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"Marginale Änderung im Vergleich zum Ist-Zustand"

Dem Chef der Steuergewerkschafts, Dieter Ondracek, geht die von der Bundesregierung geplante Verschärfung der Regeln für Selbstanzeigen von Steuersündern nicht weit genug. Insbesondere fehle ein Verwaltungskostenzuschlag für erwischte Steuerhinterzieher.

Dieter Ondracek im Gespräch mit Anne Raith |
    Anne Raith: Bislang konnten Steuerhinterzieher das Risiko, entdeckt und anschließend bestraft zu werden, relativ genau kalkulieren. Immer wenn etwa bekannt wurde, dass die Behörden neue CDs mit Daten deutscher Steuersünder kaufen, zeigten sich viele gleich selbst an. Mit diesem Taktieren soll nun Schluss sein. Mit ihrem neuen Gesetzentwurf will die schwarz-gelbe Regierung die Regeln für Selbstanzeigen verschärfen. Mitgehört hat Dieter Ondracek, der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft. Guten Tag!

    Dieter Ondracek: Guten Tag!

    Raith: Die Koalition macht ernst im Kampf gegen die Steuerhinterziehung. So zumindest sieht es der finanzpolitische Sprecher der Union, Leo Dautzenberg. Ist Ihnen das ernst genug?

    Ondracek: Das ist leider nicht ernst genug. Die Überschrift verspricht wesentlich mehr, als der Inhalt des Gesetzes dann zeigt. Hier ist eine marginale Änderung im Vergleich zum Ist-Zustand, die hätte wesentlich schärfer ausfallen müssen.

    Raith: Steuerhinterziehung soll künftig nicht mehr belohnt werden, so die Koalition. Im Tenor stimmen Sie aber mit der Regierung überein?

    Ondracek: Dass Steuerhinterziehung nicht belohnt werden kann, ist eine Selbstverständlichkeit. Steuerhinterziehung ist eine Straftat und muss verfolgt werden. Eine Frage, ob man es belohnt oder nicht, stellt sich da gar nicht, sondern das ist ein Verfolgungszwang, ein Offizialdelikt und es muss alles getan werden, um Steuerhinterziehung aufzudecken und am besten zu verhindern.

    Raith: Grundsätzlich werden die Hürden ja höher durch den neuen Gesetzentwurf, und höher ist ja schon mal die richtige Richtung.

    Ondracek: Höher ist die richtige Richtung, aber die Höhe ist eine kleine Treppe und wir hätten uns gerne eine Latte, die der Hochspringer überspringen muss, gewünscht. Das ist derzeit eben nicht gegeben. Die eine Regelung, dass man sich nicht mehr selbst anzeigen kann, wenn die Betriebsprüfungsanordnung in ein Haus flattert, ist eine Kleinigkeit. Bisher war die Sperrwirkung da, wenn der Betriebsprüfer im Haus stand, jetzt, wenn die Post eingeht, aber im Ernstfall wird dieser Zugang der Post bestritten werden, dann haben wir Steine statt Brot. Also hier wäre dann, wenn man schon vorziehen will, was richtig ist, der Abgang der Prüfungsanordnung im Finanzamt, der ist ja dokumentiert, da müsste die Sperrfrist ausgelöst werden.

    Raith: Ist das für Sie alles Augenwischerei?

    Ondracek: Es ist ein bisschen die Methode "wasch mich, aber mach mich nicht nass". Man muss was tun, weil die Öffentlichkeit das fordert, und man tut was, man tut aber so wenig, damit es niemandem wehtut.

    Raith: Es ist in Zukunft ja zum Beispiel keine Teilanzeige mehr möglich. Das heißt, wenn man sich anzeigt, muss man alle Konten offenlegen. Ist das ein Schritt für Sie in die richtige Richtung?

    Ondracek: Das war der bisherige Rechtszustand, so habe ich das vor 30 Jahren schon gelernt, dass es so ist. Das ist in der Zwischenzeit durch die Rechtsprechung ein bisschen aufgeweicht worden, aber vor einem halben Jahr hat der Bundesgerichtshof festgelegt, dass es so ist, und das Gesetz macht es jetzt nur klarer, was der Bundesgerichtshof schon in seinem Urteil vorgegeben hat und geschrieben hat. Der Sinn und Zweck ist nämlich, einem Reuigen die Umkehr zu erleichtern und zu ermöglichen, und reuig heißt, in vollem Umfang bin ich ehrlich und nicht in dem Teilaspekt, bei dem es gefährlich wird, und im anderen Aspekt bleibe ich lieber verschwiegen und nehme die Vorteile der Steuerhinterziehung in Kauf. Das war bisher schon leicht schizophren, hat der Bundesgerichtshof noch mal untermauert und verdeutlicht, und der Gesetzgeber schreibt das jetzt noch mal deutlich ins Gesetz.

