imago stock&people)
    Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann plädierte zudem dafür, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich zu stärken und Polen mit einzubeziehen. Dann würde man die Rolle in der Welt spielen, die einem zukomme. Die Europäer seien stark, wenn sie das wollten. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt meinte Wellmann, Europa habe den Sanktionen gegen Russland erneut zugestimmt. Die Strafmaßnahmen würden fortgesetzt.
    Wellmann betonte, er gehe davon aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in dem für heute angekündigten Telefongespräch mit US-Präsident Trump dies besprechen werde. Wellmann betonte, es sei gut für die Welt, wenn die beiden Großmächte USA und Rusland "ein vernünftiges Verhältnis finden". Allerdings müsse die EU nun ihre eigenen Interessen wahrnehmen. "Wir sind viel stärker als mancher glaubt. Das wird Herr Trump auch noch lernen."

    Das Interview in voller Länge:
    Stephanie Rohde: Eins ist klar: Heute ist ein Tag, an dem Donald Trump viel am Telefon hängen wird. Er wird nicht nur mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsident Francois Hollande telefonieren, sondern auch mit dem russischen Präsidenten Putin. Trump sagte, er hoffe auf ein fantastisches Verhältnis zu Putin, und das könnte auch heißen, dass Trump versuchen wird, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, die die USA wegen der Ukrainekrise gegen das Land verhängt haben. Damit würde Trump die Europäer vor den Kopf stoßen, die Russland als Sicherheitsrisiko betrachten. Mit Spannung wird daher auch auf das erste Gespräch von Trump und Merkel heute geschaut. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Karl Georg Wellmann von der CDU. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und in der deutsch-russischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen!
    "Wir spielen eine starke Rolle"
    Karl Georg Wellmann: Guten Morgen aus Berlin!
    Rohde: Donald Trump empfängt demonstrativ lieber andere Staatschefs wie die Britin Theresa May gestern, und der schwärmt vom fantastischen Verhältnis zu Putin. Hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel schon akzeptiert, dass ihre neue Stellung in der Welt das Sich-hinten-anstellen ist?
    Wellmann: Nein, überhaupt nicht. Erstens wird sie ja heute auch mit Trump sprechen, übrigens auch in den nächsten Tagen mit Putin. Wir spielen eine starke Rolle, und wir hören aus allen Ecken, vor allem auch aus Russland, dass großes Interesse ist, mit der Bundeskanzlerin ins Gespräch zu kommen.
    Rohde: Na ja, aber Trump hat ja klargemacht, dass er nicht so viel von Deutschland hält. Er hat gesagt, die EU als Mittel zum Zweck für Deutschland – soll Merkel das einfach ignorieren oder soll sie vielleicht, wie Gregor Gysi gestern vorgeschlagen hat, Trump rotzfrech begegnen?
    Wellmann: Nein, es ist immer nicht klug, Außenpolitik aus dem Bauch zu machen, sondern besser mit dem Kopf. Das tut die Kanzlerin.
    "Wir müssen unsere Interessen wahrnehmen"
    Rohde: Anders als Donald Trump?
    Wellmann: Was Gysi gesagt hat, ist nicht besonders intelligent. Trump hat auch vieles Schillerndes gesagt und viele Dinge, die er mal gesagt hat, widerrufen. Erst hat er gesagt, er findet Folter gut, dann hat er gesagt, sein Verteidigungsminister hat recht, der dagegen ist, er werde auf seinen Verteidigungsminister hören. Wir müssen unsere Interessen wahrnehmen. Der erzählt ja alles Mögliche, der Trump. Heute so und morgen so. Man hat auch den Eindruck, er lernt erst. Der Frau May hat er gesagt, der britischen Premierministerin, also mit Putin, den kennt er überhaupt nicht, und er werde erst mal sehen, was rauskommt. Frau May ist klug aufgetreten und hat gesagt, man soll die Sanktionen fortsetzen, und er soll vorsichtig sein mit Putin.
