Christine Heuer: Fast zehn Stunden haben sie getagt, und wie die Großkoalitionäre heute am frühen Morgen verkündeten, seien sie dabei sehr erfolgreich gewesen. Die Unternehmenssteuern sollen jetzt also wirklich gesenkt werden, um die Wirtschaft zu entlasten. Das soll der eine große Wurf sein. Der andere große Wurf in schwarz-roter Lesart: Die Gesundheitsreform kommt. Hier haben sich Union und SPD auf ein Konzept geeinigt, mit dem die Ausgaben im Gesundheitssystem nicht wirklich gesenkt werden. Die höheren Kosten sollen durch steigende Beiträge gedeckt werden und durch Steuern, die angeblich aber trotzdem nicht erhöht werden müssen.
Es hagelt schon Kritik. Die FDP zum Beispiel hat sich so geäußert, dass sie sagt, dies sei der Weg in den Kassensozialismus. Alles werde dadurch nicht besser, sondern einfach nur teuerer. Ich habe vor einer halben Stunde mit Eckart Fiedler, dem Chef der Barmer Ersatzkasse, ebenfalls gesprochen über die Gesundheitsreform, die Eckpunkte, so weit sie uns zur Stunde bekannt sind, und habe ihn eingangs gefragt, was das denn nun ist: der große Wurf oder ein großes Gemurkse?
Eckart Fiedler: Der große Wurf ist es ganz sicherlich nicht, denn man war eigentlich angetreten, die Finanzierungssituation der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich zu verbessern. Jetzt kann man feststellen, dass man uns erst mal 5,2 Milliarden nimmt oder belastet durch die Mehrwertsteuer, durch die Streichung des Bundeszuschusses, und dann großzügig im Gegenzug 2008 1,5 Milliarden wiedergibt oder belässt. Und 2009 bleibt immer noch eine Lücke zu unseren Lasten von 2,2 Milliarden. Daran werden die PKV-Versicherten überhaupt nicht beteiligt. Das soll jetzt durch Erhöhungen der Beiträge gegenfinanziert werden. Das halte ich für eine schlechtere Lösung, als wenn das über einen Soli zur Einkommensteuer passiert wäre, denn das wäre gerecht auf alle starken Schultern verteilt worden. Also ich muss sagen: enttäuscht.
Heuer: Die Beiträge, um damit weiterzumachen, Herr Fiedler, die sollen ja erst einmal um 0,5 Prozent steigen. Reicht das denn überhaupt aus?
Fiedler: Ja gut, es sind sicherlich noch eine Reihe von weiteren Einsparungen vorgesehen. So sollen die Krankenhausbudgets gekürzt werden. Auch im Arzneimittelbereich sollen noch mal zusätzliche Kürzungen passieren, so dass ich schon davon ausgehe, dass ein halber Punkt reicht, der ja paritätisch finanziert wird. Auch das ist noch mal ein Punkt, wo ich sagen muss, eine Steuerfinanzierung hätte die Wirtschaft nicht belastet. Sie wäre insofern auch nicht nur gerechter, sondern eigentlich im Zuge der Zeit gewesen. Von daher verstehe ich diese Entscheidung auch nicht.
Heuer: Können Sie denn als Barmer-Chef versprechen, dass die Beiträge 2007 nicht mehr als dieses halbe Prozent ansteigen?
Fiedler: Na gut, ich muss natürlich dafür noch mal alle Details jetzt analysieren, betrachten, aber ich habe das Gefühl, das ist schon hinreichend. Das hängt jetzt natürlich davon ab, dass auch die übrigen Sparanstrengungen nachher im Gesetzgebungsverfahren nicht auch noch geopfert wieder werden. Da kann man natürlich nicht garantieren, dass wieder noch mal einiges nachher auf dem Opfer des allgemeinen Konsenses bleibt. Von daher, ich sage mal: Grundsätzlich würde ich es ausschließen, aber es hängt von dem weiteren Werdegang ab.
Heuer: Die Steuermittel haben Sie auch schon angesprochen, die bereitgestellt werden sollen für die Mitversicherung der Kinder. 1,5 Milliarden Euro wären das in einem ersten Schritt. Auch da die Frage: Reicht diese Summe aus, oder fordern Sie noch mehr Steuern?
Fiedler: Die reicht ja bei weitem nicht aus. Man nimmt uns ja erst mal 4,2 Milliarden und erhöht die Mehrwertsteuer, 5,2 Milliarden Belastung, und gibt jetzt großzügig 1,5 aus Bundesmitteln wieder zurück.
