
Journalisten der NDR-Sendung Panorama 3 haben diese Äußerungen mitgeschnitten:
„Den Lauterbach, den kriegt man auch auf der Autobahn, wenn er da lang fährt. Versteht ihr, was ich meine.“
Radikalisierung in den Telegram-Kanälen
„Es gibt viele Rechtsextreme zum Beispiel, die als Trittbrettfahrer die Pandemie ausnutzen, um auch Anhänger zu gewinnen oder gewisse Leute, die sich vielleicht sonst nicht für diese Gruppen interessiert hätten, für sich zu gewinnen - indem sie früh die Maßnahmen der Regierung angegriffen haben. "
„Die Bedrohungen haben sich an einem Videoausschnitt, der aus dem Zusammenhang gerissen war, festgemacht, bei dem ich auf dem Schulhof kritisiert habe - das war sehr zu Beginn der Pandemie - dass die Schülerinnen und Schüler die vorgegebenen Mund-Nasen-Bedeckungen nicht getragen haben.“
Firmensitz in Dubai – dadurch entzieht sich Telegram dem Zugriff der Justiz
„Man sammelt ja Lob von seiner Peergroup ein, wenn man noch einmal eine Schippe drauflegt und noch aggressiver wird, dann bekommt man Likes oder „Gefällt mir“ in solchen Gruppen. Und natürlich fragt man sich: Warum äußere ich mich pointiert, wenn ich dann angegriffen werde? Also das, was manche wollen, nämlich ein Einschüchtern, das funktioniert auch ein Stück weit.“

„Als ich vor einigen Jahren noch in Russland gelebt habe, wurden diese Aktivitäten als Vorwand genutzt, um die Kommunikation russischer Bürger zu überwachen. Und dann wurde das in vielen Fällen genutzt, um Dissidenten und liberales Gedankengut zu unterdrücken.“
Positive Rolle von Telegram in autoritären Regimen
„Seit dem August 2020 hat die Regierung alle unabhängigen Medien blockiert - die Webseiten sind jetzt nicht mehr erreichbar. Wir haben damals mit Telegram eine neue Möglichkeit gefunden, die Menschen in Belarus mit Nachrichten zu versorgen. Und einige Monate später haben die großen Medien wie Deutsche Welle oder Radio Free Europe nachgezogen.“
Diktator Alexander Lukaschenko ließ inzwischen mehr als 100 oppositionelle Telegram-Kanäle als „extremistisch“ einstufen. Seit einigen Monaten gelten auch alle, die einen der Kanäle abonniert haben, als Extremisten - und müssen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen rechnen.
„Wenn Sie dich verhaften, wollen sie, dass du dein Telefon entsperrst und foltern dich im Zweifelsfall. Und dann gucken sie sich die Telegram-Kanäle an, die Du abonniert hast. Und das kann zu einer Anklage führen. Es ist also gefährlich, Telegram-Kanäle von unabhängigen Medien zu abonnieren.“
Auch die Bundesregierung räumt ein, dass der Dienst in autoritären Ländern durchaus wichtig sei.
„Telegram spielt ja auf der Welt in anderen Ländern durchaus eine sehr positive Rolle für Oppositionelle. Das muss man in einer solchen Abwägung auch immer mit Bedenken“,
So SPD-Innenministerin Nancy Faeser am 13. Januar im Deutschlandfunk.
„Aber wir können uns natürlich auch nicht bieten lassen, dass es dort einen Messenger-Dienst gibt, der Hass und Hetze, Aufruf zu Demonstrationen, zu Fackelzügen gegen Kommunalpolitiker, gegen Bürgermeister, gegen Landtagsabgeordnete gegen Ministerpräsidentinnen wie Manu Schwesig, dass das einfach so stehen bleibt, da muss der Staat ja auch handlungsfähig sein.“

Drohung mit Netzsperre in Deutschland zeigt Wirkung
„Da findet Illegales statt, natürlich, aber wahrscheinlich ganz überwiegend legale Kommunikation - und die klemmen sie komplett ab.“
Sagt der Internetrechtler Tobias Keber von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Denn bei „Telegram“ ist eben auch der öffentliche Teil, sind eben auch die abonnierbaren Gruppen und Kanäle nicht vorwiegend Forum, um zu Straftaten aufzurufen. Und, mehr noch: Telegram wird mit seiner Messenger-Funktion zur persönlichen Kommunikation genutzt - und die steht noch einmal unter besonderem Schutz.
