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Kein großer Senkeneffekt

Klima. - Bislang stand beim menschgemachten Treibhauseffekt ein Gewinner immer außer Frage: Den Pflanzen sollte durch das zusätzliche CO2 in der Luft ein wahres Schlaraffenland winken. Freiluftversuche haben jetzt gezeigt, dass auch für sie die Bäume nicht in den Himmel wachsen. In der aktuellen "Science" berichten Basler Forscher über ihre Ergebnisse.

Von Gabor Paal |
    Das Experiment läuft in einem Laubwaldgebiet in der Nähe von Basel. Buchen und Eichen herrschen vor, daneben wachsen dort Feldahorn- und Kirschbäume. Der Wald ist knapp 100 Jahre alt, die Kronen reichen zwischen 32 und 35 Meter hoch. Und dort, im Kronendach, wurde eine CO2-Begasungsanlage angebracht, erklärt Versuchsleiter Christian Körner. Zur Zeit ist er auf einer Forschungsreise in China. Den Zweck seiner Untersuchungen in der Schweiz fast er so zusammen:

    "Das Ziel war, einen möglichst naturnahen Waldbestand in eine zukünftige CO2-Atmosphäre zu versetzen."

    Die Wissenschaftler erzeugten dabei eine CO2-Konzentration, wie sie in etwa 50 Jahren erwartet wird. Und dann wurde gemessen: Wieviel von dem zusätzlichen CO2 nehmen die Blätter auf, wie stark wachsen die Bäume. Die Ergebnisse wurden jeweils verglichen mit Bäumen in der normalen Atmosphäre. Das Ergebnis:

    "Ja, das Erstaunliche war, dass wir jetzt nach vier Jahren keine Wachstumsreaktion sehen."

    Im Durchschnitt wachsen die begasten Bäume also so stark wie die unbegasten. Unterschiede gibt es allerdings im Stoffwechsel. Die CO2-begasten Bäume zeigen eine deutlich erhöhte Photosyntheserate, die Bäume produzieren mehr Zucker und Stärke, doch entsteht daraus nicht mehr Pflanzenmasse. Körner:

    "Der Baum schleust diese Substanzen durch seinen Körper durch, durch den Stamm in die Wurzeln, über die Wurzeln an die Pilze und Mikroben im Boden und dieses Substrat wird wieder veratmet und kommt als Kohlendioxid relativ schnell wieder aus dem Boden heraus."

    Hans Joachim Weigel von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig zeigt sich von der Schweizer Studie begeistert. Solche Freilandversuche seien eben aussagekräftiger als bisherige Experimente unter Laborbedingungen:

    "Das besondere bei dem Schweizer Experiment ist, dass man erstmals mit erwachsenen, ausgewachsenen Baumbeständen arbeitet, was bisher aufgrund der Größe von Bäumen mit den klassischen Experimenten, die man mit Klimaschränken oder Kammern macht, nicht geht. Bisher war der Kenntnisstand, man hat relativ junge Bäume, die noch in der Wachstumsphase sind, untersucht, und kam dann zu den Schlüssen, dass die sehr stark auf CO2 reagieren und was jetzt offensichtlich herauskommt ist, dass diese erwachsenen Baumstände nicht so stark auf das CO2 reagieren."

    Der Grund dafür sei vermutlich, dass CO2 nicht das einzige ist, was Pflanzen zum Wachstum brauchen. Ebenso wichtig sind Stickstoff, Phosphor, Mangan und andere Spurenelemente. Und da die im Gegensatz zum CO2 nicht stärker verfügbar sind, bleibt das Wachstum begrenzt. Auf landwirtschaftlichen Flächen dagegen gelten grundsätzlich andere Bedingungen. Dort wird den Pflanzen über die Düngung alles, was sie brauchen, zugeführt, auch Stickstoff ist hier kein limitierender Faktor. Dennoch wurde auch bei Ackerpflanzen der CO2-Dünge-Effekt überschätzt. Zu diesem Ergebnis kam Weigel durch eigene Forschungen. Zunächst hat er den CO2-Effekt in laborähnlichen Bedingungen untersucht, indem er Ackerpflanzen in sogenannten Klimakammern wachsen ließ. Später führte er Freilandexperimente ähnlich denen in den Schweizer Wäldern durch - nur eben auf dem Acker. Weigel:

    "Wenn wir die Klimakammerexperimente betrachten, in denen ja alle Randbedingungen optimal sind, die Pflanze hat genug Licht, sie ist gut in der Temperatur eingestellt, mit Wasser versorgt und so weiter, wenn ich diese Randbedingungen einstelle, ist der CO2-Effekt verhältnismäßig groß, wir konnten dann bei Sommergetreide feststellen, dass die Kornerträge um 25-30 Prozent zunehmen. Wenn wir aber dann in das berühmte Feldexperiment gehen, wo wir die landwirtschaftlichen Bedingungen so lassen, wie sie draußen der Landwirt einstellt, dann sind diese CO2-Effekte sehr viel kleiner, wir bewegen uns dann im Bereich von zehn und kleiner als zehn Prozent, immer in Relation zum heutigen Wert."

    Daneben passiert noch etwas anderes: Der Wasserhaushalt der Pflanzen verändert sich. Die Spaltöffnungen in den Zellwänden, durch die die Pflanzen das CO2 aufnehmen, schließen sich unter CO2-angereicherten Verhältnissen stärker. Dadurch verlieren die Pflanzen weniger Wasser.

    "Dieser Wasserspareffekt setzt sich dann fort bis in die Böden, das heißt unter solchen Systemen sind die Böden dann auch feuchter."

    Was bedeutet, dass solche Pflanzen in einer CO2-angereicherten Atmosphäre auch resistenter gegen Trockenheit dürften. Unterm Strich bleibt aber die Erkenntnis: Die Hoffnungen, die es gab: dass ein Teil des zusätzlichen Kohlendioxids in der Atmosphäre durch schnelles Pflanzenwachstum aufgefangen und automatisch wieder in Biomasse gebunden wird - diese Hoffnungen müssen nach den jüngsten Untersuchungen etwas zurückgeschraubt werden.