Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Maschinenbauer in Sachsen-Anhalt
Leiden unter den Russland-Sanktionen

Die westlichen Sanktionen haben Russlands Wirtschaft in eine tiefe Rezession gestürzt. Darunter leiden nicht nur russische Verbraucher, sondern zunehmend auch die deutschen Exporteure. Besonders hart trifft es ostdeutsche Maschinenbauer. Hatte man hier aufs falsche Pferd gesetzt?

Von Christoph Richter | 02.04.2015
    Blick in eine Werkshalle des Antriebsspezialisten Wittenstein am 13.10.2014 im Zahnradwerk in Fellbach (Baden-Württemberg).
    Den Maschinenbau treffen die Russland-Sanktionen besonders hart. (picture-alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    "Wir haben tiefe Sorgenfalten auf der Stirn", sagt beispielsweise Heiko Koschmieder, Geschäftsführer der FEAG GmbH, ein großer Elektroanlagenbauer in Sangerhausen im Südharz. Nach eigenen Angaben rechnet man dieses Jahr mit einem Umsatzeinbruch von 15 Prozent. Die Auswirkungen konnte man bisher über Gleitzeit bzw. Urlaubskonten abfedern. Weitere Maßnahmen, wie Kündigungen oder Kurzarbeit seien aber nicht auszuschließen. Seine Firma verdiene jeden fünften Euro in Russland, so Koschmieder weiter. Eine Strategie, die nicht mehr tragfähig sei, weshalb man nun die Märkte in China und dem Mittleren Osten besonders im Blick habe.
    Der Vorwurf, sachsen-anhaltische Unternehmen hätten zu einseitig auf russische Märkte gesetzt, bestreitet Außenwirtschaftsexperte Andreas Kerzig von der Industrie-und Handelskammer in Magdeburg.
    "Kann schon sein, dass der eine oder andere, da ein bisschen blauäugig war. Aber man kann das nicht verallgemeinern."
    Traditionell gute Geschäftsbeziehungen in die Ex-Sowjetunion
    Zur Erinnerung: Da in Sachsen-Anhalt viele Unternehmen aus DDR-Kombinaten hervorgegangen sind, existieren heute noch traditionell gute Geschäftsbeziehungen
    mit einst sowjetischen jetzt russischen Partnern, die die politische Wende überdauert haben.
    "Polen, was nach wie vor der absatzstärkste Markt der sachsen-anhaltischen Unternehmen ist und in Übersee waren es die Vereinigten Staaten. China, Indien, Japan mit ganz starken Zuwächsen und Korea, auf diese Märkte sollten sich unsere Unternehmen verstärkt konzentrieren."
    In der Investitionsgüterindustrie seien Zeiträume von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren – von der Akquisition bis zum ersten Projekt – jedoch nicht unüblich, weshalb die Umsatzeinbrüche infolge der Russland-Sanktionen nicht kurzfristig kompensiert werden könnten, ist aus Unternehmerkreisen zu hören.
    Auch beim 2.000 Mitarbeiter großen Förderanlagenhersteller FAM – Jahresumsatz 300 Millionen Euro - schaut man besorgt in die Zukunft. Nach Angaben der Geschäftsführung rechnet man mit einem Wegfall russischer Absatzmärkte über Jahre hinaus, erst kürzlich seien drei Projekte im hohen zweistelligen Millionenbereich storniert worden. Beim Magdeburger Traditionsunternehmen Vakoma - dass Zementwerke und Erdölraffinerien mit maßgeschneiderten Hochdruck-Systemen beliefert - musste man dagegen bereits Insolvenz anmelden. Dazu Frank Thiel, der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken in Sachsen-Anhalt:
    "Das Dilemma besteht darin, dass wahrscheinlich langfristig die grundsätzlichen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland gestört sind. Dass das gegenseitige Vertrauen auf einen Tiefpunkt gelangt ist und das ist das Schlimmste was für Handelsbeziehungen passieren kann."
    Ein weiterer Grund der wirtschaftlichen Probleme ist der Verfall des Rubels, der die Einfuhren aus Deutschland stark verteuert hat. Allein im vergangenen Jahr hat die russische Währung 40 Prozent ihres Wertes verloren.
    Hilferuf an die Politik
    2014 gab es nach Angaben der IHK in Sachsen-Anhalt einen Exporteinbruch in Richtung Russland von knapp 13 Prozent. Der Warenverkehr in Richtung Ukraine ging im gleichen Zeitraum um gar 34 Prozent auf 171 Millionen Euro zurück. Dimensionen die gerade für mittelständische sachsen-anhaltische Unternehmen, die sich nach dem Mauerfall mühsam in den Markt zurückgekämpft haben, nur schwer abzufedern sind. Andreas Kerzig von der IHK in Magdeburg bezeichnet die Lage für Unternehmen in Sachsen-Anhalt gerade im Schwermaschinen – und Anlagenbau – der traditionell einer der Schwerpunktindustrien in Sachsen-Anhalt ist - als dramatisch.
    "Gerade in der russischen Wirtschaft ist ja eigentlich auch ein Riesen-Bedarf da, die ganze russische Wirtschaft muss modernisiert werden."
    Die betroffenen Unternehmen in Sachsen-Anhalt erwarten jetzt klare Worte der Bundesregierung und wirtschaftliche Hilfen seitens der Politik.