Donnerstag, 18. April 2024

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Olympia-Attentat 1972
Entschädigung beim Gedenken "eine Nebensache"

Vor 50 Jahren nutzten palästinensische Attentäter die Olympischen Spiele 1972 in München, um israelische Geiseln zu nehmen. Elf von ihnen starben. Bei einer Gedenkveranstaltung soll ihrer gedacht werden, doch die Angehörigen der Opfer boykottieren die Feier wegen eines Streits um Entschädigungen. Man müsse das voneinander trennen, so Historiker Moshe Zimmermann im DLF.

Moshe Zimmermann im Gespräch mit Matthias Friebe | 13.08.2022
Ein Videoloop ist in München im Gedenkort an das Attentat von 1972 auf die israelische Olympiamannschaft zu sehen
Ein Videoloop ist in München im Gedenkort an das Attentat von 1972 auf die israelische Olympiamannschaft zu sehen. (dpa / Felix Hörhager)
„Um das Vergessen geht es hier, also man muss erinnern an dieses Ereignis und alles tun, um diese Erinnerung würdig zu gedenken!“
Die Angehörigen der Opfer, unter ihnen Ankie Spitzer, Sprecherin der Opferfamilien, sehen das anders. Nach Wochen des Streits um weitere Entschädigungszahlungen wollen die Angehörigen nicht nur an der Veranstaltung nicht teilnehmen, sondern haben auch den israelischen Staat dazu aufgerufen, die Feier zu boykottieren.  
In Israel selbst wird der Boykott eher weniger diskutiert, beschreibt Zimmermann. Die meisten würden nicht genau verstehen, ob es um die Erinnerung oder die Entschädigung geht.
„Die Frage der Entschädigung ist meines Erachtens eine Nebensache“, so Zimmermann im Deutschlandfunk. Ankie Spitzer kämpft hingegen seit Jahren eben auch um die Entschädigung.

Erinnerung und Entschädigung voneinander trennen

Das müssten aber das Olympische Komitee und die Regierung von Israel nicht mitmachen, denkt Zimmermann:
„Meines Erachtens ist es geschmacklos, dass nur deswegen, wegen der Frage der Entschädigung, die Gedenkfeier ausfällt!“ Man müsse das voneinander trennen, die Frage der Erinnerung und die Frage der Entschädigung.
„Die Erinnerung an dieses Ereignis ist so wichtig, dass die Gedenkstunde weniger Rücksicht nehmen muss auf eine relativ marginale Frage, wie die Entschädigung der Familie. Meines Erachtens kann Deutschland etwas großzügiger sein mit der Entschädigung, aber diese Sache ist im Endeffekt eine Marginalie, wenn es um diesen Tag, diesen 5. September geht.“
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle denkt wegen des Boykotts der Angehörigen hingegen schon über eine Absage der Veranstaltung nach und kritisiert den Umgang mit den Hinterbliebenen in der Entschädigungsfrage. Sie werfen der deutschen Regierung Schmähung, Lügen, Erniedrigung und Abweisung vor.   

Aufklärung ist etwas, das man erwarten muss

Mit dem Attentat während der Spiele 1972 habe man sich viel befasst, es wurde viel recherchiert und auch in drei Filmen aufgearbeitet. Trotzdem fordert Zimmermann:
„Hier muss irgendeine Gruppe von Historikern, die neutral und professionell sind, an diese Sache herangehen, um etwas gründlicher diese Sache zu erörtern. Meines Erachtens als Historiker ist es ein Fehler, wenn man nicht alle Dokumente offenlegt. Da ist ja das A und O. Erstmal muss man klären, was genau passierte, wer wofür verantwortlich war.“

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Das gelte aber nicht nur für deutsche, sondern auch für israelische Archive.

Attentat von München mit Symbolwirkung

„Es geht hier nicht um Deutschland gegen Israel. Es geht um ein Attentat der Palästinenser und da sollte man sich einigen“, appelliert Zimmermann. Denn das Attentat vom 5. September 1972 sei ein besonderes gewesen im Konflikt zwischen Israel und Palästina:
„Diese Sache September 72 hat eine Symbolwirkung, weil da nicht nur Palästina versus Israel eine Rolle gespielt hat, sondern das Dreieck Israel, Deutschland und Palästina.“ Umso wichtiger sei es, an dieses Ereignis zu erinnern.