
"Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen." Mit diesem Satz startete Julia Ruhs im April das Reportageformat "Klar". Es ging um Migration. "Was läuft falsch?", fragte der Titel der Folge. Nicht jedem gefallen – Julia Ruhs wusste, dass ihre Sendung provozieren würde. Sie wollte provozieren – viel wichtiger aber ist: Der NDR wollte es. 
                
                Es war ganz offensichtlich die strategische Entscheidung der Verantwortlichen, dem ewigen Vorwurf, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei zu links und zu grün, eine Julia Ruhs entgegenzusetzen. Eine junge Journalistin, die sich selbst als konservativ bezeichnet und in dieser Rolle exponiert: Als Kommentatorin in den "Tagesthemen" oder bei "Sandra Maischberger", auf X - und die selbst in ihrem Buch eine „links-grüne Meinungsmacht“ unterstellt. Sie sollte der lebende Gegenbeweis werden.
                Kritiker sahen "Klar" als rechtspopulistisch
Herausgekommen ist ein Reportageformat, das Kritiker als Tiefpunkt und gar als rechtspopulistisch schmähten. Durch die NDR-Belegschaft soll ein Sturm der Empörung gegangen sein. 250 Beschäftigte, schreibt die "WELT", hätten sich in einem internen Brief von "Klar" distanziert. Die Chefs des NDR steckten in der Falle: Sie wollten das Format, sie wollten Julia Ruhs und sie haben in ihrer Verantwortung die "Klar"-Reportagen genauso gesendet, wie sie gesendet wurden.
                Zeit für Selbstkritik hätte es gegeben. Stattdessen aber schlägt sich der NDR in die Büsche, kündigt hasenherzig die Fortsetzung des Formats an, weist stolz auf die positive Zuschauerresonanz hin, um dann aber die Moderatorin des Formats ohne Begründung vor die Tür zu setzen. Ein kommunikatives Desaster. Ein Sender gefangen zwischen zorniger Belegschaft drinnen und argwöhnischen Kritikern draußen. Maximal unsouverän.
                NDR setzte Ruhs ohne Begründung vor die Tür
Gibt es doch all jenen Recht, die das Meinungsspektrum im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin verengt sehen. Nein, Julia Ruhs Reportagen waren keine journalistischen Glanzleistungen. Sie waren einseitig und emotionalisierend. Aber wenn ein Sender genau das bestellt, dann soll er dazu stehen.
                Der Schaden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist groß – die vermeintliche Strategie, eine Journalistin mit konservativer Haltung zu exponieren, ging nach hinten los. Dass ausgerechnet Daniel Günther, vom liberalen Flügel der CDU, der mit den Grünen in Schleswig-Holstein regiert, die NDR-Entscheidungen als extrem schädlich bezeichnet zeigt: Sie hat das Zeug, auch die zu verbrämen, die es bislang noch gut meinten mit den Öffentlich-Rechtlichen.
                ÖRR-Auftrag lautet nicht, rechte oder linke Lager zu bedienen
Was lernen wir aus der Sache? Öffentlich-rechtliche Sender und Journalisten sollten sich auf ihren Auftrag besinnen. Der Auftrag lautet nicht, Debatten mit einseitigen Berichten unnötig anzustacheln oder irgendwelche Lager zu bedienen, seien sie rechts oder links.
                Wer Meinungen und Pointen sucht, braucht nicht lange danach suchen. Öffentlich-rechtlicher Journalismus dagegen muss berichten, analysieren, Hintergrund, Tiefe und Einordnung liefern. Sagen, was ist. Nur so gewinnt er seine Souveränität zurück. 
                
              















