Raphaela von Weichs:
"Es gibt eine lange Tradition in der westlichen Wissenschaft und auch in der kolonialen Logik, Afrika als einen Kontinent ohne Geschichte zu betrachten und die afrikanischen Kolonien als Territorien ohne Geschichte."
Mit "Die Rückkehr der Könige von Uganda" legt die Ethnologin Raphaela von Weichs das Ergebnis von anderthalbjähriger Feldforschung im Rahmen ihrer Doktorarbeit vor. Hat man sich erst einmal auf den streng wissenschaftlichen Stil eingelassen, eröffnet das Buch einen neuen Blick auf den afrikanischen Kontinent, der uns doch weitgehend von Krieg, Armut und Hoffnungslosigkeit bestimmt scheint.
Im Zentrum steht die wechselvolle Geschichte des Königtums Bunyoro Kitara im Westen Ugandas. Reich an Land und Rinderherden, war es einst das mächtigste Königtum der Region. Einflussreiche Clane wählten aus ihrer Mitte den "Omukama", ihren König, dessen Stellung ein strenges Regelwerk von Ritualen über alles Sterbliche erhob. Ein dennoch basisdemokratisches System, wie von Weichs feststellt.
"Da der König nominell der Besitzer allen Reichtums in seinem Königtum war, war er auch der Besitzer allen Landes und aller Personen, die in seinem Königreich lebten. Umgekehrt gab es die Vorstellung, dass der König allen Clanen gehörte und somit alles, was er besaß, auch den Clanen gehörte. Das heißt, der König war kein absoluter Herrscher. Er konnte nicht einfach irgendwelche Direktiven erteilen und politische Entscheidungen treffen. Die Clane gaben, aber der König musste zurückgeben, zum Beispiel indem er Frauen aus den Clanen nahm und mit ihnen potentielle Nachfolger für das Königreich produzierte."
Auf diese Weise sei sichergestellt worden, dass jeder der Clane theoretisch den nächsten Omukama hervorbringen konnte und der Einfluss der Clan-Fürsten auf die Politik des Königs erhalten blieb, schildert die Ethnologin.
Der König repräsentierte den Stolz und den Reichtum des ganzen Landes. Zeigte er aber Schwäche oder erlaubte sich Fehler, konnten seine Untertanen seine rituelle Hinrichtung verlangen, um so das Land vor Unheil zu bewahren.
Mit der Kolonisierung durch die Briten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam das bewährte Modell zu Fall. Die Könige wurden zu Kolonialbeamten umfunktioniert. Gleichzeitig wurden die Clane entmachtet, die jahrhundertelang großen Einfluss auf die Politik hatten.
"Man hat sich auch nicht für politische Hierarchien interessiert, außer sie kamen der Umsetzung der kolonialen Administration zugute. Am Ende dieser Kette saß immer ein Europäer. Man hat sich lokaler Autoritäten und auf diese Weise auch der Könige bedient, um das koloniale System durchzusetzen."
Der verzweifelte Versuch der Königtümer, sich der Okkupation mit Waffengewalt zu entledigen, wurde von der modernen Kriegsmaschinerie der Europäer blutig niedergeschlagen.
1962 erlangte Uganda die Unabhängigkeit. Jedoch diente als Vorlage für den neuen Staat das koloniale und nicht das traditionelle politische System. Die Präsidenten Milton Obote und Idi Amin waren verstrickt in den illegalen Gold- und Elfenbeinhandel und führten das Land in die Diktatur. Die Könige und die Clane weigerten sich, das totalitäre Regime anzuerkennen. Darauf erließ Obote 1967 ein Verbot aller Königtümer.
Erst die Regierung des amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni erkannte, dass eine Wiedereinsetzung der Königtümer einen wertvollen Beitrag zum Aufbau des Landes leisten könnte. Durch die Clane waren diese bis in die hintersten Dörfer vernetzt. Besser als die Beamten der regierungstreuen Provinzverwaltung, konnten sie die Bedürfnisse der Bevölkerung vertreten und dort Arbeitsplätze generieren, zum Beispiel im Tourismus. 1993 setzte Museveni die Königshöfe wieder ein - mit einer wesentlichen Einschränkung, wie von Weichs beschreibt:
"Der König ist von jeglicher politischen Aktivität gebannt, offiziell. Dahinter steckt natürlich die Angst vor Separationsbewegungen, Rebellenbewegungen etc. Aber er darf natürlich Partei ergreifen für die Bevölkerung seines Königtums. Dann muss er ein Netzwerker sein und die Leute, die in der Diaspora leben, zum Beispiel Amerika, Deutschland, England dazu bewegen, das Königtum zu unterstützen. Dann wird erwartet, dass er auch Verbindungen aufbaut, beispielsweise zu Universitäten oder Kliniken im Ausland etc., zu Institutionen, die das Königtum unterstützen können."