„Wenn sie den Dienst sperren, dann sperren sie den zu 100 Prozent wegen der illegalen Taten. Aber sie verhindern eben auch, dass man sich dort zum Kaffeetrinken verabredet. Und das ist dann letztlich eine kommunikationsrechtliche Frage auf Ebene der Verfassung. Sie greifen hier in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer ein. Ich sehe nicht, dass man das an der Stelle gut begründen kann.“
Was die Politik gegen Gewaltaufrufe und Hetze bei Telegram tun kann
BKA will Messengerdienst Telegram unter Druck setzen
„Ich kann ihnen heute sagen, dass dieser Druck auch schon erste Wirkung gezeigt hat. Es kommt Bewegung in die Sache und es gibt erste Kontakte meines Hauses.“
Sie erwarte weitere Kooperation von Telegram, so Faeser. Der Dienst habe bereits gezeigt, dass er löschen könne. Telegram löscht tatsächlich Inhalte aus öffentlichen Gruppen oder entfernt sogar einige Kanäle komplett. Es seien jedoch keine einheitlichen Kriterien erkennbar, so Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts.
„Es ist so, dass wir sehen können, dass sie bei dem Thema islamistische Propaganda in der Vergangenheit schon sehr gut reagiert haben. Auch rund um die Ereignisse um das US-Kapitol hat man eine Menge an Gewaltaufrufen gelöscht und auch schon Inhalte hier aus Deutschland aus dem Thema Verschwörungstheoretiker, sage ich mal, und auch einige Kanäle von entsprechenden Personen wurden bereits gelöscht. Wir haben aber noch kein richtiges Muster erkannt.“
Druck von Apple und Google größer als der des Staates
„Das war nicht, weil Telegram sich dazu bekannt hat, dass sie rechtlich dazu verpflichtet sind. Sondern weil sie Angst hatten, aus den App-Stores herausgeworfen zu werden. Also Apple und Google hatten da de facto einen größeren Einfluss auf Telegram als es ein Staat, auch ein Staat wie Deutschland, hatte.“
Die beiden US-Firmen Apple und Google haben über die Nutzungsrichtlinien ihrer App-Stores eine direkte Handhabe gegen soziale Netzwerke, die illegale Inhalte nur ungenügend moderieren: Sie können die Apps einfach aus ihrem Angebot entfernen. Das wiederum würde Telegram hart treffen: Die Firma baut gerade rund um ihren Dienst ein Werbegeschäft auf und benötigt Reichweite. Dass die Bundesregierung vergangene Woche erste direkte Gespräch mit der Telegram-Führungsspitze führen konnte, ist ebenfalls Google und Apple zu verdanken: Sie hätten dabei geholfen, den Kontakt herzustellen, heißt es aus dem Innenministerium. Laut Bundesregierung hat Telegram größtmögliche Kooperationsbereitschaft zugesichert. Zuletzt hatte es bereits Berichte darüber gegeben, dass die Firma bestimmte Querdenker-Gruppen blockiert. Allerdings geht es der Bundesregierung nicht um eine Löschung nach Telegram-Gusto, sondern darum, dass sich Telegram an das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hält. Dem zufolge müsste Durow dann sein Versprechen brechen, keine Daten an Regierungen weiterzugeben. Denn: Soziale Netzwerke müssen eben laut ergänztem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, seit dem ersten Februar gemeldete rechtswidrige Beiträge nicht nur löschen. Sie müssen die Kommentare bei strafbaren Vergehen wie persönlichen Bedrohungen oder Volksverhetzung auch sofort an das Bundeskriminalamt weiterleiten – einschließlich der Informationen, die die Verursacher leichter identifizierbar machen. Das betont BKA-Chef Münch:
