Kanzlerwahlen
Merz erst im zweitem Wahlgang erfolgreich

Es war ein historisches Novum: CDU-Chef Merz fiel im Parlament im ersten Wahlgang durch. Im zweiten Anlauf wählte ihn der Bundestag dann zum Kanzler. Ein Rückblick auf vergangene Kanzlerwahlen. Knapp war es seit 1949 öfter.

    CDU-Chef Friedrich Merz
    Erstmals ist ein designierter Bundeskanzler im ersten Wahlgang nach einer Bundestagswahl durchgefallen: CDU-Chef Friedrich Merz. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber)
    CDU-Chef Friedrich Merz ist der erste Bundeskanzler in der Geschichte der Republik, der einen zweiten Wahlgang im Parlament brauchte. Dabei erhielt er im Bundestag 325 Stimmen. Die absolute Kanzlermehrheit liegt bei 316 Stimmen.
    Im ersten Wahlgang hatten nur 310 Abgeordnete für ihn gestimmt. Merz hatte also 18 Stimmen weniger bekommen als die Koalitionsfraktionen Union und SPD Sitze haben. Nach einer stundenlangen Hängepartie setzte er sich dann in dem zweiten Wahlgang durch.
    Die Wahl des Bundeskanzlers ist geheim und findet ohne vorherige Aussprache statt. Im Grundgesetz heißt es: „Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.“
    Ähnlich spannend war selten eine Kanzlerwahl in der Geschichte der Bundesrepublik. Knappe Abstimmungen aber gab es schon öfter. Ein Rückblick auf die vergangenen Kanzlerwahlen seit 1949:

    Konrad Adenauer und die eigene Stimme

    Bei der ersten Bundestagswahl 1949 setzten sich die Unionsparteien knapp gegen die SPD durch und wurden stärkste Kraft. Doch die Mehrheit für den ersten Kanzler nach Kriegsende war hauchdünn. Es war wohl die eigene Stimme von CDU-Chef Konrad Adenauer, die dafür sorgte, dass der frühere Kölner Oberbürgermeister erster Regierungschef in Westdeutschland wurde.
    Adenauer erreichte exakt die für die absolute Mehrheit erforderliche Mindestzahl von 202 der 402 Abgeordneten-Stimmen. Er blieb 14 Jahre lang Bundeskanzler. Nie wieder war eine Kanzlerwahl so knapp wie bei Adenauers erster Wahl 1949.

    Kanzler des Übergangs: Erhard und Kiesinger

    Ludwig Erhard war ein populärer Wirtschaftsminister. 1963 löste er nach jahrelangen Debatten zwischen CDU/CSU und dem Koalitionspartner FDP den hochbetagten Konrad Adenauer ab. Die Kanzlermehrheit war deutlich (279 Ja- zu 180 Nein-Stimmen), aber Erhard verlor schnell politischen Rückhalt und trat 1966 schon wieder ab.
    Konrad Adenauer und sein Nachfolger als Bundeskanzler, Ludwig Erhard (beide CDU), 1963 im Bundestag.
    Konrad Adenauer (r) und sein Nachfolger als Bundeskanzler, Ludwig Erhard (beide CDU), 1963 im Bundestag. (picture alliance / Associated Press | SANDEN)
    Nach dem Bruch des schwarz-gelben Bündnisses regierte erstmals die SPD als Juniorpartner mit. Die Große Koalition hatte eine überwältigende Mehrheit im Bundestag. Kanzler wurde Kurt-Georg Kiesinger (CDU, in der Nazizeit NSDAP). Das Ergebnis: 340 Abgeordnete stimmten für ihn. Gegen Kiesinger votierten nur 109 Parlamentarier, bei einer ungültigen Stimme und 23 Enthaltungen.

    Willy Brandt – Machtwechsel und Misstrauensvotum

    1969 löste SPD-Chef Willy Brandt Kiesinger als Bundeskanzler ab. Erstmals stellten die Sozialdemokraten den Regierungschef. Zwar hatte die Union bei der Bundestagswahl vorn gelegen, doch Brandt gelang es, ein Bündnis mit der FDP zu schmieden. Die Mehrheit im Bundestag war schmal: Brandt benötigte 249 Stimmen für die notwendige absolute Mehrheit - er erhielt 251 Stimmen.
    Als die Mehrheit der sozialliberalen Koalition in den Folgejahren unter anderem wegen der umstrittenen Ostpolitik bröckelte, beantragte die Union im Jahr 1972 ein konstruktives Misstrauensvotum. Doch der Antrag, den CDU-Politiker Rainer Barzel zum Kanzler zu wählen, scheiterte knapp. Willy Brandt blieb im Amt. Wenige Monate später gewann die SPD deutlich die Bundestagswahl – und Brandt wurde mit 289 Stimmen (203 Nein) erneut zum Kanzler gewählt.

