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Vor 300 Jahren gestorben
Liselotte von der Pfalz - duldsame Schwägerin des Sonnenkönigs

Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz – bekannt  als Liselotte von der Pfalz, war zu ihrem Leidwesen Schwägerin von Sonnenkönig Ludwig XIV. Nach ihrem Tod am 8. Dezember 1722 hinterließ sie tausende Briefe, die ihr bizarres Leben spiegeln.

Von Ulrike Rückert | 08.12.2022
Liselotte von der Pfalz  (links im Bild) am Hof mit ihren Kindern. Kupferstich von 1696.
Liselotte von der Pfalz (links im Bild) am Hof mit ihren Kindern. Kupferstich von 1696. (picture-alliance / akg-images)
„Es ist mir all mein leben leydt geweßen, ein weibsmensch zu sein, und churfürst zu sein, wehre mir, die Wahrheit zu sagen, beßer ahngestanden, alß Madame zu sein.“
Das schrieb Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orléans – besser bekannt als Liselotte von der Pfalz – in einem ihrer Briefe, für die sie bis heute berühmt ist. Als „Weibsmensch“ wurde die Tochter des Kurfürsten von der Pfalz 1671 gegen ihren Willen verheiratet, mit Philippe d’Orléans, dem verwitweten, homosexuellen Bruder Ludwigs XIV. von Frankreich. „Madame“, ohne Name, war ihr höfischer Titel als Schwägerin des Königs.
„Madame sein ist ein ellendes handwerck.“ Kaum am Hof angekommen, hörte die 19-Jährige, dass ihre Vorgängerin von den Favoriten ihres Gatten mit Gift ermordet worden sei. Wenn ihr Mann das Bett mit ihr teilte, musste sie auf der Kante schlafen, damit sie ihn nicht aus Versehen berührte. Dennoch brachte sie drei Kinder zur Welt, ehe er, zu ihrer Erleichterung, die dynastische Fortpflanzungspflicht für erfüllt erklärte.
Mit Schwager Ludwig verstand sie sich blendend: „Ich muß sagen, daß der König mich noch täglich mehr gnade erweist. Dieses macht auch, daß ich jetzt sehr à la mode bin, denn alles was ich sage und tue, es sey gut oder überzwerck, das admirieren die hofleute.“

Warum Ludwig XIV. die Pfalz verheeren ließ

Doch auch das war bald vorbei. Die Favoriten des Herzogs trieben sie mit Intrigen so weit, dass sie ins Kloster gehen wollte, was Ludwig XIV. aber nicht duldete „Ihr seid Madame und müsst auf diesem Posten bleiben.“
Dann ließ Ludwig XIV. seine Truppen in die Pfalz einmarschieren und das Land verheeren, unter dem Vorwand, ein Erbteil für Liselotte zu erzwingen. „Was mich am meisten daran schmertzt, ist, daß man sich meines nahmens gebraucht, umb die arme leütte ins eüßerste unglück zu stürtzen."

Beim Sonnenkönig nicht wohlgelitten

Ihre Klagen über den Pfalzkrieg nahm Ludwig ihr übel, und sie verscherzte sich seine Sympathie ganz mit ihrer Feindseligkeit gegen die Marquise de Maintenon, die Mätresse, die er nach dem Tod der Königin heimlich geheiratet hatte. Die standesbewusste Liselotte brachte es nicht über sich, der Aufsteigerin, Witwe eines bürgerlichen Schriftstellers, den verlangten Respekt zu zollen.
„Ich habe ihr, der rumpompel, mit so viele civilitet zugesprochen, als es mir möglich war, aber weiter kann ich nichts tun, und ihr in ihrer antichambre aufzuwarten, wie die andern hier tun, hierzu kann ich mich nicht resolvieren, und werde es nie tun.“
In ihren Briefen zog sie über die Maintenon her, obwohl sie wusste, dass ihre Korrespondenz überwacht und der Inhalt dem König hinterbracht wurde
„Ich glaube nicht, daß ein böserer teufel in der welt kann gefunden werden. Alles unheil kompt von dieser zot.“

"Durch ihre harte und strenge Art gefürchtet"

Liselotte fühlte sich ungerecht behandelt, klagte über Melancholie und Trübsal. Wie andere sie sahen, deuten die Memoiren des Herzogs von Saint-Simon an:
„Sie schmollte häufig mit der Gesellschaft, machte sich durch ihre harte und strenge Art gefürchtet und verbrachte den ganzen Tag in einem Kabinett damit, daß sie eigenhändig ganze Bände von Briefen schrieb.“Briefe an ihre Lieblingstante, ihre Schwestern, ihre Tochter und andere Verwandte und Freunde an den Höfen Europas, spontan und unverblümt. Sie schrieb über ihre Gefühle, Hofklatsch, Theaterstücke, Frisurenmoden und die Zubereitung von Schweinsköpfen:„Ich schreibe, wie ich rede; den ich bin zu naturlich, umb anderst zu schreiben, alß ich gedencke.“

Einblicke ins höfische Räderwerk der Macht

Ihr Leben änderte sich dramatisch, als 1715 der König starb. Ihr Gatte war schon Jahre zuvor dahingeschieden, die Regentschaft für den erst fünfjährigen Ludwig XV. übernahm ihr Sohn Philippe. Man rannte ihr die Türen ein, um durch sie Zugang zum Regenten zu erlangen – aber nun hatte sie keine Lust mehr, im Mittelpunkt zu stehen. In einem Schloss bei Paris schrieb sie weiter Berge von Briefen. Dort starb Liselotte von der Pfalz auch am 8. Dezember 1722. Von ihren schätzungsweise 60.000 Briefen ist etwa ein Zehntel erhalten geblieben. Sie geben Einblicke in das Leben am französischen Hof und das Räderwerk der Macht:
„Der großen könige éclat und reputation gemahnt mich an die machines vom opéra: wenn man sie von weitem sieht, ist nichts größeres und schöneres, geht man aber hinter die kulissen und besieht bei nahem alle cordelles und hölzer, so die machines gehen machen, ist oft nichts gröbers noch häßlichers.“