Agrarwende
Landwirtschaft soll klimafreundlicher werden

Die Landwirtschaft ist einerseits Opfer der Klimaerwärmung und leidet unter Wetterextremen wie Dürre oder Regen. Andererseits befördert sie die Klimaerwärmung durch ihren Ausstoß von Treibhausgasen. Veränderungen in Ackerbau und Tierhaltung sowie eine andere Subventionspolitik könnten ihn verringern.

    Ein Landwirt fährt mit einem Mähdrescher über ein Feld mit Bioweizen und holt die Ernte ein.
    Angesichts der Klimakrise ist der CO2-Fußabdruck der herkömmlichen Landwirtschaft zu groß. Neue Methoden und Strategien sollen für mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sorgen. (picture alliance / dpa / Pia Bayer)
    Wenn in der Öffentlichkeit über Emissionen diskutiert wird, geht es meist um Verbrennungsmotoren oder die CO2-Bilanz der Industrie. Doch auch die Landwirtschaft in Deutschland trägt nach Angaben des Umweltbundesamtes "maßgeblich zur Emission klimaschädlicher Gase bei".

    Inhalt

    Wodurch schadet die Landwirtschaft dem Klima?

    Besonders klimaschädlich sind laut Umweltbundesamt zwei Arten von Emissionen aus der Landwirtschaft: Methan und Lachgas. Beides entsteht vor allem in Verbindung mit der Tierhaltung. Insgesamt wurden im 1. Halbjahr 2024 in Deutschland 24 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde sowie 344 Millionen Geflügel geschlachtet, die meist aus deutschen Ställen kamen.
    Methan-Emissionen entstehen zum Beispiel, wenn Wiederkäuer verdauen. Als Klimagas baut sich Methan zwar deutlich schneller ab als Kohlendioxid (CO2), aber es ist rund 28-mal klimaschädlicher. Methan-Emissionen machen mit rund 62 Prozent den Hauptanteil der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft aus.
    Eine wesentliche Ursache für Lachgas sind auf die Felder ausgebrachter Kunstdünger und Gülle aus der Haltung von Schweinen und Geflügel. Die Lachgas-Emissionen machen laut Umweltbundesamt 34 Prozent an den Treibhausgas-Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft aus.
    Gülle aus der Tierhaltung könnte eigentlich ein guter Wirtschaftsdünger sein. Doch wenn mehr davon ausgebracht wird, als die Pflanzen auf einem Feld aufnehmen können, sorgen mikrobielle Prozesse im Boden dafür, dass sich aus der Gülle Nitrat bildet, welches das Grundwasser belastet. Dazu entsteht Lachgas, das in die Atmosphäre entweicht. Lachgas ist 300-mal so klimaschädlich wie CO2.

    Wie groß ist der Klima-Fußabdruck der Landwirtschaft?

    Im Jahr 2023 war die deutsche Landwirtschaft laut Schätzung des Umweltbundesamts insgesamt für 52,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente verantwortlich. Das entsprach 7,7 Prozent der gesamten deutschenTreibhausgas-Emissionen.
    Die Landwirtschaft kommt sogar auf 60,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und einen Anteil von 8,9 Prozent, wenn Emissionsquellen aus der mobilen und stationären Verbrennung, zum Beispiel in Landmaschinen, mit erfasst werden. Diese Zahlen berücksichtigen auch nicht, in welchem Ausmaß Emissionen bei der Produktion von importierten Futtermittel im Ausland entstanden sind, zum Beispiel beim Soja-Anbau in Brasilien.
    Die Grafik bildet die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft in Deutschland in Mio. Tonnen CO2-Äquivalent ab. (1992: 64,1 / 2002: 61,1 / 2012: 60,1 / 2022: 55,6)
    Die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft in Deutschland sinken zwar, doch sie sind immer noch zu hoch. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Weltweit stammt rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Nahrungsmittelproduktion auf dem Feld und im Stall, nämlich "wenn wir Wälder abholzen, um Ackerland neu anzulegen, oder wenn wir Moore trockenlegen, oder wenn irgendwo Grünland umgebrochen wird. Dabei entweicht viel CO2 aus dem Boden, und das ist auch eine erhebliche Quelle insgesamt“, sagt Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie und Leiter des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn.
    Die Methan-Konzentration in der Atmosphäre steigt seit Jahren kontinuierlich an. Lag sie im Jahr 2006 noch bei 1750 Methan-Teilchen pro Milliarde Luftmoleküle, sind es aktuell 1900. Damit ist die Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie seit 800.000 Jahren nicht mehr. Landwirte bekommen selbst die Auswirkungen der globalen Erwärmung zu spüren – etwa durch wetterbedingt schlechtere Ernteerträge. Der Bauernverband verwies in seiner Erntebilanz 2024 auf negative Folgen des Klimawandels.