Heuer: Herr Fiedler, soll der Bund also - das ist die Frage - noch mehr Steuermittel ihnen geben?
Fiedler: Der Bund soll einen Soli einführen in meinen Augen, einen Gesundheitssoli, so wie es eigentlich lange Zeit diskutiert war und Konsens war, wie es auch in den Wahlprogrammen eigentlich drin steht. Wenn ich 16 Milliarden Kinderkosten habe, wie will ich denn dann mit 1,5 Milliarden hinkommen. Das ist doch fast eine Witznummer.
Heuer: Wenn der Soli nicht kommt, wovon wir ja nach heute Nacht ausgehen müssen, noch einmal die Frage: Müssten dann unter dieser Rubrik mehr Steuermittel für die Kindermitversicherung, mehr Mittel vom Bund bereit gestellt werden als die jetzt versprochenen?
Fiedler: Richtig! Es müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, in erster Linie um die krankenversicherungsfremden Aufgaben ganz allgemein der GKV gegenzufinanzieren, die, sage ich mal, nicht im Zusammenhang mit Krankheit stehen, sondern allgemeinpolitische Aufgaben sind. Das müsste aus Steuermitteln finanziert werden und das wäre in einer Größenordnung, wie man sie ursprünglich diskutiert hat, von ungefähr 20 Milliarden.
Heuer: Die Bundesregierung hat heute Nacht ja auch Strukturveränderungen beschlossen, sagt sie. Zum Beispiel soll es mehr Spielraum für Einzelverträge der Kassen mit den Ärztegruppen geben. Haben Sie davon viel?
Fiedler: Gut, das muss man ausprobieren. Das werden wir auf jeden Fall tun. Es ist ein kleiner Schritt, der dort gemacht wird. Dem steht gegenüber die Neuregelung der ärztlichen Vergütung, die natürlich erst mal auch dann mehr Geld kosten wird, weil feste Eurobeträge jetzt zu zahlen sind, keine Budgetierung mehr. Das alles muss jetzt erst mal genauestens analysiert werden, wie der Gesetzestext nachher lautet. Ich kann mit der strukturellen Veränderung leben. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist ein sehr, sehr zögerlicher Schritt, nicht der große Wurf.
Heuer: Und wenn Sie selber mit den Arzneimittelherstellern über günstige Medikamente verhandeln können, sparen Sie denn damit viel Geld?
Fiedler: Das tun wir jetzt ja schon. Was ja zukünftig dazukommen soll, dass auch die Apotheker verhandeln, und da ist ja auch eine Einsparsumme von einer halben Milliarde zwangsläufig genannt, die reinkommen muss 2007. Das halte ich auch für legitim und für umsetzbar.
Heuer: Eine richtige deutliche Strukturveränderung ist die Einführung eines Gesundheitsfonds. Der soll mehr Wettbewerb schaffen. Freuen Sie sich darauf?
Fiedler: Der Gesundheitsfonds schafft ja nicht mehr Wettbewerb, sondern der bedeutet eine andere Aufbringung der Finanzierungsmittel, und er soll sozusagen diesen sehr komplizierten schwierigen Beitragseinzug auf regionale Einzugsstellen verlagern. Da habe ich meine höchsten Bedenken, wenn ich sehe, welche Schwierigkeiten die Bundesagentur für Arbeit hatte bei kleinen Änderungen in der Beitragsabführung, dass dieses Monster von regionalen Gesundheitsfonds nicht funktionieren wird und kann. Deshalb bin ich da sehr skeptisch, so sehr ich auf der anderen Seite es begrüße, dass über den Gesundheitsfonds demnächst die Mittel auch im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Krankheitsrisiken an die Kassen verteilt werden soll. Das gäbe allerdings einen neuen positiven Wettbewerb in Richtung mehr Effizienz im Gesundheitswesen.
Heuer: Die Privatversicherten, Herr Fiedler, die haben Sie auch schon angesprochen. Die sollen künftig jederzeit in die gesetzlichen Kassen wechseln dürfen. Be- oder entlastet Sie das unter dem Strich?
