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Keine Steuergelder für Bischöfe

Aufgrund alter Staatsverträge zahlen auch Protestanten, Juden, Muslime und Atheisten über ihre Steuern für den Limburger Bischof Tebartz-van Elst, sagt Ingrid Matthäus-Maier. Die ehemalige SPD-Finanzpolitikerin hält die staatliche Finanzierung der Kirche für veraltet und fordert: "Das muss weg."

Ingrid Matthäus-Maier im Gespräch mit Mario Dobovisek | 15.10.2013
    Tobias Armbrüster: Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst steht seit Wochen in den Schlagzeilen, vor allem wegen des 40 Millionen Euro teueren Umbaus seiner Bischofsresidenz in Limburg. Ihm wird vorgeworfen, Gelder der Katholischen Kirche verschwendet zu haben. Allerdings wird bei diesen Vorwürfen häufig übersehen, dass viele Ausgaben der Katholischen Kirche gar nicht von der Kirche selbst, sondern vom deutschen Staat bezahlt werden, die Bischofsgehälter etwa. Mein Kollege Mario Dobovisek hat über diese Umstände gestern Abend mit der früheren SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier gesprochen. Sie beschäftigt sich seit langem kritisch mit der engen Verflechtung von Kirche und Staat. Frage an sie: Warum müssen zum Beispiel auch Atheisten über ihre Steuergelder für Bischof Tebartz-van Elst zahlen?

    Ingrid Matthäus-Maier: Warum, das verstehe ich auch nicht. Das halte ich auch für falsch. Aber es ergibt sich daraus, dass im vorletzten Jahrhundert, 1803 im sogenannten Reichs-Deputationsausschuss durch Napoleon, Kirchengüter enteignet worden sind. Als Ersatz sollten aber dafür die Bischöfe bezahlt werden. Aber über das ganze 19. Jahrhundert hat sich das ergeben, in Verträgen, Staatsverträgen und so weiter, dass das immer mehr wurde. Und dann kommt die Verfassung von Weimar 1919: Da gibt es einen Artikel 138, der sagt, die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze stellt hierfür das Reich auf. Und die Leute fragen sich, wieso Weimarer Reichsverfassung, wir sind doch beim Grundgesetz; es gibt einen Artikel im Grundgesetz, 140, der besagt, dass dieser Artikel von Weimar Bestandteil des Grundgesetzes ist, müsste also abgelöst werden, und dieses ist nicht nur nicht geschehen, sondern auch in den Folgejahren ist durch Konkordate und Staats-Kirchenverträge das festgeschrieben worden, worüber wir sprechen. Übrigens Sie sagen, direkt vom Staat; da wehren sich die Kirchen und das ist auch so nicht richtig. Das sind Dotationen, jährlich an die Katholische Kirche, an die Evangelische, und daraus wird dann zum Beispiel Bischof Meisner bezahlt und das gleiche gilt für Hessen und Rheinland-Pfalz für den Bischof, über den wir gerade sprechen.

    Mario Dobovisek: Das war also einst zumindest für die Katholische Kirche eine Entschädigung, die zugesichert wurde. Warum sollte man heute diese Entschädigung wieder wegnehmen?

    Matthäus-Maier: Weil in der Verfassung drinsteht, diese Staatsleistungen – dazu gehören diese Dotationen – sind abzulösen. Der Ausdruck "abzulösen" heißt juristisch, es wird nicht einfach gestoppt und dann gibt es nichts mehr, sondern es war geplant eine Ablösesumme. Das war aber im Jahre 1919. Seitdem haben wir über 90 Jahre, dass die Politik, dass der Gesetzgeber diesen Artikel nicht umsetzt, weder der Bund – der soll ja die Grundsätze aufstellen -, noch die Länder, und die zahlen immer weiter, immer weiter, immer weiter. Deswegen geht jetzt der Streit darum, muss überhaupt noch eine Ablösesumme gezahlt werden. Ich bin der Meinung, nachdem es über 90 Jahre immer noch passiert ist, braucht man keine Ablösesumme. Aber das ganze ist wirklich uralt, das muss weg. Und das wichtigste ist, dass die Menschen das einfach mitbekommen. Deswegen ist dieser Fall des Bischofs von Limburg weit mehr als etwas Innerkirchliches. Wir bezahlen ihn, alle Protestanten, alle Juden, alle Muslime, auch alle Leute wie ich, die nicht in der Kirche sind - das sind immerhin ungefähr 40 Prozent -, zahlen für Bischöfe mit, der in diesem Fall in Saus und Braus und Prunk und Protz lebt und der zurecht die Katholische Kirche, aber auch uns alle verärgert.

    Dobovisek: Ich habe mir vorhin mal ein Papier eingesehen, FDP-Kirchenpapier, "Freie Kirche im freien Staat", trägt unter anderem Ihre Handschrift von 1974, fast 40 Jahre her. Warum traut sich niemand an den Status quo heran?

    Matthäus-Maier: Das ist eine Frage, mit der ich mich auch immer wieder beschäftige. Das eine ist natürlich: Die CDU/CSU ist so stark mit den Kirchen verbandelt, dass sie das schon per se nicht will. Aber was meine eigene Partei angeht, so bin ich wirklich traurig, also die SPD. Die hat einfach Angst. Die hat Sorge, dass wenn sie dieses ändert, wenn sie da rangeht, dass dann die Kirchen wieder wie vor 50 Jahren am Sonntag auf der Kanzel sagen, wählt CDU und nicht SPD. Ich glaube aber, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Und die FDP, die ist einfach mutlos und die weiß von Liberalismus nichts mehr.

    Dobovisek: Ist Deutschland trotzdem ein laizistischer Staat mit Trennung von Kirche und Staat?

    Matthäus-Maier: Nein, ist es nicht. In der Verfassung steht zwar, es gibt keine Staatskirche, aber materiell haben wir so etwas Ähnliches wie zwei Staatskirchen, und da die Muslime darauf drängen, wir wollen behandelt werden wie die beiden großen Kirchen, entwickelt sich hier langsam die dritte Staatskirche. Und wenn Sie sehen, Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer kostet drei Milliarden, die Militärseelsorge wird vom Staat bezahlt, ein Großteil der sozialen Einrichtungen wird durch die öffentliche Hand bezahlt, nicht durch die Kirchen. Denen ist es gelungen, den Eindruck zu erwecken, als würden sie das bezahlen, die Kindergärten und die Krankenhäuser. Das ist die sogenannte Caritas-Legende. Also in der Sache: Nach der Verfassung haben wir eine Trennung, in der Praxis haben wir eine ganz, ganz enge Verflechtung, und ich finde, dieser Fall zeigt, dass das so nicht weitergeht. Ganz abgesehen davon die Intransparenz. Zum Beispiel die Kirche zahlt in der Regel keine Grundsteuer. Sie kriegen aber gar nicht raus, wie viel der Staat dadurch verliert, weil es heißt, das sei geheim. Wie viel genau Bischof Meisner an Bezahlung bekommt, wird auch nicht offen ausgewiesen. Es steht aber fest, er hat es selber mal gesagt, das ist B10, bei anderen ist es B11, das ist eine Bezeichnung aus dem Öffentlichen Dienst, das ist also schon richtig Geld. Allein im Jahre 2008 waren das ungefähr monatlich 10.650 Euro, alles aus den allgemeinen Steuergeldern und nicht aus der Kirchensteuer.

    Armbrüster: Die frühere SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier war das gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Mario Dobovisek.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.