Kommentar zum Weltkriegsgedenken
Ein gemeinsames Gedenken mit Russland wäre eine Zumutung

Der Bundestag lädt die Botschafter von Russland und Belarus nicht zur Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes ein. Alles andere hätte man der Ukraine nicht zumuten können.

Von Sabine Adler |
Plenarsaal Bundestag bei einer Gedenkveranstaltung
Der Bundestag schließt die Botschafter von Russland und Belarus von der zentralen Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai aus. (IMAGO / Metodi Popow / IMAGO / M. Popow)
Seit mindestens elf Jahren ist das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges überschattet. Der Schwur, dass es in Europa keinen Krieg mehr geben dürfe, hat nicht gehalten, seitdem Russland 2014 mit der Annexion der Krim die Nachkriegsgrenzen verletzt und den Krieg in der Ostukraine angezettelt hat. 2022 ist aus den regional ausgetragenen Kämpfen ein Angriffskrieg gegen das ganze Land geworden.
Eine der wechselnden Begründungen von Kriegsherr Wladimir Putin lautete, Russland müsse in Kiew ein Nazi-Regime beseitigen. Diese Gleichsetzung einer demokratisch gewählten Regierung mit der schlimmsten Diktatur aller Zeiten war eine atemberaubende Lüge, die sich die Propagandisten des Dritten Reiches nicht besser hätte ausdenken können.
Die Ukraine, die im Zweiten Weltkrieg länger als jeder andere Teil der Sowjetunion von Hitler-Deutschland besetzt war und den größten Blutzoll überhaupt erlitten hat, erlebt jetzt, dass sie der Toten von vor 80 Jahren zusammen mit denen gedenken soll, die heute ihre Landsleute ins Grab bringen.
Das ist ihr nicht zuzumuten. Nicht den Ukrainerinnen und Ukrainern und auch nicht denen, die sie vor den Aggressoren schützen helfen.
Statt die Vergangenheit zu verklären, sollten wir uns erinnern, dass die Sowjetunion zwar zu den alliierten Mächten gehörte, doch verbunden hat sie damals nicht viel mit den USA, Großbritannien und Frankreich. Stalins Diktatur war blutrünstig, sie ging gegen immer neue selbsternannte angeblich innere Staatsfeinde aller Art vor. Millionen bezahlten seinen Machtwahn mit ihrem Leben.
In Russland darf seit Jahren nicht mehr über Stalins Fehlentscheidungen in der Roten Armee gesprochen werden, die Zehntausende von Rotarmisten zu Kanonenfutter machte, so wie es Putin heute in der Ukraine mit seinen Soldaten tut. Der Sieg im Zweiten Weltkrieg sollte unbefleckt bleiben, Vergleiche mit heute verhindert werden.

Russland, der große Bruder

Aus den Alliierten sind noch vor Ende des Krieges Gegner geworden – denn Stalin holte den Osten Europas in sein Reich, das er mit der nächsten, der kommunistischen Diktatur überzog. Deswegen hält man dort schon seit Jahrzehnten nichts von einem verkleisterten Gedenken.
Wer in der DDR großgeworden ist, kann sich sicher noch an den großen Bruder Sowjetunion erinnern, so wurde das Verhältnis zwischen der DDR und der UdSSR verharmlost. Doch dieser Bruder war nicht fürsorglich, sondern grausam und Angst einflößend. Mancher hat das anscheinend vergessen.
Solange Russland die Ukraine unterjochen und sich einverleiben will, ist ein gemeinsames Erinnern fehl am Platz. Dass sich Belarus zum Vasallen macht, zeigt, dass Lukaschenko sein Land längst aufgegeben hat und wenig Empathie verspürt, wenn selbiges jetzt mit der Ukraine geschehen soll.
Wer heute an die Gräber des Zweiten Weltkrieges tritt, kann das nur dann gemeinsam tun, wenn er sich sicher sein darf, auf dem Friedhof nicht dem Feind zu begegnen.