Gelegentlich, schildert die Autorin, treibt die Wiedereinsetzung der Königtümer auch skurrile Blüten. So wurde der amtierende Omukama von Bunyoro von seinen Untertanen scharf kritisiert, durch sein unkönigliches Verhalten die Geister zu verärgern.
"Museweni hat ihm zur Krönung einen Jeep geschenkt und gesagt, das sind jetzt Deine neuen Sandalen, mit denen Du durch Dein Königreich fahren kannst. Der König hat das wörtlich genommen und seinen Fahrer auf den Rücksitz gesetzt und ist selbst gefahren. Da kam es dann zu einem Verkehrsunfall. Der Wagen hat sich überschlagen und es kam zu einem Aufschrei in der Bevölkerung, die gesagt hat: Das kann natürlich jetzt auch zu einem Problem im Königtum führen."
"Die Rückkehr der Könige von Uganda" macht deutlich, dass Demokratie nicht unbedingt eine Erfindung der Europäer ist. Es vermag die traditionelle okkulte Welt der Rituale und Mythen Afrikas in Begriffe eines intelligenten politischen Systems zu übersetzen.
Glücklicherweise wird die für manch einen ungewohnte wissenschaftliche Diktion immer wieder durch die Schilderungen persönlicher Begegnungen der Autorin Raphaela von Weichs mit ungewöhnlichen Menschen bereichert. Wer sich also nicht scheut, die Ethnologin bei der Spurensuche auf bisweilen steinigen Wegen zu begleiten, der wird mit einer Menge Wissen über die weithin unbekannte Kosmologie Ostafrikas belohnt.
Raphaela von Weichs: "Die Rückkehr der Könige von Uganda. Politische Kultur und Moderne in Afrika."
Transcript Verlag, 374 Seiten, 42,80 Euro. ISBN: 978-3-837-62384-0
"Es gibt eine lange Tradition in der westlichen Wissenschaft und auch in der kolonialen Logik, Afrika als einen Kontinent ohne Geschichte zu betrachten und die afrikanischen Kolonien als Territorien ohne Geschichte."
Mit "Die Rückkehr der Könige von Uganda" legt die Ethnologin Raphaela von Weichs das Ergebnis von anderthalbjähriger Feldforschung im Rahmen ihrer Doktorarbeit vor. Hat man sich erst einmal auf den streng wissenschaftlichen Stil eingelassen, eröffnet das Buch einen neuen Blick auf den afrikanischen Kontinent, der uns doch weitgehend von Krieg, Armut und Hoffnungslosigkeit bestimmt scheint.
Im Zentrum steht die wechselvolle Geschichte des Königtums Bunyoro Kitara im Westen Ugandas. Reich an Land und Rinderherden, war es einst das mächtigste Königtum der Region. Einflussreiche Clane wählten aus ihrer Mitte den "Omukama", ihren König, dessen Stellung ein strenges Regelwerk von Ritualen über alles Sterbliche erhob. Ein dennoch basisdemokratisches System, wie von Weichs feststellt.
"Da der König nominell der Besitzer allen Reichtums in seinem Königtum war, war er auch der Besitzer allen Landes und aller Personen, die in seinem Königreich lebten. Umgekehrt gab es die Vorstellung, dass der König allen Clanen gehörte und somit alles, was er besaß, auch den Clanen gehörte. Das heißt, der König war kein absoluter Herrscher. Er konnte nicht einfach irgendwelche Direktiven erteilen und politische Entscheidungen treffen. Die Clane gaben, aber der König musste zurückgeben, zum Beispiel indem er Frauen aus den Clanen nahm und mit ihnen potentielle Nachfolger für das Königreich produzierte."
Auf diese Weise sei sichergestellt worden, dass jeder der Clane theoretisch den nächsten Omukama hervorbringen konnte und der Einfluss der Clan-Fürsten auf die Politik des Königs erhalten blieb, schildert die Ethnologin.
Der König repräsentierte den Stolz und den Reichtum des ganzen Landes. Zeigte er aber Schwäche oder erlaubte sich Fehler, konnten seine Untertanen seine rituelle Hinrichtung verlangen, um so das Land vor Unheil zu bewahren.
