
Friedrich Merz ist sehr stolz darauf, in seinem gesamten politischen Leben ein klarer Redner gewesen zu sein, der klare Positionen vertreten habe. Ganz besonders gilt dies aus seiner Sicht für ein Gebiet: Geht es um Einwanderung und Migration, wollte und will Merz noch klarer als klar sein. Denn er und sein Team sind ja überzeugt, dass das Thema in Deutschland erst so kontrovers geworden ist – und Rechtspopulismus so sehr befeuert hat - , gerade weil Probleme der Migration lange nicht angesprochen worden seien.
Doppelrhetorik bei Merkel und Scholz
In der Tat hatten gleich zwei Vorgängerregierungen eine gefährliche Doppel-Rhetorik betrieben. Angela Merkel wollte partout ihre Willkommenskultur bewahren. Sie predigte „Wir schaffen das“, trotz vieler offensichtlicher Probleme, schmiedete allerdings im Hintergrund früh Abkommen etwa mit der Türkei, die dazu führten, dass sich die Flüchtlingszahlen drastisch verringerten. Und Olaf Scholz ging durchaus heftig gegen Flüchtlinge vor, so dass die Zuwanderungszahlen deutlich sanken – aber weil die Ampelkoalition nur gelegentlich darüber sprach, verfing diese Botschaft nicht recht, und Migrations-Besorgte fühlten sich kaum ernst genommen.
Seine betont klare Rhetorik birgt aber eine klare Gefahr für Merz – nämlich die, vom Kanzler Klartext zu einem zu werden, der keine klaren Ergebnisse liefern kann. Der juristische Streit um Zurückweisungen an der deutschen Grenze zeigt das exemplarisch: Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Zurückweisung von drei Somaliern durch die Bundespolizei gerade untersagt, nach Meinung der meisten Experten werden für die Bundesregierung weitere juristische Schlappen zu diesem Thema folgen, bis hin zum Europäischen Gerichtshof.
Rechtsstaat auf die Probe stellen?
Wie lange möchte die Merz-Regierung in fast Trumpscher Manier daran festhalten, solche Urteile zu ignorieren – und will sie wirklich riskieren, nach der von einst von der CSU und vielleicht auch Merz beklagten „Herrschaft des Unrechts“ in der Merkelschen Flüchtlingskrise nun selbst den Rechtsstaat in dieser Frage auf die Probe zu stellen?
Daher müssten Merz und Innenminister Dobrindt eingestehen, dass ihre markigen Versprechen von „Tag 1“ nicht einzuhalten sind. Schon weil dafür das Personal etwa bei der Bundespolizei fehlt und auch weil sie damit die Axt an einer Errungenschaft Europas (das Merz sonst an jeder Stelle zu Recht lobt) legen, nämlich dem weitgehend ungehinderten Grenzübergang.
Was alternativ helfen könnte, um die Zahl der Migration zu senken und die Integration zu erleichtern - ein oft unterschätzter Aspekt - ist hinlänglich bekannt: Die Regierung könnte auf Konzepte setzen, die schon einmal die Zahlen reduziert haben und für die sie andere europäische Länder als Partner gewinnen kann - sichere Drittstaatenabkommen etwa nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals.
Was niemand liefern kann - und auch nicht sollte
Die Europäische Kommission hat Vorschläge präsentiert, wie das rechtlich möglich wäre, ohne gleich mit Diktaturen allzu schmutzige Deals schließen zu müssen – genauso wie eine Initiative für mehr sichere Drittstaaten, die es möglich machte, Asylsuchende in sichere andere Staaten zu bringen. Sogar die Zurückweisung bestimmter Personen, etwa junger Männer und zeitlich befristet, könnte juristisch den Weg ebnen, glauben Migrationsforscher wie Daniel Thym. Er plädiert auch für eine „Einwanderungsrepublik“, mit einer Integrationspolitik, die fördert, aber gleichzeitig auch fordert – die Menschen, die zu uns kommen, aber auch unser Land, das diese besser integrieren muss.
Was all diese Lösungen gemein haben? Sie lassen sich nicht so leicht in Klartext packen wie das Versprechen: Vom ersten Tag an werde die deutsche Grenze quasi dichtgemacht. Das kann niemand liefern, und das kann auch niemand wollen. Je früher Merz und Dobrindt dies erkennen, desto größer ist für sie die Chance, eine echte Wende in der Migrationspolitik zu erreichen.
Was all diese Lösungen gemein haben? Sie lassen sich nicht so leicht in Klartext packen wie das Versprechen: Vom ersten Tag an werde die deutsche Grenze quasi dichtgemacht. Das kann niemand liefern, und das kann auch niemand wollen. Je früher Merz und Dobrindt dies erkennen, desto größer ist für sie die Chance, eine echte Wende in der Migrationspolitik zu erreichen.