Donnerstag, 25. April 2024

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Drohungen und Vorurteile
Die Arbeit von Investigativjournalistinnen

Panama Papers, Recherchen in der Neonazi-Szene oder die Watergate-Affäre - investigativer Journalismus wird oft mit Männern assoziiert. Aber auch viele Reporterinnen recherchieren hartnäckig, wälzen geheime Dokumente, sprechen mit Informantinnen und begeben sich selbst Gefahr.

Von Lisa Weiß | 20.10.2022
Die Journalistin Isabell Beer sitzt auf einem blauen Sofa auf der Frankfurter Buchmesse 2021 und wird von einer Moderatorin interviewt.
Laut der Investigativjournalistin Isabell Beer sind Frauen in ihrer Branche unterrepräsentiert. (imago images / STAR-MEDIA)
"Zu mir kam die Polizei nach Hause, hat mir dann geraten, Panzerglas vor die Scheiben zu hängen und mir eine gepanzerte Tür zuzulegen - also ganz banale Dinge, ich gehe aus dem Fahrstuhl und habe Angst gehabt, wenn sich die Fahrstuhltür öffnet."
Petra Reski lächelt, aber sie wirkt angestrengt.
"Ich sitze im Taxi und dann geht neben mir die Scheibe runter, dann kriege ich Angst. Das hat sich dann auch irgendwann wieder gelegt, weil ich dann gesagt habe: 'Scheiß drauf. Da hab ich auch keinen Bock drauf.'"
Reski ist Schriftstellerin und investigative Journalistin. Sie recherchiert vor allem zur Mafia und deren Verbindungen nach Deutschland. Ein Thema, bei dem Drohungen und Anfeindungen häufig sind. Besonders heikel sei, dass auch ihr Mann und ihre Kinder mit hineingezogen werden, sagt sie.

Der Unterschied zur Arbeit im Aktuellen

Nicht alle Journalistinnen, die investigativ arbeiten, werden so massiv bedroht – oft trifft es eher ihre Informantinnen und Informanten. Aber auch der ganz normale Alltag von Investigativjournalistinnen unterscheidet sich von der Arbeit in einer aktuellen Redaktion: Anstatt schnell zu einem Termin zu fahren und darüber zu berichten, recherchieren sie teilweise wochen- und monatelang zum gleichen Thema. Einige als Einzelkämpferinnen, andere, wie Katrin Langhans vom "Spiegel", gerne im Team.
"Man muss natürlich sehr hartnäckig sein, man muss Widerstände aushalten können. Das ist auch der Unterschied zu einer normalen Recherche, dass man immer jemanden hat, der gar kein Interesse daran hat, dass man an eine gewisse Information gelangt. Das geht von Anwaltspost, die kurz vor einer Recherche kommt, bis hin zu Anwaltspost, die im Nachgang versucht, einen einzuschüchtern. Also, da muss man schon auch ein dickes Fell mitbringen."

Eine Erfolgsgeschichte mit Risiko

Das hat Katrin Langhans ganz offensichtlich: Die Journalistin hat gemeinsam mit ihrem Team über Monate hinweg zu Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen den damaligen "BILD"-Chefredakteur Julian Reichelt recherchiert. Ihr damaliger Arbeitgeber, der Ippen-Verlag, wollte die Vorwürfe gegen Reichelt nicht veröffentlichen.
Das Team von Katrin Langhans ging dann zum "Spiegel" – im Wissen, dass sie alle damit riskierten, ihren Job zu verlieren. Julian Reichelt wurde entlassen, Katrin Langhans zur Journalistin des Jahres 2021 gewählt. Eine Erfolgsgeschichte.
Aber es ist nicht leicht, als Investigativjournalistin erfolgreich zu werden, sagt Isabell Beer, die vor allem für "funk", das junge Angebot von ARD und ZDF, arbeitet:
"Also das größte Problem war für mich am Anfang, jemanden zu finden, der mich ordentlich bezahlt. Das hab ich dann auch nicht geschafft, bis ich zu 'funk' kam. Das war die größte Hürde."

Beer: Frauen sind im Investigativjournalismus unterrepräsentiert

Isabell Beers Spezialgebiet sind Online-Recherchen. Sie beschäftigt sich mit Themen wie Drogen und sexualisierter Gewalt. Es gebe langsam mehr Frauen in Investigativteams. Sie seien aber immer noch unterrepräsentiert, sagt Beer. Und fügt hinzu: Frauen hätten mit Vorurteilen zu kämpfen. Man höre immer wieder, der Job sei viel zu gefährlich für eine Frau.
"Bevor ich im Investigativjournalismus war, dachte ich immer, wir sind in Deutschland irgendwie gleichberechtigt als Mann und Frau. Und durch diese Branche hab ich verstanden, wie weit wir davon entfernt sind, wenn man dann eben mitbekommt, wie viel besser manchmal männliche Kollegen bezahlt werden, ohne, dass sie verhandeln müssen. Während mir als Frau dann gesagt wurde beim Verhandeln: 'Ne, mehr können wir nicht bezahlen.'"
Für Katrin Langhans ist in diesem Zusammenhang ein Problem, dass Themen, die eher von Frauen recherchiert werden, von Redaktionen nicht so wichtig genommen werden. Heißt konkret: Eine harte Recherche in den Bereichen Medizin oder Umwelt werde von den Blattmachern in den Zeitungen oft nicht als gleichwertig gesehen wie ein Steuerrechtsskandal, sagt Langhans, die übrigens selbst bei der Recherche zu den Panama Papers dabei war, einem der größten Steuerskandale weltweit.

Langhans: "Ich mag diesen Kampf"

Katrin Langhans sieht die Schwierigkeiten in ihrer Branche, sie erwähnt auch noch, dass die Work-Life-Balance oft fehlt. Mit dem investigativen Journalismus aufhören, will sie aber nicht.
"Ich kenn auch viele Leute, die sagen: Katrin, ich versteh nicht, warum du diesen Job machst. Mich würde das total frustrieren, monatelang mich durch Dokumente zu graben und dann erst eine fertige Geschichte zu haben. Es gibt Leute, die finden das furchtbar, und ich muss sagen, ich mag das. Ich mag diesen Kampf und diesen Ansporn und diese Herausforderung."