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Mit kaltem Gas Schwarze Löcher wiegen

Astronomie. - Bislang haben Astronomen die Masse eines Schwarzen Lochs aus dem Lauf der Sterne in einer Galaxie berechnet. Doch das Verfahren ist ausgesprochen aufwendig. Nun haben Forscher ein neues Verfahren vorgestellt, um die massereichen Zentren von Galaxien zu vermessen.

Von Dirk Lorenzen |
    Galaxien sind kosmische Gemischtwarenläden: Im Zentrum haben sie jeweils ein Schwarzes Loch – darum herum ziehen Milliarden von Sternen und Planeten und jede Mengen kalte Wolken aus Gas und Staub. Timothy Davis von Europas Astronomieorganisation ESO in Garching hat es auf diese Wolken abgesehen, um Schwarze Löcher zu wiegen:

    "Wir beobachten Gaswolken, in denen Kohlenmonoxid vorkommt, das zweithäufigste Molekül im Universum. Diese Wolken sind sehr zahlreich und gut im Bereich der Millimeterwellen zu sehen. Wir haben jetzt erstmals aus der Bewegung solcher Wolken die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum einer Galaxie abgeleitet. Dies gelang uns mit dem CARMA-Teleskop, das zu den Instrumenten mit der derzeit besten Auflösung gehört."

    Dank des scharfen Blicks von CARMA, einem Verbund aus mehr als zwanzig Radioschüsseln in Kalifornien, haben die Astronomen die Gaswolken in der Galaxie NGC 4526 im Sternbild Jungfrau beobachtet. Dabei haben sie entdeckt, dass das Schwarze Loch dort fast eine halbe Milliarde mal mehr Masse hat als unsere Sonne. Geht es nach Timothy Davis und seinen Kollegen, war diese erste Messung der Auftakt zu einer kosmischen Inventur:

    "Bisher hat uns das Auflösungsvermögen der Teleskope gehindert, viel mehr und auch weit entfernte Schwarze Löcher zu vermessen. Selbst mit dem Hubble-Weltraumteleskop sind schnell Grenzen erreicht, wenn es darum geht, genau die Bewegung von Sternen nahe dem Zentrum einer Galaxie zu vermessen. Unsere neue Technik mit den Kohlenmonoxid-Wolken nutzt Teleskope am Boden, die bei längeren Wellenlängen arbeiten und viel scharfsichtiger sind. Damit lassen sich Schwarze Löcher in dreimal größerer Entfernung vermessen, als das bis jetzt möglich ist."

    Das Hubble-Teleskop arbeitet im sichtbaren Licht – in diesem Bereich sind die Sterne nur bei Galaxien in unserer Umgebung genau genug zu beobachten, bei größerer Entfernung aber erscheinen die Sterne nicht mehr scharf genug. Die Gaswolken dagegen sind viel weiter draußen zu beobachten, allerdings leuchten sie in einem Wellenlängenbereich, den Hubble nicht wahrnehmen kann. So haben Beobachtungen der Sternbewegung bisher nur bei etwa 50 Galaxien die Masse des Schwarzen Lochs geliefert. Timothy Davis und seine Kollegen möchten in den kommenden Jahren einige hundert Galaxien untersuchen, um endlich zu klären, wie Schwarze Löcher ganze Galaxien beeinflussen. Große Galaxien scheinen oft besonders massereiche Schwarze Löcher zu haben.

    "Offenbar entwickeln sich Galaxien und das Schwarze Loch im Zentrum gemeinsam – aber wir verstehen nicht, wie genau das funktioniert. Denn die Schwarzen Löcher haben zwar viel Masse, sind aber zugleich sehr klein – nicht einmal so groß wie unser Sonnensystem! Trotzdem scheinen sie große Galaxien zu beeinflussen. Vielleicht spielt eine Rolle, dass Galaxien im Laufe ihrer Entwicklung oft mit anderen Galaxien verschmelzen. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, müssen wir die Massen von Schwarzen Löchern in vielen unterschiedlichen Galaxien vermessen – das ist erst jetzt mit der neuen Beobachtungstechnik möglich."

    Timothy Davis und seine Kollegen setzen große Hoffnung auf ALMA, den weltweit besten Teleskopverbund in den chilenischen Anden, der im März eingeweiht wird. ALMA ist so empfindlich, dass das Wiegen eines Schwarzen Lochs nicht mehr Wochen dauert wie bisher, sondern maximal einige Stunden. Im Idealfall zeigt sich recht bald, ob und wie die massereichen, aber kleinen Schwarzen Löcher riesige Galaxien steuern.