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125. Geburtstag von Gottfried Bermann Fischer
Einer der berühmtesten Verleger Deutschlands

Eine große Karriere als Chirurg stand ihm bevor, doch dann wurde Gottfried Bermann Fischer einer der berühmtesten Buchverleger Deutschlands im 20. Jahrhundert. Die Bewahrung des S. Fischer Verlags in den Exil-Jahren während der Hitler-Zeit hielt er selbst für seine bedeutendste Leistung.

Von Christian Linder | 31.07.2022
Der Verleger Dr. Gottfried Bermann Fischer (l) und der amerikanische Schriftsteller und Dramatiker Thornton Wilder am 26. September 1957 in Frankfurt. Bermann Fischer hatte den Verlag S. Fischer während der Nazi-Diktatur nach New York verlagert, nach 1945 dann wieder nach Frankfurt.
Der Verleger Dr. Gottfried Bermann Fischer (l) und der amerikanische Schriftsteller und Dramatiker Thornton Wilder am 26. September 1957 in Frankfurt. Bermann Fischer hatte den Verlag S. Fischer während der Nazi-Diktatur nach New York verlagert, nach 1945 dann wieder nach Frankfurt. (pa/dpa)
Ein Jahrhundertleben, in Gang gekommen auch durch das Spiel auf einer Bratsche und somit fast eine Märchen-Geschichte. Sie beginnt damit, dass der junge, am 31. Juli 1897 im oberschlesischen Gleiwitz geborene Assistenzarzt Gottfried Bermann im Berlin der 1920er-Jahre davorsteht, in der Nachfolge seines Lehrers Professor Ferdinand Sauerbruch einer der besten und berühmtesten Chirurgen Deutschlands zu werden. In seiner Freizeit spielt er gern Violine, so gut, dass er immer wieder zur Teilnahme an Hauskonzerten in Grunewald-Villen eingeladen wird. Da ereignet sich, diesmal bei einem Tanzabend, eine Szene, die sich in Bermanns Autobiografie wie die Erfindung eines romantischen Dichters liest:

"Ich tanzte mit einer blonden Schönen, als sich die Tür öffnete, in deren weißen Rahmen vor dem dunklen Hintergrund des Eingangs ein Mädchen in weißem, mit Perlen bestickten Seidenkleid stand, lächelnd und etwas verwundert auf die tanzenden Paare blickend. Die Sekunde, in der sich im Vorübertanzen unsere Augen begegneten, entschied unser Schicksal."

Statt Chirurg wird Bermann Verleger - der Liebe wegen

Das unbekannte Mädchen, stellte sich heraus, hieß Brigitte, liebte ebenfalls die Musik und spielte hervorragend Klavier.

Man bereite eine Aufführung von Franz Schuberts Forellen-Quintett vor, erzählte sie, aber nun sei der Bratschist ausgefallen. Er spiele zwar nur die Violine, antwortete Bermann sofort, aber er wolle gerne das Bratschen-Spiel üben und stehe als Ersatzmann zur Verfügung. Schon kurz darauf fassten die beiden jungen Leute ihre Verlobung ins Auge. Nur Brigittes Vater musste noch überzeugt werden - und dieser Vater war Samuel Fischer, der legendäre Verleger unter anderem von Thomas Mann, Gerhart Hauptmann und Carl Zuckmayer.

"Der sehr liebe und sehr schüchterne und wundervolle S. Fischer empfing mich im Verlag und fragte mich: ‚Sie wollen meine Tochter heiraten?‘ Ich sagte: ‚Ja, wir lieben uns.‘ Und dann sagte er: ‚Wie stellen Sie sich denn das vor?‘"
Thomas Mann 1944
Thomas Mann 1944 (S. Fischer Verlag)

Verhandlungen mit den Nazis über Verlags-Verlagerung ins Ausland

Woraufhin Bermann von seiner Arbeit als Chirurg erzählte und seinem Plan, sich zu habilitieren.

»Dann schaute er mich an und sagte: ‚Würden Sie eventuell in Betracht ziehen, in den Verlag einzutreten und als mein Nachfolger den Verlag zu führen?‘ Ich war also wie vor den Kopf geschlagen, das hatte ich nicht erwartet.«

Nach einer Bedenkzeit verzichtete der junge Doktor auf eine Chirurgen-Laufbahn und trat 1925 in den Verlag ein, hängte seinem Namen den Zusatz Fischer an und wurde als Gottfried Bermann Fischer wie sein 1934 gestorbener Schwiegervater einer der berühmtesten deutschen Verleger des 20. Jahrhunderts. Durch Hitlers Machtantritt 1933 war aber eine sehr gefährliche existenzielle Situation entstanden. Viele Fischer-Autoren gingen, zumal nach den öffentlichen Verbrennungen ihrer Bücher, aus Furcht um ihr Leben sofort ins Exil. Bermann Fischer versuchte, den Verlag zwar noch eine Weile aufrechtzuerhalten, bis ihm 1936 doch keine andere Wahl blieb, als im Propagandaministerium über die Verlagerung eines Verlagsteils ins Ausland zu verhandeln. Sein Vorschlag:
»Ich lasse Ihnen den hier in Deutschland erwünschten Teil des Fischer-Verlages, mit dem Namen, und Sie geben mir die Rechte der anderen Autoren frei und deren Buchlager – das waren 800.000 Bände.«
Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers Carl Zuckmayer. Er wurde am 27.12.1896 in Neckenheim in Rheinhessen geboren und starb am 18.01.1977 in Visp in der Schweiz.
Undatierte Aufnahme des Schriftstellers Carl Zuckmayer. (picture-alliance/ dpa / Baege)

Flucht und 1945 Neustart in Frankfurt


Überraschenderweise durfte Bermann Fischer mit dem ihm wesentlichen Teil des Verlags nach Wien ziehen – bis, nach dem sogenannten Anschluss Österreichs, auch dort kein Bleiben war. Stockholm und schließlich New York wurden weitere Fluchtorte. Er halte es für seinen größten Verdienst, bekannte Bermann Fischer nach 1945, den S. Fischer Verlag während der Exil-Jahre bewahrt zu haben. Auch der Neustart in der Bundesrepublik, in Frankfurt, gelang glänzend.

Doch nach rund 40 Jahren Verlagsarbeit fand Bermann Fischer es Mitte der 1960er Jahre an der Zeit, sich zurückziehen, er verkaufte den Verlag und lebte bis zu seinem Tod 1995 in einem Dorf in der Toskana. Das Motto seiner Autobiographie hatte er sich bei Goethe ausgeborgt:

»Wohl kamst du durch, / So ging es allenfalls. / Machs einer nach / Und breche nicht den Hals.«