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NATO-Generalsekretär in der Türkei
Besuch bei einem fremdelnden Alliierten

Zum ersten Mal seit dem vereitelten Putsch reist NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg heute in die Türkei. Die Beziehungen zwischen Ankara und dem Militärbündnis haben seit dem Umsturzversuch gelitten. Doch beide Seiten sind aufeinander angewiesen.

Von Kai Küstner |
    Flaggen der NATO-Staaten vor dem Hauptquartier in Brüssel
    Das Verhältnis zwischen der NATO und der Türkei ist seit dem Putschversuch angespannt. (picture alliance/dpa/Julien Warnand)
    Es ist knapp einen Monat her, da sah sich das Militärbündnis zu einer Klarstellung gezwungen: "Die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO steht nicht infrage", verkündete die Allianz. Nachdem Medien genau darüber wild spekuliert hatten – wegen der versuchten Machtergreifung durch das Militär und Präsident Erdogans harter Reaktion darauf. Damals wie heute aber ist klar: Nur bei einem erfolgreichen Putsch wäre die NATO-Mitgliedschaft der Türkei ernsthaft gefährdet gewesen. Was über eins nicht hinwegtäuschen darf:
    "Es steht außer Zweifel, dass beide Seiten gerade eine spannungsreiche Phase durchleben", stellt der Direktor des German Marshall Fund in Brüssel, Ian Lesser, fest.
    Spannungsreiche Phase
    'Zu groß, um zu versagen' – 'too big to fail' – diesen Satz haben wir in den letzten Jahren oft in Bezug auf Banken gehört. In gewisser Weise gilt er auch für die Türkei. Es ist zum einen die Lage, zum anderen die schiere Größe des Landes, die bei der NATO in Krisenfällen stets Besorgnis auslöst:
    "Wir reden hier vom zweitgrößten Militärapparat in der NATO nach den USA. Was auch immer in der Türkei passiert, ist wichtig. Daher auch die besorgten Fragen: Wie konnte der Putsch passieren? In einem NATO-Land?"
    Doppelstrategie Stoltenbergs
    NATO-Generalsekretär Stoltenberg setzte von Anfang an auf eine Doppelstrategie: Verurteilte früh den Umsturzversuch, mahnte im selben Atemzug aber immer auch die Wahrung des Rechtsstaats bei der Aufarbeitung an. Auch wenn es eher die EU war oder einzelne NATO-Staaten – die USA zum Beispiel, auch Deutschland – die Präsident Erdogan seinen Ärger spüren ließ wegen der aus seiner Sicht mangelnden Anteilnahme: Es gebe, sagt Militär-Experte Ian Lesser im ARD-Hörfunk-Interview, eine lange 'Geschichte türkischen Misstrauens' gegenüber NATO-Partnern:
    "Schon in den vergangenen Jahrzehnten beklagten die Türken oft, dass NATO-Alliierte manchmal sehr langsam reagierten auf Bedrohungen, mit denen es die Türkei zu tun hatte. Dieses Erbe wird man nur schwer los. Aber in der Zwischenzeit gibt es eine Menge Dinge, die man mit der Türkei auf die Beine stellen muss."
    An dieser Stelle wird klar, dass man sich dann doch gegenseitig braucht: die NATO die Türkei und die Türkei die NATO. Zu besprechen gibt es in nächster Zeit also viel. Nicht nur die Frage, ob das militärische Eingreifen der Türkei in Syrien eigentlich hilfreich ist oder das Gegenteil:
    "Das kommt darauf an, wie sich der Einsatz entwickelt. In gewisser Weise haben die NATO-Staaten ein Interesse daran, die Türkei als Bollwerk gegen die Instabilität in der Region zu nutzen. Es kann schon sein, dass türkische und westliche Interessen hier in Einklang gebracht werden. Aber das hängt auch vor allem davon ab, welche Strategie die Türkei gegenüber den Kurden in Syrien fährt."
    Heikle Themen der Zukunft
    Egal, ob es um den Syrien-Krieg, die Luftwaffen-Basis Incirlic geht oder das Verhältnis zu Russland – die Liste an Themen, die auch in Zukunft heikel bleiben werden im Verhältnis Türkei-NATO, ist lang. Auch wenn der Generalsekretär mit seiner Ankara-Reise ein Signal der 'Unaufgeregtheit' auszusenden versuchen dürfte.