Fiedler: Ich sage mal, hier muss man sehen. Das Rückkommen ist ja grundsätzlich nicht geöffnet worden, sondern das sind diejenigen, die heute keinen Versicherungsschutz haben. Die können wieder zurückkommen, und die freiwillig Versicherten können ohnehin heute auch in die PKV wechseln. Das soll allerdings insoweit ein Stückchen eingeschränkt werden, dass man erst mal drei Monate oberhalb der Versicherungspflichtgrenze Einkommen hat. Da sehe ich keine so ganz gravierenden Änderungen, und ich glaube, das wird sich balancieren lassen.
Heuer: Der Chef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Es hagelt schon Kritik. Die FDP zum Beispiel hat sich so geäußert, dass sie sagt, dies sei der Weg in den Kassensozialismus. Alles werde dadurch nicht besser, sondern einfach nur teuerer. Ich habe vor einer halben Stunde mit Eckart Fiedler, dem Chef der Barmer Ersatzkasse, ebenfalls gesprochen über die Gesundheitsreform, die Eckpunkte, so weit sie uns zur Stunde bekannt sind, und habe ihn eingangs gefragt, was das denn nun ist: der große Wurf oder ein großes Gemurkse?
Eckart Fiedler: Der große Wurf ist es ganz sicherlich nicht, denn man war eigentlich angetreten, die Finanzierungssituation der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich zu verbessern. Jetzt kann man feststellen, dass man uns erst mal 5,2 Milliarden nimmt oder belastet durch die Mehrwertsteuer, durch die Streichung des Bundeszuschusses, und dann großzügig im Gegenzug 2008 1,5 Milliarden wiedergibt oder belässt. Und 2009 bleibt immer noch eine Lücke zu unseren Lasten von 2,2 Milliarden. Daran werden die PKV-Versicherten überhaupt nicht beteiligt. Das soll jetzt durch Erhöhungen der Beiträge gegenfinanziert werden. Das halte ich für eine schlechtere Lösung, als wenn das über einen Soli zur Einkommensteuer passiert wäre, denn das wäre gerecht auf alle starken Schultern verteilt worden. Also ich muss sagen: enttäuscht.
Heuer: Die Beiträge, um damit weiterzumachen, Herr Fiedler, die sollen ja erst einmal um 0,5 Prozent steigen. Reicht das denn überhaupt aus?
Fiedler: Ja gut, es sind sicherlich noch eine Reihe von weiteren Einsparungen vorgesehen. So sollen die Krankenhausbudgets gekürzt werden. Auch im Arzneimittelbereich sollen noch mal zusätzliche Kürzungen passieren, so dass ich schon davon ausgehe, dass ein halber Punkt reicht, der ja paritätisch finanziert wird. Auch das ist noch mal ein Punkt, wo ich sagen muss, eine Steuerfinanzierung hätte die Wirtschaft nicht belastet. Sie wäre insofern auch nicht nur gerechter, sondern eigentlich im Zuge der Zeit gewesen. Von daher verstehe ich diese Entscheidung auch nicht.
Heuer: Können Sie denn als Barmer-Chef versprechen, dass die Beiträge 2007 nicht mehr als dieses halbe Prozent ansteigen?
Fiedler: Na gut, ich muss natürlich dafür noch mal alle Details jetzt analysieren, betrachten, aber ich habe das Gefühl, das ist schon hinreichend. Das hängt jetzt natürlich davon ab, dass auch die übrigen Sparanstrengungen nachher im Gesetzgebungsverfahren nicht auch noch geopfert wieder werden. Da kann man natürlich nicht garantieren, dass wieder noch mal einiges nachher auf dem Opfer des allgemeinen Konsenses bleibt. Von daher, ich sage mal: Grundsätzlich würde ich es ausschließen, aber es hängt von dem weiteren Werdegang ab.
Heuer: Die Steuermittel haben Sie auch schon angesprochen, die bereitgestellt werden sollen für die Mitversicherung der Kinder. 1,5 Milliarden Euro wären das in einem ersten Schritt. Auch da die Frage: Reicht diese Summe aus, oder fordern Sie noch mehr Steuern?
Fiedler: Die reicht ja bei weitem nicht aus. Man nimmt uns ja erst mal 4,2 Milliarden und erhöht die Mehrwertsteuer, 5,2 Milliarden Belastung, und gibt jetzt großzügig 1,5 aus Bundesmitteln wieder zurück.
Heuer: Herr Fiedler, soll der Bund also - das ist die Frage - noch mehr Steuermittel ihnen geben?