    Was wird bereits getan, damit die Landwirtschaft klimafreundlicher wird?

    Zwischen 1990 und 2023 sanken nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums die jährlichen Emissionen aus der Landwirtschaft um 23,4 Millionen Tonnen CO2-Äquvalente. Um weitere 0,5 bis 1,4 Millionen Tonnen „können sie voraussichtlich bis 2025 zurückgehen“, heißt es auf der Website des Ministeriums.
    Als Klimaschutzmaßnahmen werden dort unter anderem die Senkung der Stickstoffüberschüsse aus der Düngung einschließlich Minderung der Ammoniakemissionen und gezielte Verminderung der Lachgasemissionen, der Ausbau des Ökolandbaus und mehr Energieeffizienz in der Landwirtschaft genannt. Laut Umweltbundesamt war der Grund für die deutlichen Emissionsrückgänge in den ersten Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung „vor allem die Verringerung der Tierbestände“ und der „strukturelle Umbau in den neuen Bundesländern“.

    Warum gibt es aktuell einen leichten Rückgang der Emissionen?

    Ab 2017 gingen die Emissionen aus der Landwirtschaft weiter zurück. Ein Grund dafür war laut Umweltbundesamt „die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage vieler landwirtschaftlicher Betriebe vor dem Hintergrund stark gestiegener Energie-, Düngemittel- und Futterkosten und damit höherer Produktionskosten“. Dies war EU-weit der Fall, so Hermann Lotze-Campen, Agrarwissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Über die letzten sieben, acht Jahre sind die Emissionen ungefähr um zehn Prozent zurückgegangen – ähnliches sehen wir auch in Deutschland.“
    Das sei eine „gute Entwicklung“, aber man müsse abwarten, ob der Trend dauerhaft sei. Weitere Anstrengungen seien nötig, so der Forscher. Der Angriffskrieg Russlands sorgte zudem zwischen 2022 und 2024 für extreme Preissteigerungen an den Weltagrarmärkten, die der deutschen Landwirtschaft jährliche Gewinnsteigerungen von bis zu 50 Prozent einbrachten. Wie sich dies auf die Emissionen auswirkt, muss noch bilanziert werden.
    Auch das im August 2024 in Kraft getretene EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur soll nicht nur den Artenverlust abbremsen, sondern auch preisgünstig den Ausstoß von CO2 mindern. Zentrale Ökosysteme sollen damit wieder in den Zustand von vor 70 Jahren versetzt werden.
    Denn um bedrohte Arten zu erhalten, hilft es nicht, einzelne Frösche oder Wildbienen zu retten, sondern es müssen die Landschaften wiederhergestellt werden, die diese Tiere und Pflanzen für ihre Existenz brauchen. Durch die Wiedervernässung von Mooren oder die naturnahe Gestaltung von Flüssen und Wäldern soll bis 2030 EU-weit ein Fünftel der geschädigten Flächen wiederhergestellt werden.

    Was sagen Vertreter der Landwirtschaft und Klimaschützer?

