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Mehr, aber nicht genügend Plätze

Ab dem 1.8. hat jedes einjährige Kind Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Eine Überprüfung in Rheinland-Pfalz ergab: Rund 1000 Kita-Plätze werden zum Stichtag fehlen. Die Folgekosten können viele Kommunen nicht tragen.

Von Ludger Fittkau | 19.07.2013
    Der Spielplatz der evangelischen Kita in der Wormser Judengasse. Obwohl Ferien sind, herrscht auf dem Klettergerüst und im Sandkasten munteres Treiben. Sabine Glaser, die Leiterin der Einrichtung, achtet darauf, dass die Kinder in der Sommerhitze nicht zu lange draußen toben:

    "Wir betreuen zurzeit Kinder aus 18 Nationalitäten. Kinder aus der Türkei, aus Bulgarien, Italien, Polen…"

    Obwohl allein diese Kita im alten jüdischen Viertel von Worms 100 Plätze bietet, reicht das Angebot an Kita-Plätzen gerade im Zentrum der rheinland-pfälzischen Stadt längst nicht aus. Auch die gesetzlich garantieren Betreuungsplätze für Kinder mit vollendetem erstem Lebensjahr wird Worms ab dem 1. August nicht bereitstellen können, so Bürgermeister Georg Büttler:

    "Wir werden einen weiteren Neubau hier schaffen müssen, da geht kein Weg dran vorbei. Und es gibt die Prognose, dass am Ende vielleicht so 140 Plätze noch fehlen. Aber das wollen wir dann mal sehen, wie die Nachfrage tatsächlich ist."

    Ein Spielplatz am Mainzer Rheinufer. Auf der Wippe sitzt Jaqueline Oberfrank hat mit ihrem zweijährigen Sohn Ede im Arm. Eigentlich hat sie in Rheinland-Pfalz jetzt schon einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kita-Platz. Nur – den gibt es eben für Ede nicht in Mainz:

    "Also wir haben uns bei fast allen Kitas beworben in Mainz und haben keinen Platz bekommen. Deswegen haben wir uns jetzt eben eine Tagesmutter genommen und hoffen, dass wir das Geld zurückkriegen."

    5 Euro 50 kostet die Tagesmutter in Mainz, 4 Euro 50 übernimmt das Jugendamt. Jaqueline Oberfrank zahlt den Euro pro Stunde – obwohl sie es laut Gesetz eigentlich für einen Kitaplatz für den zweijährigen Ede nichts bezahlen müsste:

    "Wenn man es eigentlich umsonst kriegt in Rheinland-Pfalz ist das schon ärgerlich."

    Erste Klagen haben Eltern gegen die Stadt Mainz schon eingereicht, um ihren Rechtsanspruch durchzusetzen. Obwohl schwer zu sagen ist, wie groß die Nachfrage nach Kita-Plätzen für Einjährige nach dem Stichtag 1. August tatsächlich sein wird: Rund 1000 Betreuungsplätze werden landesweit erst einmal fehlen. Den Städten bleibt nichts anderes übrig, als weiterzubauen. Allein in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstad hat man im kommunalen Doppelhaushalt 2013/2014 insgesamt 27 Millionen Euro für den Bau neuer Kitas eingestellt. Vom Bund bekommt die Stadt Mainz aktuell allerdings lediglich 1,3 Millionen zusätzlicher Mittel, kritisiert der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Er fühlt sich von der Bundesregierung "grandios im Regen stehen gelassen". Auch bei den Betriebskosten für die zusätzlichen 150 Gruppen a 15 Kinder, die allein in diesem und im nächsten Jahr geschaffen werden, so Ebling:

    "Bei uns kostet eine Gruppe durchschnittlich mindestens 400.000 Euro. Und die dauerhafte Unterhaltung schlägt natürlich auch im Haushalt zu gute. Besonders wenn wir dann an das Personal denken. Insofern wäre es für die Kommunen immer hilfreicher, wenn wir auch wüssten, dass es eine dauerhafte Beteiligung an den Betriebskosten gäbe."

    Ein Drittel davon solle der Bund an den laufenden Kosten übernehmen, fordert der Mainzer Oberbürgermeister. Denn mehr als 10 Millionen Euro Folgekosten pro Jahr muss das hochverschuldete Mainz durch den forcierten Kita-Ausbau in den letzten Jahren zusätzlich berappen. Oberbürgermeister Michael Ebling:

    "Das ist eine Menge Holz und das ist für eine Stadt, die wie nahezu alle Kommunen in Deutschland wenig Geld haben, ein echter Kraftakt. Wir machen ihn gerne, aber schöner wäre es, man hätte uns finanziell ein bisschen mehr dabei geholfen, als das jetzt der Fall ist."

    Anders als in Mainz, Worms oder Trier stehen in kleineren Kommunen in Rheinland-Pfalz oft genügend Kita- Plätze zur Verfügung. Aber auch dort kämpfen die Verantwortlichen mit den enormen Folgekosten des Betreuungsangebotes, dass sie bereit stellen.
    Dietmar Muscheid engagiert sich kommunalpolitisch in der 2500 Einwohner zählenden Gemeinde Lörzweiler in Rheinhessen:

    "Ich selbst erlebe im Moment, wir müssen eine Kita energetisch sanieren. Das kostet sehr viel Geld und übersteigt die Haushaltsmöglichkeiten der Gemeinde. Aber damit ist die Gemeinde alleine gelassen. "