    Rohde: Darüber möchte ich gleich noch sprechen. Lassen Sie uns kurz schauen, Trump hat nämlich auch gesagt, wenn wir mit Russland auskommen, ist das eine großartige Sache. Es ist gut für Russland und es ist gut für uns. Ist das für die EU und für Deutschland schlimmer, wenn sich Russland und die USA gut verstehen oder wenn sie sich nicht verstehen?
    Wellmann: Nein, überhaupt nicht. Das sind zwei Großmächte, und es ist gut für die Welt und damit auch für uns, wenn die ein vernünftiges Verhältnis miteinander haben, und es wäre schrecklich für die Welt, wenn diese beiden Großmächte in einen ernsthaften Streit geraten. Daran haben wir kein Interesse. Wir müssen unsere Rolle spielen und nicht immer wie das Kaninchen auf die Schlange gucken, was Herr Trump als nächstes von sich gibt. Wir müssen unsere Interessen wahrnehmen. Europa ist stark, wir sind 500 Millionen Menschen, hier ein gemeinsamer Markt. Wir sind viel stärker als mancher glaubt, und das wird Herr Trump auch noch lernen.
    "Die Russen brauchen Europa insgesamt, schon aus ökonomischen Gründen"
    Rohde: Was wird denn unsere Rolle genau sein, die Sie jetzt hier immer anführen? Trump denkt ja darüber nach, die amerikanischen Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Wie könnte Europa da stark reagieren?
    Wellmann: So wie Frau May das gemacht hat. Sie hat gesagt, die Aufhebung der Sanktionen kommt erst in Betracht, wenn die Ukrainekrise gelöst ist. Wir hören ja auch aus Russland ganz neue Töne. Wir hören, dass angesichts des neuen Präsidenten in Amerika die Rolle von Frau Merkel eher stärker wird. Die Russen wissen, dass sie Frau Merkel für Europa brauchen. Die Russen brauchen Europa insgesamt, schon aus ökonomischen Gründen, aus sicherheitspolitischen Gründen, und ich denke, es ist überhaupt nicht so ungewiss, wie Frank-Walter Steinmeier gestern gesagt hat, es gibt viele Gewissheiten, und dass die gute Nachricht ist, dass die Führungen jetzt miteinander reden.
    Rohde: Welche Gewissheiten gibt es denn nach dieser Woche?
    Wellmann: Die Gewissheiten gibt es, dass wir Europäer stark sind, wenn wir das wollen. Wir müssen mehr tun, um Europa noch stärker zu machen. Es liegen alle Voraussetzungen vor.
    Rohde: Aber in Europa gibt es ja Länder wie Ungarn beispielsweise, die bei diesem Thema Sanktionen gegen Russland auch eher auf der amerikanischen Seite wären und die Sanktionen gerne abschaffen würden. Damit zeigt sich doch schon, dass Europa gar nicht so stark aufgestellt ist wie man immer sagt.
    Wellmann: Europa hat ja unter Einschluss von Ungarn gerade erst wieder der Verlängerung der Sanktionen zugestimmt. Alle Europäer haben das gemacht, und das wird sich auch fortsetzen, und das wird Frau Merkel mit Herrn Trump besprechen. Die Amerikaner haben Interesse an Stabilität, sie haben gesagt, die NATO ist für sie wichtig, und das ist für uns entscheidend. Wir müssen stärker werden, wir müssen auch mehr leisten für unsere eigene Sicherheit, wir dürfen nicht mehr auf den gütigen Patenonkel in Washington gucken, sondern wir müssen endlich unseren Beitrag leisten, den auch andere schon geleistet haben, und wir müssen die Achse Deutschland-Frankreich stark machen, wir müssen Polen einbeziehen, und dann werden wir die Rolle spielen, die uns in der Welt zukommt.
