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Schutz der deutschen Nordsee
Die Gefahr durch havarierte Schiffe steigt

Wenn havarierte Schiffe vor der Küste treiben, kann es schnell zur Katastrophe kommen. Da immer mehr und immer größere Schiffe vor deutschen Küsten unterwegs sind, fordern Anrainer zusätzliche Bergungsschlepper. Doch der Bund sieht keinen Bedarf.

Von Lutz Reidt | 06.01.2023
Der Bergungsschlepper "NORDIC" in voller Fahrt in der Nordsee vor der ostfriesischen Insel Borkum.
Die "Nordic" ist der einzige deutsche Bergungsschlepper dieser Art (picture alliance / Ingo Wagner / Ingo Wagner)
Das Wetter ist heute nicht auf der Seite von Ulrich Birstein, dem Lotsen an Bord der "Blidoe". Der gut 100 Meter lange Frachter hat am Nachmittag den Nordsee-Hafen von Husum verlassen, in dämmerigem Licht arbeitet sich das Schiff durch die See. Helle Schaumkronen tanzen auf schwarzgrauem Wasser, der Wind frischt merklich auf. Beim Blick hinaus erkennt Ulrich Birstein erste Schneeflocken, die am Fensterglas zerstieben: „Also südlich vor Nordstrand kann man deutlich sehen, wie sich da eine ziemlich dunkle Wolkenwand aufbaut, mit Wetterleuchten und allem drum und dran; das sieht aus wie Schneeschauer, der da auf uns zukommt; und eine entsprechende Böenwarnung hatten wir auch.“
Ulrich Birstein ist meist auf der Elbe unterwegs. Mit viel Erfahrung und detaillierter Kenntnis der Fahrrinnen helfen er und seine Kollegen den Kapitänen großer Schiffe durch unsichere Gewässer zu kommen. Die "Blidoe" trägt die Flagge Zyperns, sie war zur Reparatur im Husumer Dock. Jetzt geht es endlich los, vorbei an einem besonders sensiblen Gebiet, dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, weiter bis zur Elbmündung bei Brunsbüttel, und dort durch die Schleuse in den Nord-Ostsee-Kanal. Ziel ist der Ostsee-Hafen von Parnu in Estland.
Ulrich Birstein hat die Diktierfunktion seines Tablets aktiviert und schildert seine Eindrücke. Rund acht Stunden wird diese Fahrt dauern - über eine unruhige Nordsee und durch dichtes Schneegestöber. „Ja, so mit Dunkelwerden sieht man nun deutlich hier das Wetterleuchten der aufziehenden Schneefront, die da jetzt kommt,“ sagt Birstein: „Und ich denke, das wird von der Sicht her noch viel schlechter werden.“