    Alle Wissenschaftler sind sich einig, dass Landwirtschaft immer mit einer gewissen Menge Treibhausgasemissionen einhergehen wird. Laut Pierre Johannes vom Naturschutzbund NABU haben Landwirte deshalb nicht unbegrenzt viele Möglichkeiten, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken.
    Ein Großteil davon stamme neben der Tierhaltung aus landwirtschaftlich genutzten Mooren. Wenn diese wieder vernässt würden, „dann wird weniger Treibhausgas emittiert“. Aus Naturschutz und Klimaschutzgründen „wäre das ein großer Gewinn“, so Johannes. „Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir auch an die Moorflächen ran“, ergänzt er. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Agrarproduktion.
    Johann Meierhöfer vom Deutschen Bauernverband argumentiert: Durch Natur-Wiederherstellung „lässt sich auf dem Papier sehr viel erreichen“. Doch in der Praxis gingen durch die Wiedervernässung von Mooren mühsam abgerungene Agrarflächen verloren. „Für die Landwirte lässt sich damit erst einmal relativ wenig gewinnen.“ Für Paludikulturen, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte, die immer wieder als neuer Erwerbszweig angepriesen würden, habe sich bislang noch kein Markt gebildet. Sollte sich dies ändern, würden mehr Landwirte einsteigen.
    Auch die Tierhaltung, bei der vor allem Lachgas und Methan anfällt, ist ein dauerndes Streitthema. Weniger Tiere seien auf jeden Fall besser fürs Klima, sagt NABU-Vertreter Pierre Johannes. Aber hierzulande auf Tierhaltung zu verzichten und das Fleisch aus dem Ausland zu importieren, sei auch keine Lösung.

    Was fordern Experten, um die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen?

    In einer Studie des Öko-Instituts aus dem Jahr 2024 kritisieren Wissenschaftler, dass der Staat klimaschädliches Wirtschaften in der Landwirtschaft mit 4,7 Milliarden Euro durch Ver- und Begünstigungen fördert. Genannt wurden die Mehrwertsteuerermäßigung auf tierische Produkte sowie Steuerbegünstigungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Agrardiesel).
    Die Emissionen der Landwirtschaft seien „nur zu hohen Kosten technisch zu reduzieren“, sagt Hermann Lotze-Campen, Agrarwissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es gebe bestimmte Einsparmöglichkeiten in der Produktionstechnik. "Aber, wie viele Studien zeigen: Der größte Hebel bei der Reduktion der Emissionen käme tatsächlich über Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, also Veränderungen auf der Nachfrageseite.“ Solange Fleisch- und Milchprodukte nachgefragt werden, würden diese auch produziert, so der Klimaforscher.
    Ökonomen schlagen deshalb vor, die Mehrwertsteuer für Fleisch auf den Regelsatz von 19 Prozent zu erhöhen und im Gegenzug bestimmte pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Getreide oder Gemüse komplett von der Mehrsteuer zu befreien. Viele Ernährungsexperten würden dies begrüßen.
    Catherine Ivanovich von der New Yorker Columbia University ist Ko-Autorin einer neuen Studie zu Emissionen im Lebensmittelsektor. „Wir brauchen Veränderungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite“, sagt Ivanobich. Sie und ihre Kollegen haben untersucht, wie viele Emissionen durch Veränderungen bei der Produktion der Lebensmittel eingespart werden könnten. „Durch ein anderes Düngemittelmanagement etwa oder den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien für die Produktion, die Verarbeitung und den Transport.“
    Das Forscherteam hat auch analysiert, was passieren würde, „wenn alle Menschen auf eine auch von der Medizin empfohlene Ernährungsweise umstellen würden und es gelänge, die Verschwendung von Lebensmitteln einzuschränken“. Ivanovich: „Wenn alle diese Maßnahmen greifen würden, könnten wir die Erwärmung durch den Lebensmittelsektor mehr als halbieren.“

    tei, pj, Jule Reimer