    "Wir haben Lücken in unserer Verteidigung"
    Rohde: Mit unserem Beitrag leisten, meinen Sie das auch mit Blick auf die NATO? Da hat Deutschland ja immer noch einen relativ geringen Beitrag, den es beisteuert, und das ist ja ein Kritikpunkt, der immer kommt von den Amerikanern.
    Wellmann: Genau das ist es. Wir haben Lücken in unserer Verteidigung, und wir können nicht immer nach Washington fahren und sagen, der amerikanische Steuerzahler soll mal Geld zahlen, damit die geschlossen werden. Wir haben international vereinbart, dass zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt aufgewendet werden müssen für unsere eigene Sicherheit. Deutschland ist ungefähr bei der Hälfte. Wir zahlen weniger, im Verhältnis jedenfalls, als die Engländer, als die Polen und vor allem als die Amerikaner für unsere Sicherheit. Es ist Schluss mit der Verteilung, dass wir sagen, wir als Exportweltmeister sind für das Geldverdienen zuständig und die anderen für die Sicherheit, und deshalb müssen wir mehr tun und wir haben das auch schon getan. Die Haushalte für Verteidigung sind ja deutlich hochgefahren im letzten Jahr und auch in diesem Jahr wieder.
    Rohde: Donald Trump hat die NATO ja anfangs als obsolet bezeichnet. Jetzt hat Theresa May gesagt, dass Trump sich zu 100 Prozent zur NATO bekannt habe. Wie viel Prozent sind das in einer nichttrumpschen Prozentskala?
    Wellmann: Also einmal ist Frau May auch hier wieder richtig vorgegangen, und wenn sie sagt, Trump habe sich zur NATO bekannt, dann ist das eine gute Nachricht. Eine gute Nachricht ist auch, dass sein neuer Verteidigungsminister völlig unmissverständlich gesagt hat, dass die NATO ein Eckpfeiler auch der amerikanischen Sicherheit ist. Ich war vor einer Woche im amerikanischen Hauptquartier in Wiesbaden, und auch dort ist mir völlig klar gesagt worden, die Amerikaner stehen zur NATO. Es ist für ihre eigene Sicherheit wichtig, und deshalb müssen wir auf Augenhöhe kommen und unseren Beitrag leisten. Das reiche Deutschland kann nicht zurückstehen. Wenn wir unsere Freiheit und vor allem unseren Wohlstand behalten wollen, dann müssen wir mehr tun.
    "Deutschland ist kein echter Spieler in Syrien"
    Rohde: Schauen wir auf die Syrienpolitik, da ist Donald Trump überraschend jetzt auf Konfrontationskurs mit Russland gegangen, weil er eine Flugverbotszone in Syrien einrichten will, was Russland natürlich strikt ablehnt. Angela Merkel ist für eine solche Flugverbotszone. Hat dieser Plan nicht unkalkulierbare militärische Risiken?
    Wellmann: Ja, man muss natürlich sehen, dass es nicht zu einer Konfrontation zwischen russischen und amerikanischen oder NATO-Flugzeugen dort kommt.
    Rohde: Und wie kann Deutschland das verhindern, wenn es für diese Flugverbotszone eintritt?
    Wellmann: Deutschland ist kein echter Spieler in Syrien. Das müssen die Großen unter sich ausmachen.
    Rohde: Gehört Europa noch dazu?
    Wellmann: Wie bitte?
    Rohde: Gehört Europa noch dazu?
    Wellmann: Europa ist dort kein entscheidender Spieler. Das hängt ab zwischen … das spielt sich ab zwischen Russen, Amerikanern und den Regionalmächten einschließlich Iran, Saudi Arabien und der Türkei. Wir können dort helfen. Wir sind ja Teil einer internationalen Allianz, die den Terror bekämpft, auch mit eigenen Kampfflugzeugen.
    Amerikaner und Russen brauchen vernünftiges Arbeitsverhältnis
    Rohde: Aber man kann nicht mitgestalten. Das heißt, Sie sprechen Angela Merkel hier eine Rolle ab.