Mit der Kolonisierung durch die Briten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam das bewährte Modell zu Fall. Die Könige wurden zu Kolonialbeamten umfunktioniert. Gleichzeitig wurden die Clane entmachtet, die jahrhundertelang großen Einfluss auf die Politik hatten.
"Man hat sich auch nicht für politische Hierarchien interessiert, außer sie kamen der Umsetzung der kolonialen Administration zugute. Am Ende dieser Kette saß immer ein Europäer. Man hat sich lokaler Autoritäten und auf diese Weise auch der Könige bedient, um das koloniale System durchzusetzen."
Der verzweifelte Versuch der Königtümer, sich der Okkupation mit Waffengewalt zu entledigen, wurde von der modernen Kriegsmaschinerie der Europäer blutig niedergeschlagen.
1962 erlangte Uganda die Unabhängigkeit. Jedoch diente als Vorlage für den neuen Staat das koloniale und nicht das traditionelle politische System. Die Präsidenten Milton Obote und Idi Amin waren verstrickt in den illegalen Gold- und Elfenbeinhandel und führten das Land in die Diktatur. Die Könige und die Clane weigerten sich, das totalitäre Regime anzuerkennen. Darauf erließ Obote 1967 ein Verbot aller Königtümer.
Erst die Regierung des amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni erkannte, dass eine Wiedereinsetzung der Königtümer einen wertvollen Beitrag zum Aufbau des Landes leisten könnte. Durch die Clane waren diese bis in die hintersten Dörfer vernetzt. Besser als die Beamten der regierungstreuen Provinzverwaltung, konnten sie die Bedürfnisse der Bevölkerung vertreten und dort Arbeitsplätze generieren, zum Beispiel im Tourismus. 1993 setzte Museveni die Königshöfe wieder ein - mit einer wesentlichen Einschränkung, wie von Weichs beschreibt:
"Der König ist von jeglicher politischen Aktivität gebannt, offiziell. Dahinter steckt natürlich die Angst vor Separationsbewegungen, Rebellenbewegungen etc. Aber er darf natürlich Partei ergreifen für die Bevölkerung seines Königtums. Dann muss er ein Netzwerker sein und die Leute, die in der Diaspora leben, zum Beispiel Amerika, Deutschland, England dazu bewegen, das Königtum zu unterstützen. Dann wird erwartet, dass er auch Verbindungen aufbaut, beispielsweise zu Universitäten oder Kliniken im Ausland etc., zu Institutionen, die das Königtum unterstützen können."
Gelegentlich, schildert die Autorin, treibt die Wiedereinsetzung der Königtümer auch skurrile Blüten. So wurde der amtierende Omukama von Bunyoro von seinen Untertanen scharf kritisiert, durch sein unkönigliches Verhalten die Geister zu verärgern.
"Museweni hat ihm zur Krönung einen Jeep geschenkt und gesagt, das sind jetzt Deine neuen Sandalen, mit denen Du durch Dein Königreich fahren kannst. Der König hat das wörtlich genommen und seinen Fahrer auf den Rücksitz gesetzt und ist selbst gefahren. Da kam es dann zu einem Verkehrsunfall. Der Wagen hat sich überschlagen und es kam zu einem Aufschrei in der Bevölkerung, die gesagt hat: Das kann natürlich jetzt auch zu einem Problem im Königtum führen."
"Die Rückkehr der Könige von Uganda" macht deutlich, dass Demokratie nicht unbedingt eine Erfindung der Europäer ist. Es vermag die traditionelle okkulte Welt der Rituale und Mythen Afrikas in Begriffe eines intelligenten politischen Systems zu übersetzen.
Glücklicherweise wird die für manch einen ungewohnte wissenschaftliche Diktion immer wieder durch die Schilderungen persönlicher Begegnungen der Autorin Raphaela von Weichs mit ungewöhnlichen Menschen bereichert. Wer sich also nicht scheut, die Ethnologin bei der Spurensuche auf bisweilen steinigen Wegen zu begleiten, der wird mit einer Menge Wissen über die weithin unbekannte Kosmologie Ostafrikas belohnt.
Raphaela von Weichs: "Die Rückkehr der Könige von Uganda. Politische Kultur und Moderne in Afrika."
Transcript Verlag, 374 Seiten, 42,80 Euro. ISBN: 978-3-837-62384-0