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Kein Verständnis für die Herabstufungs-Panne

Standard & Poor's hat Frankreich heruntergestuft - versehentlich und für nur 90 Minuten. Für die Ratingagentur ist das peinlich. Doch die Panne ist auch so etwas wie eine Warnung.

Von Michael Braun | 11.11.2011
    Die E-mail mit der heißen Botschaft, Frankreichs Bonität sei nicht mehr erstklassig, hat Standard & Poor's an einige Abonnenten seiner Internetseite verschickt. Doch als die auf mehr als die Überschrift klicken wollten, kam nichts. Was kam, war das Dementi der Agentur. Die Nachricht sei einem "technischen Fehler" geschuldet. Dafür gab es nirgends Verständnis. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, urteilte als einer von vielen:

    "Das ist ein so gravierender Vorgang. Da würde ich in der Leitung von S & P personelle Konsequenzen nicht unterlassen. Denn das wirkt auf diejenigen, die auf S & P vertrauen, dramatisch und das ist unmöglich."

    Dabei hat der Inhalt der Nachricht nicht wirklich überrascht. Denn Frankreichs Kreditwürdigkeit sinkt schon seit einigen Monaten, ablesbar an den steigenden Renditen französischer Staatsanleihen auf dem Rentenmarkt. Im mittelfristigen Durchschnitt rentierten französische Anleihen 0,86 Prozentpunkte höher als vergleichbare deutsche. Seit April schon hat sich dieser Abstand vergrößert. Heute Nachmittag waren es 1,61 Prozentpunkte mehr.

    Gestern hatte es einen Renditeschub bei den zehnjährigen französischen Papieren um 0,3 Prozentpunkte gegeben. Händler führten das überwiegend auf die Falschmeldung von Standard & Poor's zurück. Die Rendite des französischen Zehn-Jahres-Papiers lag heute mit 3,4 Prozent nur leicht unter dem Höchststand von gestern.

    Zwar brüsten sich Mange von Ratingagenturen, vor einer Herabstufung von Ländern gebe es strenge interne Kontrollen. Dass die versagt haben, ruft auch die EU-Kommission auf den Plan. Eine Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier verlas dessen Reaktion auf die Panne:

    "Dieser Vorfall ist sehr ernst und zeigt, dass in der derzeitigen angespannten und unbeständigen Situation an den Märkten die Spieler Disziplin und besonderes Verantwortungsgefühl üben müssen. All das hat mich in meiner Überzeugung bestärkt, dass Europa strenge und rigorose Regeln einführen muss, die die Ratingagenturen einbeziehen, sich aber nicht auf sie begrenzen."

    Barnier arbeitet schon länger daran, den Wettbewerb unter den Ratingagenturen zu stärken und ihre Bewertungen nationaler Haushalte transparenter machen. Der Ökonom Norbert Walter rät auch dazu, die Honorierung von Ratingagenturen zu ändern:

    "Ich würde dafür sorgen, dass endlich die Investoren, die Anleger, die Ratingagenturen bezahlen, und nicht die Emittenten. Damit auf diese Weise in meinem Urteil eine bessere Chance dafür besteht, dass nicht Komplizenschaft die Ergebnisse prägt, sondern das Interesse der Anleger die Ratingagenturen in ihrem Handeln und in ihrer Konzentration und ihrer Aufmerksamkeit leitet."

    Genügen würde ein investorenbasiertes Bezahlsystem wohl nicht. Denn wenn Hedgefonds a la baisse spekulieren und dafür Argumente benötigen, könnten auch auf diese Weise Gefälligkeitsgutachten herauskommen. Transparenz bei der Urteilsfindung bleibt also ebenfalls ein hohes Gut.