Donnerstag, 16. Mai 2024

Olympische Winterspiele
Warum die Schweiz sich für 2030 und 2034 bewirbt

Das IOC hatte große Probleme, einen Austragungsort für die Olympischen Winterspiele 2030 zu finden. Nun gibt es doch Interesse, etwa will die Schweiz das Event – oder die Spiele 2034 – ausrichten. Die Schweizer Sportpolitikerin Andrea Gmür-Schönenberger legt die Gründe dar.

Andrea Gmür-Schönenberger im Gespräch mit Maximilian Rieger | 25.11.2023
Fans der Schweizer Skifahrerinnen und -fahrer schwenken Fahnen im Abfahrts-Zieleinlauf von Crans-Montana.
Die Wintersport-Begeisterung der Schweizer Bevölkerung ist naturgemäß groß. Aber reicht sie auch für die Austragung Olympischer Winterspiele 2030 oder 2034? (picture alliance / KEYSTONE / ALESSANDRO DELLA VALLE)
Um die Sommerspiele bewirbt sich derzeit gefühlt die halbe Welt, auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) befindet sich gerade im Dialog mit der Bevölkerung, ob eine Bewerbung erstellt werden soll. Aber Winterspiele? Die sind eher ein Ladenhüter. So wollten Vancouver (Kanada), Sapporo (Japan) und Salt Lake City (USA) sich irgendwie doch nicht so richtig für 2030 bewerben.
Bisher zumindest. Denn nun gibt es doch Bewerber, die ihr Interesse angemeldet haben – neben Frankreich und Schweden will auch die Schweiz Olympische Winterspiele 2030 oder 2034 ausrichten. Das entschied das Schweizer Sportparlament einstimmig. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird die Austragungsorte für die Winterspiele 2030 und 2034 im kommenden Sommer bekanntgeben.

Nicht nur eine Stadt – "ganzes Land als Olympisches Dorf"

Mit einer erfolgreichen Bewerbung würden die Schweizer im dritten Mal die Olympischen Winterspiele ausricht. 1928 und 1948 fanden diese in St. Moritz statt. Für 2030 oder 2034 würde sich die Austragung aber nicht auf eine Stadt beschränken. Alpine Wettbewerbe sind für Crans-Montana angedacht, Bob- und Rodeln in St. Moritz und Skispringen in Engelberg und Kandersteg.
So erklärt es auch die Schweizer Sportpolitikerin Andrea Gmür-Schönenberger im Dlf-Interview: "Wir sind eine große Wintersportnation. Deshalb hat es sich praktisch aufgedrängt, dass sich die Schweiz jetzt wieder bewerben möchte. Und zwar: ein ganzes Land als Olympisches Dorf."

Was Winterspiele für die Schweiz interessant macht

Aber aus welchen konkreten Gründen möchte die Schweiz das sportliche Großevent austragen? Gmür-Schönenberger, die für die Partei "Die Mitte" im Ständerat sitzt und der parlamentarischen Sport-Gruppe stellvertretend vorsitzt, untersreicht die Chancen einer Austragung. Sie sieht zwei maßgebliche Bereiche:

Es wäre auch ein Zeichen, dass man Olympische Spiele jenseits des Gigantismus, der auch immer wieder angeprangert wurde, durchführen kann. Und es wäre eine Chance, einerseits als Tourismus-Destination, aber andererseits glaube ich, gerade in politisch schwierigen Zeiten, wäre es die Möglichkeit, die soziale Kohäsion wieder zu stärken.

Andrea Gmür-Schönenberger, Schweizer Sportpolitikerin
Die gegebene infrastrukturelle Eignung, das Thema Nachhaltigkeit und eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts – diese Aspekte unterstreicht Gmür-Schönenberger. Ob das die Bevölkerung auch so sieht? Schließlich scheiterte eine Bewerbung des Kantons Graubünden für 2026 zuletzt noch an einer Volksabstimmung.

Kantone könnten noch Referenden durchführen lassen

Gmür-Schönenberger betonte, es sei "durchaus möglich, dass in einzelnen Kantonen dann wieder ein Referendum ergriffen wird", doch sie sei sehr zuversichtlich. "Weil man sich als Land zusammenrauft, also nicht ein einzelner Kanton Gastgeber wäre, sondern eben das ganze Land. Das erachte ich schon als große Chance, durch diese Dezentralisierung, wo eben alle Kantone profitieren können."
Die Schweizer Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger blickt in die Kamera.
Sportpolitikerin Andrea Gmür-Schönenberger kann sich Olympische Winterspiele 2030 oder 2034 in der Schweiz gut vorstellen. (picture alliance / KEYSTONE / GAETAN BALLY)
Aus einer Machbarkeitsstudie ist in der Tat zuletzt hervorgegangen, dass die Stimmung in der Bevölkerung durchaus pro Austragung Olympischer Winterspiele ist. Allerdings fehlt laut der Umfrage das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in das IOC. Gmür-Schönenberger betont aber, dass IOC wolle jedenfalls etwa 710 Millionen Euro bei der Organisation des Events zuschießen.
Die Machbarkeitsstudie zu Olympischen und Paralympischen Spielen in der Schweiz

Gmür-Schönenberger rechnet nicht mit Kostenexplosion

Einen Löwenanteil stellen allerdings auch die Sicherheitskosten dar, diese würden die Schweiz als Staat und die einzelnen Kantone selbst stemmen müssen. Und diese Kosten können durchaus explodieren. So hatte Vancouver 2010 mit 175 Millionen Dollar Sicherheitskosten gerechnet. Daraus wurden am Ende 900 Millionen Dollar.
Gmür-Schönenberger sagte, es bedürfe noch einer genaueren Analyse dieser Kosten, allerdings sei die Schweiz "immer noch ein sehr sicheres Land", weshalb die Sportpolitikerin eine Kostenexplosion als unrealistisch einschätzte.

Olympische Eisschnelllauf-Wettbewerbe in Deutschland?

Sparen möchte die Schweiz auch dadurch, dass keine neuen Sportstätten gebaut werden sollen. Die Eisschnelllauf-Wettbewerbe könnten deswegen entweder im niederländischen Heerenveen oder im deutschen Inzell stattfinden.
"Es macht ja Sinn, dass Deutschland sich zur Verfügung stellen würde für Eisschnelllauf", so Gmür-Schönenberger. "Es wäre für Deutschland eine Möglichkeit, sich diesbezüglich zu positionieren. Ich finde überhaupt, man sollte noch viel besser und enger zusammenarbeiten und sich auch gegenseitig zur Seite stehen"