Risiko von Havarien steigt zusehends

Das Risiko fährt immer mit. Menschen an Bord können Fehler machen, auch vor technischen Defekten ist die Schifffahrt nicht gefeit. Es ändert sich zudem vieles auf dem Wasser, nicht nur an den Fahrrinnen: Off-Shore sind Windparks zur Stromerzeugung entstanden und vor den deutschen Küsten sind mehr und mehr Großcontainerschiffe unterwegs, aber auch LNG-Tanker, die flüssiges Erdgas zu Terminals transportieren.
Aus Sicht der „Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste“ wächst das Risiko von Havarien zusehends. Etwa 200 Nordsee-Anrainer haben sich in diesem Dachverband zusammengeschlossen, Städte und Dörfer, Landkreise, Naturschützer. Lotse Ulrich Birstein ist der stellvertretende Vorsitzende. Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste weist daraufhin, dass vor den ostfriesischen Inseln eine der weltweit am stärksten frequentierten Schiffahrtsrouten verläuft. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens müsse man jederzeit mit einem Zitat „Super-Gau“ rechnen, so der Dachverband.
Um das zu verhindern, gebe es aber nicht genügend Bergungsschlepper, die ein in Not geratenes Schiff rechtzeitig an den Haken nehmen und so vor einer Strandung oder Kollision bewahren könnten. Die Angst vor einer Umweltkatastrophe im Urlaubsparadies an der Küste ist groß - es wäre nicht das erste Mal.
Ulrich Birstein erklärt: „Dort, wo diese schwarze Wolkenwand sich jetzt aufgebaut hat, man auch deutlich das Wetterleuchten sieht, dort liegt eben südwestlich der Insel Amrum das Wrack der Pallas - das ist dieser kleine Holzfrachter gewesen, der da mit seinem Bunkeröl eben diese enorme Verschmutzung gemacht hat vor 25 Jahren. Genau den würde man aber nicht sehen können. Dafür sind wir viel zu weit weg. Bei gutem Wetter sieht man ihn allerdings von den Inseln. Und wenn man draußen entlang fährt Richtung Sylt, sieht man ihn deutlich liegen bei Niedrigwasser. Der liegt da auf einer Sandbank.“
Vor knapp 25 Jahren, am 25. Oktober 1998, bricht vor der dänischen Nordsee-Küste auf dem Holzfrachter „Pallas“ ein Feuer aus, das schnell außer Kontrolle gerät. Hubschrauber können zwar die Besatzung in einer dramatischen Rettungsaktion evakuieren. Doch die tosenden Herbststürme treiben die führerlose Pallas nach Süden, vor die deutsche Küste. An Sylt vorbei driftet das lichterloh brennende Geisterschiff weiter, bis es vier Tage später vor Amrum auf Grund läuft.
Der auf Grund liegende Frachters "Pallas" liegt 1998 havariert vor der Insel Amrum
Der Frachter "Pallas" war für eine der größten Naturkatastrophen in der Nordsee verantwortlich. (picture-alliance / dpa / Rolf Rick)
Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer - in dieser Funktion auch für den Küstenschutz zuständig - war damals noch Student in Göttingen. Er sagt: „Das war eine der größten Ölkatastrophen, wo viele Tausend Vögel am Ende starben. Wir hatten vorher das Seehundsterben. Sehr wohl kann ich mich noch erinnern, es gab die Frage: Gibt es genug Schiffe? Wie kann man dieses Öl auffangen? Was passiert mit dem Schiff, was da ins Wattenmeer eindrang und die Umwelt gefährdete? Das war schon ein sehr großes Drama.“
Mindestens 12.000 Seevögel kamen damals um. Zahlreiche Havarien und Zwischenfälle gingen hingegen in den Folgejahren glimpflich aus. So lief im Oktober 2017 der Frachter „Glory Amsterdam“ vor Langeoog im „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ auf Grund - mit 140 Tonnen Marinediesel und 1.800 Tonnen Schweröl an Bord. Deutschen Bergungsschiffen gelang es nicht, den Frachter zu befreien. Letztendlich schafften es zwei Schlepper, die aus den Niederlanden herbeigeholt wurden.

Immer größere Containerschiffe

Im Januar 2019 dann geriet das Riesencontainerschiff "MSC Zoe" auf dem Weg von Rotterdam nach Bremerhaven in einen Sturm vor Borkum, ein Teil der Ladung ging über Bord - insgesamt 342 Container, darunter einige mit Gefahrgut. Über Monate hinweg spülte die Nordsee Treibgut an die Strände der niederländischen und deutschen Inseln.
Containerschiffe werden größer, das soll Kosten sparen. Der Meteorologe Birger Tinz vom Deutschen Wetterdienst in Hamburg erklärt, warum sie besonders windanfällig sind: „Man kann die großen Containerschiffe, die bis über 20.000 Container fassen können, ja auch als schwimmende Hochhäuser bezeichnen. Sie haben einen relativ geringen Tiefgang von zehn, 15 Metern, sind aber wesentlich höher, so 30, 40, 50 und noch mehr Meter Höhe; und haben so gesehen eine sehr große Empfindlichkeit gegenüber Seitenwinden.“
Und sie können auch einen Teil der Ladung verlieren, wenn die Sicherungseinrichtungen der Kraft der Elemente nicht mehr standhalten. Die haushohen Containerstapel bieten dem Sturm eine große Angriffsfläche – das gilt auch für Flüssiggastanker mit ihren hohen Aufbauten. Tinz sagt dazu: „Es ist auch so, dass natürlich jeder Wind für ein Schiff unangenehm ist. Und gerade bei den Stürmen ist es ja auch so, dass auch noch Böen auftreten. Also die Windgeschwindigkeit ist nicht konstant bei einer Windstärke, sondern sie schwankt auch. Und diese Schwankungen können auch dazu führen, dass eben zum Beispiel auch Container losgerissen werden und ähnliches passiert.“
Die «Mumbai Maersk» fährt begleitet von Schleppern in den Hafen.
Das Containerschiff "Mumbai Maersk" war im Februar 2022 vor der Nordseeinsel Wangerooge havariert. (picture alliance / dpa / Sina Schuldt)
Dass der Inhalt zerborstener Container an die Strände gespült werden könnte - diese Befürchtung äußerte zuletzt auch der Wangerooger Inselbürgermeister Marcel Fangohr im NDR. Der 400 Meter lange Containerriese "Mumbai Maersk" steckte im Februar 2022 in der Wesereinfahrt auf einer Untiefe mit Baggergut fest. Fangohr sagte: „Wenn denn der Sturm zunimmt, wenn der Wind zunimmt, dann ist natürlich dann auch vielleicht die Gefahr sehr groß, dass Container dann von diesem Schiff herunterfallen könnten und dann natürlich in die Deutsche Bucht treiben und vielleicht sogar hier bei uns am Strand ankommen; und da muss natürlich alles getan werden, dass dies nicht passiert und dass das Schiff schnellstmöglich befreit werden kann.“

