Meinung
"Öffentlich-rechtliche Medien müssen antifaschistisch sein"

Für Jüdinnen und andere Minderheiten in Deutschland ist antifaschistischer Kampf alternativlos, meint Marina Weisband. Er sei aber auch grundlegend für die Verteidigung der Demokratie - und damit Teil des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien.

Eine Kolumne von Marina Weisband |
Bei der Demonstration gegen Rechts in Köln hält eine Demonstrantin ein Schild mit der Aufschrift "AfD wählen ist so 1933" in die Luft
In Köln demonstrierten am 16.01.2024 30.000 Menschen gegen Antifaschismus - und auch Medien sollten antifaschistisch agieren, meint unsere Kolumnistin. (IMAGO / Marc John / IMAGO / Marc John)
Zwischen der anfänglichen Auslassung der Anti-AfD-Proteste durch die "Tagesschau" und dem Interview am Montag eben dort ausgerechnet mit Alice Weidel stellte sich mir die Frage: wie antifaschistisch müssen Medien eigentlich sein?
Diese Frage ist nicht trivial. Denn Antifaschismus ist keine neutrale Position. Es ist eine Haltung. Eine politische Haltung sogar. Es ist aber gleichzeitig der Schutz und die Verteidigung der Demokratie – also eigentlich Teil des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien und aller deutschen Bürgerinnen und Bürger. Mehr noch. Das Nichteinnehmen dieser politischen Haltung könnte man in sich als demokratiefeindlich begreifen. Denn unsere Demokratie ist ja gemäß unserer Verfassung eine wehrhafte.

Nicht nur im Geheimen, sondern ganz offen

Was bedeutet Wehrhaftigkeit, wenn ich Inhalte herstelle, die Millionen von Menschen sehen und hören? Einerseits könnte man sagen: ich bleibe neutral und das bedeutet, ich gebe allen Parteien eine Stimme, die nicht verboten sind. Andererseits ist da diese Partei, aus der mehrere Landesverbände als gesichert rechtsextrem gelten, die rassistische Parolen verbreitet und verfassungswidrige Massendeportationen plant - übrigens  nicht nur im geheimen Hotel, sondern auch offen am Rednerpult.
Dass sie nicht verboten ist, mag mit demokratietheoretischen Argumenten, mit politischer Zaghaftigkeit zu tun haben oder mit juristischen Fallstricken – aber ändert das wirklich etwas an dem, was die AfD vorhat, wenn sie an die Macht kommt? Was wir alle wissen? Was ihre Abgeordneten selbst sagen?

Gegen Wut und Populismus wirken Argumente nicht

Nicht zuletzt ist doch ihr Hass auf dieselben öffentlich-rechtlichen Programme, die ihr immer wieder eine Stimme geben, bekannt. Ihre Botschaften zu verbreiten, sägt also an exakt allen Aufträgen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk dadurch zu erfüllen gedenkt. Denn es ist durchaus möglich, die Demokratie mit demokratischen Mitteln zu vernichten. Nämlich genau dann, wenn die Öffentlichkeit die Augen verschließt.
Die Ausrede, man wolle die Rechten „mit Argumenten stellen“ oder „entzaubern“, ziehen meiner Meinung nach im Jahre 2024 nicht mehr. Wir haben die Erfahrung, dass es nicht funktioniert. Wir haben die Erfahrung, dass es in den 1930er Jahren nicht funktioniert hat, wir haben die Erfahrung, dass es in den USA der Gegenwart nicht funktioniert und wir haben die Erfahrung, dass es mit der AfD nicht funktioniert.
Denn das Überzeugende an ihr sind nicht Argumente. Sondern ihre Wut. Ihr Populismus. Und ihre Zerstörung. Niemand in Deutschland wäre „entzaubert“, wenn man aufdeckt, dass die AfD rassistische Ziele verfolgt. Sie wird auch deswegen gewählt. Man kann gegen niemanden eine Debatte gewinnen, der gekommen ist, um den Debattierclub abzubrennen.

Antifaschistischer Kampf ist alternativlos

Nehmen wir einmal an, wir leben in präfaschistischen Zeiten und wehren uns ganz konkret gegen eine diktatorische Regierung, die die Errungenschaften der Demokratie vernichten will – und zwar nicht allein, sondern als internationale Bewegung. Nehmen wir es an, weil es so ist. Was ist in diesem Fall die Rolle eines Redakteurs? Oder einer Kamerafrau? Oder eines Kabelträgers? Oder einer Maskenbildnerin?
Business as usual, weil das nunmal die Spielregeln sind? Viele von uns haben lange nicht mehr das Privileg, so weiterzuleben. Rechtsradikale rufen in meinem Büro an und schüchtern meine Kolleginnen ein. Sie verschicken Morddrohungen. Sie halten geheime Treffen mit reichen Unternehmern ab. Für Jüdinnen, Muslime, Queere, Behinderte, People of Color, Immigrantinnen etc. gibt es nur die Alternativen: antifaschistischer Kampf oder Vertreibung oder Tod. Wir haben Angst.
Was also ist die Aufgabe der vierten Gewalt in diesem Staat? Worauf gründet sich Deutschland?