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Meister: Bundespräsident ist noch handlungsfähig

Nur der Bundespräsident selbst wisse, inwieweit die Vorwürfe gegen ihn Substanz hätten, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Meister. Wenn der Bundestag über die Frage der Immunität entschieden habe, sei eine Einschätzung von Christian Wulff fällig.

Michael Meister im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat also gestern beim Bundestag die Aufhebung der Immunität beantragt, um gegen Bundespräsident Christian Wulff wegen Vorteilsnahme und Gewährung ermitteln zu können. Am Telefon ist Michael Meister, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!

    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Meister, muss Christian Wulff jetzt vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten?

    Meister: Also zunächst einmal steht fest, die Staatsanwaltschaft ist aufgrund öffentlicher Berichte der Meinung, es besteht ein Anfangsverdacht. Da gilt aber immer noch die Unschuldsvermutung. Ich glaube, als erstes stellt sich jetzt mal die Frage, wie geht der deutsche Bundestag mit der Fragestellung um, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben. An der Stelle vertrete ich die Auffassung, Immunität ist nicht da, um einzelne Personen vor Strafverfolgung zu bewahren, sondern die Funktionsfähigkeit unserer demokratischen Instanzen zu wahren. Und wenn der Antrag der Staatsanwaltschaft, den ich gegenwärtig nicht kenne, sondern nur Medienberichte dazu, hinreichend deutlich macht, dass es hier ein Aufklärungsbedürfnis gibt, dann gehe ich davon aus, dass der Immunitätsausschuss und das Plenum des deutschen Bundestages diesem Antrag auch zustimmen wird.

    Heinemann: Sollte Christian Wulff sich und uns dieses quälende Prozedere ersparen?

    Meister: Das ist eine Frage, die müssen Sie an ihn richten. Er weiß, inwieweit der Verdacht, der jetzt von der Staatsanwaltschaft erhoben wird, tatsächlich Substanz hat oder nicht. Das ist die eine Frage, die kann nur Christian Wulff beantworten. Und die zweite Frage an der Stelle ist, wie kann man sozusagen, wenn dann solche Ermittlungen beginnen sollen, das mit der Amtsführung in geeigneter Weise verbinden. Auch dazu muss der Bundespräsident selbst eine Einschätzung haben, deshalb halte ich wenig davon, dass da jetzt andere sich zu dieser Frage äußern, sondern ich glaube, wenn der deutsche Bundestag über die Frage Immunität entschieden hat, ist es an der Zeit, dass der Bundespräsident hierzu selbst eine Einschätzung gibt.

    Heinemann: Ich will die Frage nach der Handlungsfähigkeit zuspitzen: Kann man sich vorstellen, dass Wulff Staatsgäste empfängt, während gleichzeitig die Staatsanwaltschaft Schloss Bellevue durchsucht?

    Meister: Ich glaube, dazu muss er eine Einschätzung haben, weil er auch bewerten kann, welche Substanz hinter dieser Diskussion steckt. Und ich glaube, vor diesem Hintergrund muss er dann eine Entscheidung treffen, ob er das für vereinbar hält oder nicht. Ich glaube, alle anderen können sich da zwar kraftvoll zu äußern, aber letztendlich keine wirkliche Einschätzung dazu haben.

    Heinemann: Herr Meister, hat Christian Wulff das Amt des Bundespräsidenten beschädigt?

    Meister: Also ich glaube, die Diskussion, die wir jetzt seit Wochen haben, ist zumindest dem Amt und auch der Person nicht zuträglich. Das ist sehr bedauerlich, das hätte man sich alles anders wünschen können. Aber ich glaube, auf der anderen Seite muss man auch, wenn man die einzelnen Vorwürfe sieht bisher, sehen, aus meiner Sicht gibt es keinen für sich genommen, der dazu führt, dass man sagen muss, jetzt muss ein Bundespräsident zurücktreten.

    Heinemann: Ist es die Berichterstattung, die anrüchig ist, oder ist es die Art und Weise des Umgangs mit dieser Affäre?

    Meister: Ich glaube, beides. Es ist mit Sicherheit an einigen Stellen in einigen Medien ein etwas seltsamer Umgang mit dem Bundespräsidenten und dem Amt des Bundespräsidenten, es ist aber mit Sicherheit auch an einigen Stellen nicht sehr geschickt agiert worden in der Fragestellung: Wie reagiert man auf solche Behauptungen und solche Fragestellungen?

    Heinemann: Sehen Sie den Präsidenten noch handlungsfähig?

    Meister: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja.

    Heinemann: Ist - wäre ein Rücktritt, wenn er denn käme, auch eine Niederlage für Angela Merkel? Es wäre immerhin der zweite Bundespräsident, der vorzeitig aus dem Amt scheidet.

    Meister: Also ich glaube, das hat nichts mit Siegen und Niederlagen von Angela Merkel zu tun. Hier geht es um die Frage, wie das Amt des Bundespräsidenten in der Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland gesehen wird und wie es um die persönliche Zukunft von Christian Wulff bestellt ist. Ich glaube, da geht es nicht um Siege und Niederlagen von Angela Merkel.

    Heinemann: Wie wird dieses Amt denn künftig gesehen?

    Meister: Also ich glaube, bisher hat das Amt ein sehr hohes Ansehen. Es hat die Funktion nach außen und nach innen zu repräsentieren, auch die Gesellschaft ein Stück weit zu integrieren. Und ich will mal drauf hinweisen, dass Christian Wulff aus meiner Sicht - wenn man zum Beispiel das Thema Integration nimmt - durchaus versucht hat, Impulse zu setzen in der richtigen Richtung. Das gerät momentan in der Diskussion etwas in den Hintergrund.

    Heinemann: Könnten Sie sich für die Zukunft, also falls es zu einem Rücktritt käme, einen überparteilichen Kompromiss vorstellen?

    Meister: Ich glaube, dass alle Bundespräsidenten bisher ihr Amt überparteilich wahrgenommen haben. Insofern ist es eigentlich keine Frage.

    Heinemann: Entschuldigung, ich habe die Frage vielleicht falsch gestellt. Nein, also bei der Findung eines neuen Kandidaten für das Amt, ob man da sich auf einen überparteilichen Kompromiss einigen könnte.

    Meister: Also das kommt letztendlich darauf an, dass man einen Kandidaten findet, den man als Persönlichkeit für geeignet hält, der die Kompetenz hat und der dann durch die Amtsführung beweist, dass er überparteilich tätig ist. Alles andere halte ich für ziemlich hergeholt in den Zeiten, in denen andere Mehrheiten in der Bundesversammlung hatten, haben sie auch geguckt, dass sie Leute auswählen, die sie für geeignet hielten, insofern haben wir eine Demokratie, und da sollte die Mehrheit einen geeigneten Kandidaten finden.

    Heinemann: Herr Meister, wem trauen Sie das Amt zu?

    Meister: Ja, momentan dem Amtsinhaber.

    Heinemann: Gut, aber ...

    Meister: Und solange er im Amt ist, stellt sich nicht die Frage, hier neue Namen und neue Ideen ins Spiel zu bringen.

    Heinemann: Michael Meister, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Meister: Bitte schön, Herr Heinemann, schönen Tag!

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