    Raith: Glauben Sie denn, dass es zu mehr Selbstanzeigen kommen wird, weil, so das Argument ja der Regierung, die Unsicherheit, das Risiko und der Druck wachsen?

    Ondracek: Nein, davon gehe ich nicht aus, denn so viel Unsicherheit wächst nicht an. Das eine ist, dass eben eine Betriebsprüfungsanordnung die Sperrwirkung aussetzt nach dem Gesetzentwurf, aber es muss jeder Betrieb je nach Kategorie sowieso rechnen, dass irgendwann ein Betriebsprüfer kommt. Ob er jetzt nun das ein halbes Jahr früher oder später dann tut, ist für ihn dann nicht entscheidend. Wenn er weiß, er ist ein Mittelbetrieb und ist zehn Jahre nicht geprüft worden, dann weiß er, irgendwann kommt die Betriebsprüfung und dann, wenn er sich reinwäscht, dann hat er vielleicht zwei Jahre gewonnen, weil die in der Verjährung sind. Das sind die Spiele, die getrieben werden, die sind auch jetzt noch möglich und die sind unanständig.

    Raith: Also alles weiter wie zuvor, lautet Ihr Zwischenfazit sozusagen. – Hätten Sie sich denn, Herr Ondracek, für einen Strafzins stark gemacht? Das war ja in der Diskussion, aber sehr umstritten.

    Ondracek: Das wäre ein weiteres Minimum, das notwendig gewesen wäre, nicht ein Strafzins, denn man kann nicht zweimal strafen, einmal die normale Strafe und dann einen Strafzuschlag, der wäre verfassungsrechtlich problematisch. Aber der Bundesrat hat ja in der Diskussion ums Jahressteuergesetz aufgezeigt, wie es ginge, nämlich einen Verwaltungskostenzuschlag, denn der, der nicht ehrlich ist, der muss sich an den Vorhaltekosten einer Steuerfahndung beteiligen, denn wenn alle ehrlich wären, wenn keiner Steuern hinterzieht, braucht man keine Steuerfahndung. Da müssen also die, die erwischt werden beim unehrlich werden, ob jetzt entdeckt oder sich selbst enttarnend, die müssen dann an den Kosten beteiligt werden, die notwendig sind, um eben Ehrlichkeit im ganzen Getriebe zu halten, und ein fünfprozentiger Verwaltungskostenzuschlag wäre richtig gewesen. So haben wir jetzt die Situation, dass der Ehrliche genauso behandelt wird wie der Unehrliche, und das ist für den Ehrlichen eigentlich nicht akzeptabel.

    Raith: Aber dieser Verwaltungskostenzuschlag, von dem Sie sprechen, soll ja, so zumindest die Union, im parlamentarischen Verfahren noch einmal geprüft werden und möglicherweise entscheidet man sich dafür. Haben Sie Hoffnung, dass da noch nachgebessert wird?

    Ondracek: Ich hoffe, dass da nachgebessert wird. Nachdem ja im Finanzausschuss dieses im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz schon eigentlich unumstritten war, verstehe ich jetzt überhaupt nicht, dass die Bundesregierung das nicht von Anfang an reinschreibt. Aber ich hoffe sehr stark, dass die Abgeordneten das nachbessern an der Stelle.

    Raith: Sie halten den Gesetzentwurf für verwässert. Glauben Sie, die Regierung will zukünftig nicht mehr auf die Einnahmen durch Selbstanzeigen verzichten?

    Ondracek: Das ist möglicherweise der Grund, dass man sagt, so kommen auf bequeme Art und Weise Gelder in die Kasse, aber das ist kein Zustand, den ein Rechtsstaat tolerieren kann. Es ist ein Offizialdelikt, Steuerhinterziehung muss verfolgt werden und die zuständige Behörde, das heißt also die Steuerverwaltung, muss alles tun, um die Straftäter festzustellen und aufzudecken und diese an die Kasse zu holen. Aber das erfordert natürlich die Hilfe des Gesetzgebers in der Form, dass genügend Planstellen zur Verfügung gestellt werden, um die Ermittler eben auch dazu in die Lage zu versetzen, und erfordert auch vom Gesetzgeber, dass man im Vorermittlungswege schon den Zugang zu den Banken hat, damit man die Spur überhaupt aufnehmen kann. Das wäre Grundbedingung, und vor allen Dingen diese Punkte wollte man offenbar nicht. Deswegen sagt man lieber, wir lassen den bequemen Weg, Geld in die Kasse zu lotsen, alleine durch Drohungen, durch den Ankauf von CDs bestehen, denn das ist bequemer, das Geld einzunehmen, als konsequent die Straftäter zu verfolgen.

    Raith: Einschätzungen von Dieter Ondracek, dem Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, zum neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen Steuerflucht. Besten Dank für das Gespräch, Herr Ondracek.

    Ondracek: Bitte schön. Auf Wiederhören.