„Das heißt, sie sind verpflichtet, bestimmte Inhalte auch zu löschen. Und sie sind verpflichtet, Bestandsdaten auf Anfragen zu beauskunften. Das ist die Erwartungshaltung. Und wir werden nun sehen, ob sie diesem Anliegen auch nachkommen.“
Nutzerdaten weiterleiten – verfassungsrechtlich umstritten
„Das Ziel ist hier, zum einen Feststellen solcher Delikte. Zum zweiten, Feststellung der Urheber und Einleitung der Strafverfolgung. Das ist, was wir tun, und wir setzen dazu, ja schon eine erhebliche zweistellige Zahl von Mitarbeitern ein, die gezielt diesen Tätigkeiten nachgehen.“
Das Beispiel der Dresdner Gruppe, in der die Ermordung von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer geplant worden sein soll, zeigt, dass Ermittlungserfolge auch ohne Unterstützung der Plattformen möglich sind. So posteten viele Mitglieder dort unter ihren echten Namen, andere wiederum waren auf ihren Profilbildern erkennbar. Auch beim hessischen Landrat Christian Engelhardt konnte die Polizei bei einigen Drohungen die mutmaßlichen Urheber ermitteln. Es gäbe daher eine Reihe von Möglichkeiten, auch ohne die Datenweitergabe von Dienstanbietern wie Telegram zu ermitteln, sagt BKA-Chef Münch.
„Wir haben eine Menge an offenen und verdeckten Maßnahmen. Wir nennen das auch Open-Source-Intelligence, was wir dazu aufgebaut haben. In der Regel macht eine Person nicht nur auf Telegram etwas, sondern ist auch auf anderen Plattformen noch unterwegs. Und so schaffen wir es dann auch, bei einer doch höheren Anzahl von Personen am Ende auch ihre Identität festzustellen.“
Verständnis für Hasskriminalität muss wachsen
„Eine Beleidigung auf Facebook oder ein Mordaufruf auf Facebook ist etwas ganz Anderes, auch strafrechtlich aus meiner Sicht, als eine Beleidigung am Gartenzaun. Weil eine Beleidigung am Gartenzaun ist eben nicht mit drei vier Klicks weltweit teilbar. Und das, dieser Kulturwandel: Ich glaube, dass das unter dem Strich wesentlich wichtiger ist für die Strafverfolgungspraxis als jetzt beispielsweise die schnelle Ausleitung von IP-Adressen.“
„Wir sind jetzt gerade in einer Zeit, wo die ersten Reaktionen von Gesetzgebern, von Strafverfolgungsbehörden merkbar werden, aber noch nicht effektiv genug merkbar sind. Und deswegen merken wir zu recht, wo es noch Leerstellen gibt. Aber nur ein Beispiel: Niemand würde Polizeibehörden daran hindern, proaktiv online auf Streife zu gehen, wie sie das auch in der Offline-Welt macht. Bis jetzt war einfach der Ansatz ein anderer, der war eher ein reaktiver in der Online-Welt, einfach, weil das Bewusstsein vielleicht noch nicht so stark da ist, weil auch gewisse Resistenzen bestehen seitens der Netzgemeinschaft hier.“
Telegram ist als Plattform letztlich austauschbar
„Wahrscheinlich würden Impfgegner einen anderen Ort finden, wo sie zusammenkommen, ihre Themen diskutieren und der Regierung Vorwürfe machen können. Ich glaube, die Verantwortlichen verstehen nicht, dass Telegram für sie nur ein Werkzeug ist.“
Tatsächlich werben die ersten Querdenker-Kanäle auf Telegram bereits dafür, sich ihnen auch auf der amerikanischen Social-Media-App Gettr anzuschließen. Die Plattform wurde von einem ehemaligen Berater Donald Trumps gegründet und verspricht, eine Twitter-Alternative für sogenannte Patrioten zu sein. Die App verzeichnet in Deutschland steigende Nutzerzahlen. Bislang ist sie aber zu klein, um unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu fallen.