Der Hochseebergungsschlepper „Nordic“

Zuständig dafür ist das Havariekommando in Cuxhaven. Seinen einzigen Hochseebergungsschlepper, die „Nordic“, konnte das Bergungsteam im Februar jedoch nicht einsetzen. Das knapp 50 Millionen Euro teure und 2011 in Dienst gestellte Spezialschiff lag zur Reparatur im Dock - wegen eines Schadens nach einem vorausgegangenen Einsatz.
Folglich setzte das Havariekommando seine beiden Mehrzweckschiffe ein. Die Besatzungen der „Mellum“ und der „Neuwerk“ konnten das havarierte Schiff zwar an den Haken nehmen, es gelang ihnen jedoch nicht, die "Mumbai Maersk" in tieferes Wasser ziehen.
Dies glückte erst Tage später einem eigens aus Rotterdam herbeigeeilten Bergungsschiff, im Verbund mit einigen kleineren Schleppern. Eine Springflut mit besonders hohen Wasserständen schaffte dafür günstige Voraussetzungen.
Bürgermeister Marcel Fangohr war zwar erleichtert über den glimpflichen Verlauf, äußerte aber auch Kritik. Er sagte: „Es kann nicht immer nur sein, dass man eben Schiffe aus den Niederlanden holen muss und warten muss, bis die hier sind, damit man so eine Havarie bekämpfen kann; und deswegen ist unsere Forderung eben auch, dass der Staat auch wirklich dementsprechend ausgestattet wird; das heißt Bund, Land dann eben auch Schiffe haben, die jederzeit einsatzfähig sind und so ein Riesenschiff dann eben auch wieder freimachen können.“

Ein zweiter Hochseebergungsschlepper

Die Kernforderung der Nordseeanrainer bleibt bestehen: Ein zweiter Hochseebergungsschlepper müsse her. Das Havariekommando in Cuxhaven wollte sich dazu nicht in einem Interview äußern. In einer schriftlichen Stellungnahme antwortet die Behörde, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht: „Erst 2018 ist der Bedarf an Notschleppern im Zuge der Überarbeitung des Notschleppkonzepts für die Deutsche Küste evaluiert worden. Der im Konzept festgelegte Qualitätsstandard besagt, dass jeder Havarist in den Hauptschifffahrtswegen bei einer definierten Sturmlage innerhalb von zwei Stunden erreicht werden muss. Dies wird durch die Positionierung der derzeit drei Notschlepper und Mehrzweckschiffe gewährleistet.“
Drei Schiffe, aber nur eines davon ist ein Notschlepper. Dass er bei der Bergung der „Mumbai Maersk“ nicht einsatzfähig war und die beiden Mehrzweckschiffe scheiterten, befeuert die Kritik am Notschleppkonzept der Bundesregierung. 
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer von den Grünen sieht den Bund in der Bringschuld. Er sagt: „Auf jeden Fall finde ich es sinnvoll, dass wir überprüfen müssen, ob der Schutz vor Havarien und Zwischenfälle im Wattenmeer ausreichend ist. Wir haben gerade auf der letzten Umweltministerkonferenz unter meinem Vorsitz noch mal gemeinsam einstimmig den Bund aufgefordert zu überprüfen, ob wegen zunehmendem Schiffsverkehr, zunehmenden Gefahren, die dort entstehen, ob es nicht notwendig ist, den Schutz vor solchen Unfällen deutlich zu verstärken.“

