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Macrons Polizei-Reform
Mehr Sicherheit durch Nähe

Es war ein Wahlversprechen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die neue Polizei zur Sicherung im Alltag soll vor allem in den Brennpunktvierteln dafür sorgen, die Nähe zwischen Bürgern und Polizisten wieder herzustellen. Denn in vielen französischen Vorstädten ist das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern oft durch Gewalt und Angst geprägt.

Von Sabine Wachs | 26.10.2018
    Französicher Polizeiwagen
    Mehr Sicherheit durch mehr Präsenz ist das Konzept hinter dem Begriff der Polizei zur Sicherung des Alltags (picture alliance / Jean Francois Frey)
    Einsatzbesprechung auf dem kleinen Parkplatz hinter der Polizeiinspektion in Corbeil-Essonnes. Drei Streifen, insgesamt 16 Beamte gehen gleich auf Tour. Ihr Einsatzgebiet: das Brennpunktviertel "Les Tarterêts" ein Stück oberhalb des Bahnhofs. Erst gestern Nacht wurden die Polizisten in diesem Viertel mit Steinen beworfen, manchmal erzählt Einsatzleiterin Hanem Hamouda, fliegen auch Molotowcocktails:
    "Wir sind hier in einem Viertel, das typisch ist für die Kriminalität der Pariser Vorstädte. Es geht um Drogenhandel. Und alles, was hier sonst passiert, hängt damit zusammen. Die Gewalt gegen die Polizei soll uns von Kontrollen abhalten. Viele Bewohner fühlen sich nicht mehr sicher, weil ständig Dealer vor ihren Hauseingängen rumlungern. Das vergiftet die Stadt."
    Provokationen vermeiden
    Im Streifenwagen, einem Sechs-Sitzer-Bus, steht eine Kiste mit Tränengaspatronen. Die Polizisten tragen kugelsichere Westen. Die Scheiben des Busses sind aus bruchsicherem Plexiglas, die Türen von innen verstärkt. Nur so ausgerüstet fahren die Polizisten noch in die Quartiers sensibles, in die Brennpunktviertel. Sie wollen nicht provozieren, sagt Polizist Maxime. Das alles diene der eigenen Sicherheit.
    "Es ist eine schwierige Stadt. Wir versuchen mit den Jugendlichen zu sprechen, aber das ist fast unmöglich. Mit den Älteren, denen die rausgewachsen sind, geht es manchmal. Mit den ganz Jungen auch. Aber die Generation, die um das Jahr 2000 geboren wurde, das geht gar nicht. Die respektieren nichts und niemanden. Da ist ein Gespräch unmöglich."
    Maxime ist seit acht Jahren Polizist in Corbeil-Essonnes, seitdem fährt er hier Streife. Vor einem Hauseingang von einem der hohen Wohntürme lungern ein paar junge Männer. Die Streifen halten an.
    Ein bekannter Drogenumschlagplatz. 16 Polizisten kontrollieren fünf Jugendliche und finden in einem Versteck ein paar Meter weiter drei kleine Tütchen mit Haschisch. Die Kontrolle läuft friedlich.
    "Im Rahmen der neuen Maßnahme, der Polizei zur Sicherung des Alltags, haben wir mehr Personal bekommen", sagt Polizist Stéphane. "Wir können unsere Einsätze jetzt besser sichern. Auf eine Person, die wir kontrollieren, kommt ein Polizist und die anderen Beamten sichern die Aktion ab."
    Langer Atem gefragt
    Mehr Sicherheit durch mehr Präsenz ist das Konzept hinter dem Begriff der Polizei zur Sicherung des Alltags. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will, dass die Polizisten, gerade in Brennpunktvierteln wie in Corbeil-Essonnes, die Kriminalität in den Griff bekommen. Gleichzeitig sollen sie Vertrauen zu den Bewohnern aufbauen
    Das sei schwierig, sagt Polizist Stéphane: "Wir haben hier zum Beispiel einen Hausmeister. Wenn er uns sieht, dann zieht er die Rollläden runter. Er hat Angst mit uns zu sprechen, denn dann bedrohen ihn die Jugendlichen. Es gibt Leute, die vielleicht gerne mit uns reden würden, aber sie haben Angst."
    Deshalb hat die Polizei von Corbeil-Essonnes ihre Streifengänge erhöht, ist jetzt schon früh morgens unterwegs. Die Beamten sprechen Eltern vor den Schulen an, sprechen mit den Briefträgern, mit Leuten, die einkaufen. Ganz unverfänglich. Trotz dieser Sichtbarkeit, da ist Stéphane sicher, wird es dauern, bis die Bewohner der schwierigen Viertel Vertrauen fassen - bis die Kriminalität zurückgeht: "Seit Jahren läuft hier etwas gewaltig schief, und es wird mit Sicherheit doppelt so lange dauern, bis das Gelichgewicht wieder hergestellt ist."