    Wellmann: Wir spielen keine Hauptrolle jedenfalls. Wir tun sehr viel. Wir sind der größte Helfer beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur und Städte. Das tun wir, damit die Menschen wieder zurückgehen können, damit die Fluchtbewegung eingestellt wird oder zurückgeht, aber wir sind im Nahen Osten keiner, der in der ersten Reihe mitspielt.
    Rohde: Aber das heißt auch, wenn Donald Trump diesen Plan jetzt umsetzt – Russland hat schon mögliche militärische Konsequenzen angedroht –, dann sind wir zum Zuschauen verdammt, wenn es dort wirklich zu einer Konfrontation von den USA und Russland kommt.
    Wellmann: Zum Zuschauen verdammt sind wir nicht, weil beide Interesse daran haben, die Europäer einzubeziehen und weil Deutschland inzwischen eine Führungsrolle spielt in Europa, und wenn wir diese Rolle klug spielen, was die Kanzlerin tut, dann werden wir reden, und dann werden wir auch mit den wichtigen Spielern, nämlich den Russen und den Amerikanern reden, wie es dort weitergeht, und ich denke, im Nahen Osten, so schwierig das ist, werden wir zu einer Lösung, einer Befriedung kommen können, wenn die beiden Großen sich an einen Tisch setzen. Deshalb ist es so wichtig, dass Amerikaner und Russen wieder zu einem vernünftigen Arbeitsverhältnis kommen.
    Rohde: Ein weiteres Problem, was es ja auch noch gibt, ist, dass Trump ein Einreisestopp für Menschen aus dem Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und dem Jemen angeordnet hat. Was heißt denn das jetzt für Europa und die Flüchtlingsströme?
    Wellmann: Also von den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen sind ja relativ wenig nach Amerika gekommen. Das war ja nur eine Hand voll. Das wird für uns keine einschneidenden Auswirkungen haben. Das glaube ich jedenfalls nicht. Im Übrigen ist das ja auch in Amerika auch vom neuen amerikanischen Verteidigungsminister, von Herrn Tillerson, dem neuen Außenminister kritisiert worden. Auch das ist ja in Amerika überhaupt nicht unumstritten, und wir werden sehen, dass das nicht so heiß gekocht … gegessen wird wie es der Trump kocht manchmal.
    "Es ist für uns nicht akzeptabel, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden"
    Rohde: Aber de facto gibt es diesen Einreisestopp jetzt. Also was bedeutet das? Kommen dann mehr Menschen nach Europa, und was ist die Antwort darauf?
    Wellmann: Ich glaube nicht, dass mehr Menschen nach Europa kommen, weil die Bürgerkriegsflüchtlinge sind ja bisher zu uns gekommen. Dieser Zustrom ist weitgehend gestoppt worden durch das Abkommen der Europäer mit der Türkei. Wir arbeiten ja ständig daran. Die Flüchtlingswelle nach Deutschland hat drastisch abgenommen. Es kommen kaum noch neue Flüchtlinge hierher, und das wird sich nicht durch die amerikanische Einwanderungspolitik, die ja ohnehin schon sehr zurückhaltend war in den letzten Jahren, in irgendeiner Weise ändern. Das glaube ich nicht.
    Rohde: Und wie bewerten Sie es, dass konkret Muslime ausgeschlossen werden und es Sonderregelungen geben soll für Christen und andere religiöse Minderheiten?
    Wellmann: Es ist für uns nicht akzeptabel, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Wir müssen mehr für unsere Sicherheit tun. Wir müssen die Grenzen mehr schützen, aber wir können nicht sagen, nur weil einer muslimischen Glaubens ist, darf er nicht mehr einreisen. Das würde unseren Verfassungsgrundsätzen, übrigens auch den amerikanischen, widersprechen, und ich glaube nicht, dass das dauerhaft hält, was der Herr Trump dort seinen Wählern verkündet hat.
    Rohde: Sagt Karl Georg Wellmann, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und der CDU. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk!
    Wellmann: Auf Wiedersehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.