Keine Frage der Stationierung

Die "Blidoe" nimmt weiter Kurs Richtung Süden, zieht weiter Richtung Elbmündung. Die Sicht ist besser geworden, es hat aufgehört zu schneien. Lotse Ulrich Birstein kennt das Notfallkonzept des Bundes: Es sei richtig, dass der einzige Bergungsschlepper, die „Nordic“, seine Stand-by-Position vor Norderney hat - also dort, wo auch die meisten Schiffe an der deutschen Küste vorbeiziehen.
Und auch, dass er sich bei einer Sturmlage vor Helgoland positioniert, um von dort im Falle einer Havarie jeden beliebigen Einsatzort in der Deutschen Bucht frühzeitig erreichen zu können, gehört zum Konzept. Das setze aber voraus, so schränkt der Lotse ein, dass der Schlepper nicht gerade anderweitig im Einsatz ist oder im Dock repariert wird.
Birstein sagt: „Es geht eigentlich im Prinzip nicht darum, wo der Schlepper stationiert ist, sondern eigentlich darum, dass es zwei sein müssten. Einer ist unserer Ansicht nach eben nicht mehr genug. In Anbetracht der größer werdenden Schiffe und in Anbetracht der enger werdenden Fläche und der ganzen Flächenverteilungskämpfe, die da jetzt stattfinden; wenn man den Schiffen die sichere Durchfahrt im Prinzip versperrt, müssen wir andere Redundanzen schaffen, um eben genau solche Strandungen zu verhindern, wie wir das damals zum Beispiel bei der 'Pallas' hatten.“
Birstein blickt aus dem Fenster der Brücke in Richtung Offenes Meer. Deutlich ist der weiße Doppelblitz des Leuchtturms von Helgoland zu erkennen. Das Leuchtfeuer hilft den Seefahrern bei der Orientierung.
Nördlich von Helgoland kann der Lotse sehen, wie heftig die Flächenverteilungskämpfe auf See geworden sind. Er blickt auf eine Masse aus unzähligen roten Blinklichtern und sagt: „Es ist ja nun deutlich zu sehen, nachdem diese ganze Schnee-Böen-Geschichte nun hier durchgegangen ist und die Sicht wieder aufklart, sieht man jetzt deutlich da, also an unserer Steuerbordseite, im Prinzip nordwestlich, blinkt es ordentlich, leuchtet rot. Es ist also deutlich Lichtverschmutzung da, ein rotes Geblinke, es ist also deutlich, viel.“
Diese Windparks machten die Schifffahrt nicht einfacher in der Deutschen Bucht, sagt der Lotse. Und bis zum Jahr 2045 soll die erzeugte Windenergie im deutschen Teil der Nordsee um das Zehnfache wachsen - es werde also noch deutlich enger zugehen auf dem Meer. Die gestaffelten Pfeiler der 150 Meter hohen Windräder könnten für ein manövrierunfähiges Schiff zum Verhängnis werden.
Birstein sagt: „Deswegen machen es diese Windparks, die sich ja im Prinzip riffähnlich gestalten oder steilküstenähnlich gestalten, durchaus nicht viel besser. Also, das muss nicht der Tanker sein, da reicht auch schon das Großcontainerschiff, das fährt in seinen Betriebsstofftanks deutlich mehr Kraftstoff als jeder kleine Küstentanker. Das ist einfach so.“
Den Bau und den Betrieb der Windparks in der deutschen „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ - überwacht das BSH, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg. Dort leitet der Jurist Nico Nolte die zuständige Abteilung „Ordnung der Meere“.
Nolte sagt: „Wir haben im Raumordnungsplan sichergestellt, dass es eine Trennung gibt zwischen Bereichen für Offshore-Windenergie und den Bereichen, die für die Schifffahrt vorgesehen sind. Die wurden als Vorranggebiete festgelegt, das heißt: dort darf es keine Bebauung geben und mit dieser Anordnung haben wir sichergestellt, dass also die Belange der Offshore-Windenergie und der Schifffahrt gleichermaßen berücksichtigt werden können.“