    Helmut Schmidt – Dreimal gewählt, einmal hauchdünn

    1974 trat Brandt zurück. Sein Nachfolger: Helmut Schmidt. Für die absolute Mehrheit benötigte er 249 Stimmen – bei der Abstimmung erhielt er 267 von 492 abgegebenen Stimmen. Bei der Bundestagswahl 1976 schmolz die sozialliberale Mehrheit. Schmidt wurde mit knappen 250 Stimmen im Bundestag wiedergewählt – nur eine über der absoluten Mehrheit von 249 Stimmen. 1980 war die Mehrheit wieder eindeutiger.
    Der Sozialdemokrat und neu gewählte Bundeskanzler Helmut Schmidt (l) legt am 16.5.1974 vor Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (3.v.l.) im Bundestag in Bonn seinen Amtseid ab.
    1974, nach dem Rücktritt Willy Brandts: Helmut Schmidt als neuer Bundeskanzler vereidigt (picture-alliance / dpa / Gerhard Rauchwetter)
    Der Sozialdemokrat aus Hamburg war bisher bisher der einzige per Parlamentsvotum gestürzte Bundeskanzler. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 löste ihn Helmut Kohl (CDU) per konstruktivem Misstrauensvotum ab.
    Der Sozialdemokrat aus Hamburg war bisher der einzige per Parlamentsvotum gestürzte Bundeskanzler. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 löste ihn Helmut Kohl (CDU) per konstruktivem Misstrauensvotum ab.

    Helmut Kohl – Eine Kanzlerwahl war knapp in 16 Kanzlerjahren

    1983, 1987, 1990 und 1994. Vier Bundestagswahlen gewann Kanzler Helmut Kohl für die Union. Bei den Kanzlerwahlen wurde es nur einmal knapp. Bei der Bundestagswahl 1994 hatten die Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP an Zustimmung verloren. Bei der Kanzlerwahl lag er mit 338 zu 333 Stimmen vorn. Nicht alle 341 Koalitionsabgeordneten hatten also für Kohl gestimmt. Der CDU-Chef lag nur eine Stimme über der Kanzlermehrheit. 1998 wurde der Regierungschef abgewählt. Bei der Bundestagswahl siegte die SPD.

    Gerhard Schröder – Vertrauensfragen und Neuwahlen

    Die rot-grüne Koalition, die sich nach der Bundestagswahl 1998 bildete, hatte im Parlament 345 Mandate. Bei der Kanzlerwahl erhielt der Sozialdemokrat Gerhard Schröder dann sogar 351 Stimmen (287 Nein).
    Rot-Grün wurde bei der Bundestagswahl 2002 knapp bestätigt. Bei der Kanzlerwahl wurde es ebenfalls enger: Schröder erhielt 305 Stimmen (absolute Mehrheit: 302). 292 Abgeordnete votierten gegen ihn. Der Sozialdemokrat stellte in seiner Amtszeit zwei Vertrauensfragen – die zweite im Jahr 2005, um damit vorgezogene Neuwahlen zu ermöglichen. Diese Bundestagswahl verlor Schröder mit seiner SPD.

    Angela Merkel – GroKo-Kanzlerin mit satten Mehrheiten

    Von 2005 bis 2021 war Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin. In drei von vier Legislaturperioden regierte sie in großen Koalitionen mit satten Mehrheiten. Zwar gab es dabei immer wieder Nein-Stimmen offenbar auch aus den Reihen von CDU/CSU und SPD, aber Merkels Kanzlermehrheit stand immer. Das galt auch in der schwarz-gelben Koalition, die 2009 startete. 323 Abgeordnete stimmten für Merkel, 285 gegen sie.

    Olaf Scholz – Solide Mehrheit, vorzeitiger Koalitionsbruch

    2021 wurde Olaf Scholz der vierte sozialdemokratische Kanzler der Republik. Im Parlament hatte das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP eine komfortable Mehrheit. Bei der Kanzlerwahl stimmten 395 Abgeordnete für Scholz. 303 Parlamentarier votierten gegen ihn.
    Doch die Koalition zerbrach vorzeitig. Scholz wählte wie einst Schröder den Weg über die Vertrauensfrage und vorzeitige Neuwahlen. Die Bundestagswahl im Februar 2025 ging für die SPD verloren.

    tei, mit AFP und Informationen auf der Internetseite des Bundestags