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Klassenkampf im Schützengraben

Ganz zu Anfang schien es noch einer jener unzähligen Staatsstreiche und Putschversuche zu sein, von denen die spanische Politik schon seit mehr als einem halben Jahrhundert in regelmäßigen Abständen heimgesucht wurde. Als sich dann 1936 die Generäle der spanischen Kolonialarmee im marokkanischen Tetuan gegen die Regierung in Madrid erhoben, wurde daraus ein blutiger Bürgerkrieg, in dem der Diktator Franco seine Herrschaft begründete.

Von Stefan Fuchs | 18.07.2006
    Gerade eben hatte man in Madrid eine Diktatur verabschiedet, war zur Republik zurückgekehrt. Aber in den folgenden drei Kriegsjahren flossen Ströme Blutes, fand eine halbe Million Menschen den Tod, bekriegten sich Stalin, Hitler und Mussolini auf spanischem Boden. Heute vor 70 Jahren begann mit dem Bürgerkrieg in Spanien ein Vorspiel des Zweiten Weltkriegs.

    Franco: "In diesem Augenblick erfüllt Spanien seine historische Pflicht. Wie in der Vergangenheit vergießt es auch heute sein Blut für die Rettung des Abendlandes. Die Zukunft erst wird die Größe seines Opfers erkennen und Gesänge des Dankes anstimmen."

    Er hatte lange gezögert. General Francisco Franco y Bahamonde hatte der Volksfrontregierung in Madrid noch warnende Briefe geschrieben, hatte die Mitverschwörer mit seinem ewigen Hin-und-Her genervt. Am frühen Morgen des 18. Juli 1936 aber sind die Würfel gefallen: Auf Gran Canaria erreicht ihn die Nachricht vom Putsch der Kolonialarmee in Marokko. Wenig später besteigt der Held des Afrikafeldzugs das Flugzeug und fliegt nach Casablanca, um sich an die Spitze der Rebellion gegen die republikanische Regierung und ihre Reformpolitik zu setzen.

    Adolf Hitler: "Da erhob sich immer klarer in diesem Lande ein Mann, der berufen zu sein schien, nach dem Befehl des eigenen Gewissens für sein Volk zu handeln. Franco begann sein Ringen für die Errettung Spaniens"

    Ohne tatkräftige Unterstützung Hitlers und Mussolinis wäre der Militärputsch bald jämmerlich in sich zusammengebrochen. In Spanisch-Marokko saßen die selbsternannten Kreuzritter zur Rettung des Abendlandes in der Falle. Nur einige wenige Garnisonen im Mutterland hatten sich der Rebellion angeschlossen.

    Vor allem aber Luftwaffe und Marine standen treu zur Republik. Erst mit den Transportflugzeugen Hitlers konnte Franco seine Elitetruppen und hunderttausende mit Versprechungen und Geld angeworbene marokkanische Söldner in die Schlacht führen.

    "Als dann in Spanien 1936 der Krieg ausbrach, da hörten wir in Zürich schon tagelang vorher was vor sich ging. Und da hab´ ich sofort beschlossen nach Spanien zu gehen, um dort zu helfen."

    "Spanien war ein offenes Fenster, durch das eine Hoffnung sichtbar wurde: Jetzt muss etwas geschehen, jetzt müssen wir alle zusammenstehen! Es war ein Gefühl der Verbundenheit aller, selbst heute, trotz der Enttäuschungen, trotz der Unterwanderung durch Stalin, etwas bleibt unumstößlich! Gut und Böse standen sich in Spanien so unverwechselbar gegenüber, man konnte sich nicht täuschen. Und wir, wir waren auf der Seite des Guten."

    Der Schweizer Kommunist Paul Tross und der amerikanische Gewerkschafter Bum Steck gehörten zu den Tausenden von Freiwilligen, die aus ganz Europa, aus Amerika, aus den ehemaligen spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika auf verschlungenen Wegen an Grenzposten vorbei, nach Spanien eilten, um in den Internationalen Brigaden für das Ideal einer gerechteren Gesellschaft zu kämpfen.

    "In dem Augenblick, in dem dieser fehlgeschlagene Putsch sich zu einem Bürgerkrieg entwickelte, stellte sich heraus, dass für die Linke tatsächlich zum ersten Mal in der spanischen Geschichte die realistische Chance bestand, ihre Utopie umzusetzen. Und insofern entwickelte sich der Bürgerkrieg auf republikanischer Seite sehr schnell zum Versuch, ein Ideal, eine Utopie, eine Revolution durchzuführen. Den Krieg zu gewinnen, das war für die Linke nur noch ein Mittel, ein anderes Ziel zu erreichen, nämlich: ihre Revolution mit sozialem Inhalt."

    Ein in Schützengräben ausgetragener Klassenkampf ist das Fazit, das der Historiker Walther Bernecker zieht, angesichts dieser blutigen Konfrontation zwischen einer rückwärts gewandten Oligarchie und jenen, die von Landreformen und einer solidarischen Gesellschaft träumen.

    Es ist der Traum von einer radikal anderen Art gesellschaftlichen Zusammenlebens angesichts der schreienden Ungerechtigkeiten in einem von archaischen Strukturen geprägten Spanien, der die Kämpfer antreibt. Ihr Idealismus aber wird schamlos von einem um die Vorherrschaft in Europa pokernden Stalin ausgenutzt.

    Das demokratische Europa legt die Hände in den Schoß, überlässt den Diktatoren Hitler und Stalin das spanische Schlachtfeld. Kaum drei Monate nach dem Sieg Francos beginnt der Zweite Weltkrieg.