Private Notschlepper beauftragen

Nico Nolte verweist darauf, dass allein die Hauptschifffahrtsroute vom Ärmelkanal Richtung Skandinavien auf rund 30 Kilometern Breite frei ist - also unbebaut. Auch die anderen Routen seien viele Kilometer breit, um einen sicheren Schiffsverkehr zu gewährleisten.
Allerdings: Vor 25 Jahren trieb das Geisterschiff "Pallas" rund 50 Seemeilen weit von dänischen in deutsche Gewässer, bis es auf einer Sandbank bei Amrum strandete - das entspricht einer rund 90 Kilometer langen Irrfahrt ins Ungewisse. Dass ein havariertes Schiff so in einen Nordsee-Windpark gerät, ist durchaus möglich.
Um das zu verhindern, nimmt das Bundesamt die Windparkbetreiber in die Verantwortung. Sie müssen private Schlepper anheuern. Nolte sagt dazu: „Das BSH ordnet an, dass der Windparkbetreiber einen privaten Notschlepper beauftragt. Das heißt, er ist auch dafür verantwortlich und muss die Kosten tragen. Also das geeignete Personal muss natürlich auch dann auf so einem Notschlepper tätig sein, die in der Lage sind, dann eben ein driftendes Schiff an den Haken zu nehmen und eine Kollision zu verhindern.“
Offen ist, wann das Bundesamt diese Anordnung konkret treffen wird. Und ob der Notschlepper ganzjährig und rund um die Uhr in Bereitschaft zu sein hätte - so wie es die Nordsee-Anrainer fordern. Oder ob die Windparkbetreiber ihn erst dann chartern, wenn aufgrund widriger Witterung das Risiko für Havarien steigt.
Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer hofft, dass hier nicht am falschen Ende gespart wir: „Natürlich muss man in den Genehmigungsverfahren für die Offshore-Windanlagen auch den Katastrophenschutz ausreichend berücksichtigen. Und wenn es dort notwendig ist, dass die Havariekommandos zusätzliche Schleppkapazitäten brauchen, dann sind die auch zu gewährleisten. Aber wir haben auch die anderen Herausforderungen: Momentan haben wir zunehmende LNG-Transportschiffe, die mit Gas auf den Meeren kommen. Es gibt immer größere Transportschiffe. Und deshalb müssen wir den Havarieschutz auf einem höchsten Niveau haben. Sparen oder Einsparungen darf es dort nicht geben, sondern es ist eine gut angelegte Investition in den Schutz unseres einzigartigen Weltnaturerbes. Das Wattenmeer ist ein weltweit einmaliger Lebensraum und der darf niemals gefährdet werden.“
Die "Blidoe "hat die Elbmündung erreicht, wenn die Ebbe einsetzt, das Wasser abläuft, gewinnt der Gegenstrom der Elbe an Wucht, mit Mühe kämpft die Maschine des Frachters dagegen an.
Hier im Umkreis liegen rund 2.000 Wracks auf dem Grund, die bei Niedrigwasser zum Teil auch zum Vorschein kommen. Sinnbild für die Gefahren entlang dieser Küste, mit unzähligen Sandbänken und Untiefen.
Das Wrack des Frachters "Pallas" liegt südwestlich der Insel Amrum in der Nordsee.
Das Wrack der Pallas vor Amrum ist nicht bei jedem Wetter zu erkennen. (picture alliance / dpa / Carsten Rehder)
Birstein sagt: „Es gibt hier Gegenden, da sind Mahlsande, das ist zum Beispiel bei der 'Pallas' der Fall, das heißt der Sand bewegt sich auch. Wenn das unterspült ist, dann kann so ein Schiff auch durchbrechen. Die Gefahr hat auch durchaus bei der 'Mumbai Maersk' bestanden, als die dort in der Wesermündung saß. Und das ist eine Gefahr, die ist nicht zu unterschätzen. Das Schiff ist nicht für eine Punktbelastung gebaut und biegt sich dann durch sein Eigengewicht durch. Und dann sind durchaus mehr als ein Tank betroffen und dann haben wir die Schweinerei.“
Diesmal jedoch geht es ohne Probleme durch die Nacht. Der Schneefall hat wieder zugenommen. Lichter an der Backbordseite signalisieren: Brunsbüttel ist nicht mehr weit.
In wenigen Minuten macht das Lotsenboot an der "Blidoe" fest. Dann folgt der Wechsel. Ulrich Birstein geht nach rund acht Stunden Fahrt von Bord. Ein Kollege übernimmt und lotst die "Blidoe" durch die Schleuse in den Nord-Ostsee-Kanal - zur Weiterfahrt nach Parnu in Estland, wo eine Ladung Holz auf den Frachter wartet.