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Vor 175 Jahren geboren
Augusta Holmès - eine der ersten Komponistinnen in Paris

Komponieren ist eine Königsdisziplin der Musik, war lange Zeit aber keine Königinnen-Disziplin: Die Ausbildung blieb Männern vorbehalten. Eine der ersten Frauen war im 19. Jahrhundert die englisch-französische Komponistin Augusta Holmès.

Von Stefan Zednik | 16.12.2022
Eine Brille liegt mit einem Etui und handschriftlichen Notizen auf einem Notenblatt.
Erst 1878 durfte Augusta Holmès Komposition studieren (imago / Gerhard Leber)
Ein schlichtes französisches Lied, für den Salon geschrieben. Erschienen 1866, der Komponist: Hermann Zenta. Ein zeitgenössischer Kritiker schrieb: „Ein seltsames Thema! Eine einzigartige Melodie! Kennen Sie Hermann Zenta und sein Lied vom Kameltreiber? Bis gestern Abend wusste ich ebenso wenig davon wie von dem des arabischen Reiters oder der Syrene. Drei kleine Meisterwerke, ganz einfach.“ Dass der Name Hermann Zenta heute selbst versierten Musikwissenschaftlern kein Begriff mehr ist, verwundert kaum: Er ist ein Pseudonym, dahinter verbirgt sich eine junge Frau: Augusta Holmès, geboren am 16. Dezember 1847 in Paris.
Die Musikwissenschaftlerin Nicole Strohmann: „Sie war englisch-irischer Abstammung und ist aber natürlich französisch sozialisiert worden. Sie hat im Grunde genommen die bürgerliche Musik und Kunsterziehung der damaligen Zeit genossen.“

Die Familie sah sie als Malerin


„Meine Familie hätte meinen Geschmack lieber auf die Malerei gelenkt, wenn sie überhaupt daran gedacht hätte, dass ich eine berufliche Karriere anstrebe. Ich habe Zeichnen und Malen gelernt, und dieses Wissen hat mir sehr geholfen. Dadurch konnte ich meine eigenen Kostüm- und Bühnenbildideen für verschiedene Werke entwerfen. Aber es war die Musik, die mich fesselte.“

Ein Enthusiasmus, der vor allem auf den Vater zurückzuführen ist. Der begeisterte Wagnerianer fährt 1869, nach dem frühen Tod der Mutter, mit der Tochter nach München zur Uraufführung des "Rheingold", im Anschluss stattet man Richard Wagner einen Besuch ab, festgehalten von dessen Frau Cosima.

„Zusammentreffen auf Tribschen von Fräulein Classe d’écriture und anderen. Nachmittags die Familie Brockhaus, später Holmès Vater und Tochter bis spät in die Nacht.“

Kompositionsklasse für Frauen gab es erst ab 1878


Ein offizielles Studium ist der jungen Frau verwehrt. Denn erstens ist sie noch nicht "naturalisiert", sie ist Engländerin und erlangt die französische Staatsbürgerschaft erst später. Und zweitens sind in der Mitte des 19. Jahrhunderts Frauen noch sehr viele Türen verschlossen. „Da war es tatsächlich so, dass die sogenannte Classe d’écriture , also die Kompositionsklasse am Konservatorium in Paris, erst 1878 ihre Tore für die Frauen öffnete.“

Selbst große kompositorische Talente wie Clara Wieck-Schumann oder Fanny Mendelssohn-Bartholdy mussten sich auf das instrumentale Spiel oder die Rolle der „Stillen Kreativen“ im Hintergrund beschränken. Nicole Strohmann: „Ab 1875 war sie Privatschülerin von César Franck und war dort die einzige Frau in der sogenannten Bande à Franck, also in dem Schüler-Zirkel von César Franck und lernte dann Komposition. Also natürlich hatte sie Klavier, Gesangsunterricht, aber auch Tonsatz, Kontrapunkt und Fuge und Instrumentationsunterricht bei verschiedenen Lehrern, aber privat eben.“
Zwar sind die künstlerischen Einflüsse Richard Wagners, aber auch ihres Lehrers César Franck in ihren Kompositionen spürbar, gleichwohl gelingt ihr ein autonomes künstlerisches Leben, wie es in dieser Zeit durchaus ungewöhnlich ist. Auch in privater Hinsicht. Nicole Strohmann: „Sie wollte selbstständig sein und für sich selbst entscheiden, und somit wäre eine Heirat für sie nie in Frage gekommen. Gleichwohl hat sie einen langjährigen Lebenspartner gehabt, den Romancier Catull Mendez, mit dem sie fünf Kinder hatte, die aber nicht bei ihr groß geworden sind.“ Denen sie aber, festgehalten in einem Gemälde von Auguste Renoir, offensichtlich eine Musikerziehung angedeihen ließ.


1892 gelingt Augusta Holmès der Durchbruch

 
Durch ihre Orchesterkompositionen und eine große Oper bereits bekannt, gelingt ihr 1889 der Durchbruch. Nachdem Charles Gounod eine Anfrage zur Komposition eines Werks zur 100-Jahr-Feier der Französischen Revolution abgelehnt hatte, springt sie selbstbewusst in die Bresche und schlägt ein szenisches Werk für 300 Musiker und 900 Choristen vor. Es ist der Höhepunkt eines künstlerischen Lebens, das am 28. Januar 1903, im Alter von nur 55 Jahren, in Paris sein Ende findet.