Fiedler: Der Bund soll einen Soli einführen in meinen Augen, einen Gesundheitssoli, so wie es eigentlich lange Zeit diskutiert war und Konsens war, wie es auch in den Wahlprogrammen eigentlich drin steht. Wenn ich 16 Milliarden Kinderkosten habe, wie will ich denn dann mit 1,5 Milliarden hinkommen. Das ist doch fast eine Witznummer.
Heuer: Wenn der Soli nicht kommt, wovon wir ja nach heute Nacht ausgehen müssen, noch einmal die Frage: Müssten dann unter dieser Rubrik mehr Steuermittel für die Kindermitversicherung, mehr Mittel vom Bund bereit gestellt werden als die jetzt versprochenen?
Fiedler: Richtig! Es müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, in erster Linie um die krankenversicherungsfremden Aufgaben ganz allgemein der GKV gegenzufinanzieren, die, sage ich mal, nicht im Zusammenhang mit Krankheit stehen, sondern allgemeinpolitische Aufgaben sind. Das müsste aus Steuermitteln finanziert werden und das wäre in einer Größenordnung, wie man sie ursprünglich diskutiert hat, von ungefähr 20 Milliarden.
Heuer: Die Bundesregierung hat heute Nacht ja auch Strukturveränderungen beschlossen, sagt sie. Zum Beispiel soll es mehr Spielraum für Einzelverträge der Kassen mit den Ärztegruppen geben. Haben Sie davon viel?
Fiedler: Gut, das muss man ausprobieren. Das werden wir auf jeden Fall tun. Es ist ein kleiner Schritt, der dort gemacht wird. Dem steht gegenüber die Neuregelung der ärztlichen Vergütung, die natürlich erst mal auch dann mehr Geld kosten wird, weil feste Eurobeträge jetzt zu zahlen sind, keine Budgetierung mehr. Das alles muss jetzt erst mal genauestens analysiert werden, wie der Gesetzestext nachher lautet. Ich kann mit der strukturellen Veränderung leben. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist ein sehr, sehr zögerlicher Schritt, nicht der große Wurf.
Heuer: Und wenn Sie selber mit den Arzneimittelherstellern über günstige Medikamente verhandeln können, sparen Sie denn damit viel Geld?
Fiedler: Das tun wir jetzt ja schon. Was ja zukünftig dazukommen soll, dass auch die Apotheker verhandeln, und da ist ja auch eine Einsparsumme von einer halben Milliarde zwangsläufig genannt, die reinkommen muss 2007. Das halte ich auch für legitim und für umsetzbar.
Heuer: Eine richtige deutliche Strukturveränderung ist die Einführung eines Gesundheitsfonds. Der soll mehr Wettbewerb schaffen. Freuen Sie sich darauf?
Fiedler: Der Gesundheitsfonds schafft ja nicht mehr Wettbewerb, sondern der bedeutet eine andere Aufbringung der Finanzierungsmittel, und er soll sozusagen diesen sehr komplizierten schwierigen Beitragseinzug auf regionale Einzugsstellen verlagern. Da habe ich meine höchsten Bedenken, wenn ich sehe, welche Schwierigkeiten die Bundesagentur für Arbeit hatte bei kleinen Änderungen in der Beitragsabführung, dass dieses Monster von regionalen Gesundheitsfonds nicht funktionieren wird und kann. Deshalb bin ich da sehr skeptisch, so sehr ich auf der anderen Seite es begrüße, dass über den Gesundheitsfonds demnächst die Mittel auch im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Krankheitsrisiken an die Kassen verteilt werden soll. Das gäbe allerdings einen neuen positiven Wettbewerb in Richtung mehr Effizienz im Gesundheitswesen.
Heuer: Die Privatversicherten, Herr Fiedler, die haben Sie auch schon angesprochen. Die sollen künftig jederzeit in die gesetzlichen Kassen wechseln dürfen. Be- oder entlastet Sie das unter dem Strich?
Fiedler: Ich sage mal, hier muss man sehen. Das Rückkommen ist ja grundsätzlich nicht geöffnet worden, sondern das sind diejenigen, die heute keinen Versicherungsschutz haben. Die können wieder zurückkommen, und die freiwillig Versicherten können ohnehin heute auch in die PKV wechseln. Das soll allerdings insoweit ein Stückchen eingeschränkt werden, dass man erst mal drei Monate oberhalb der Versicherungspflichtgrenze Einkommen hat. Da sehe ich keine so ganz gravierenden Änderungen, und ich glaube, das wird sich balancieren lassen.
Heuer: Der Chef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, im Interview mit dem Deutschlandfunk.