Dienstag, 19. März 2024

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Neue WhatsApp-Nutzungsbedingungen
"Es ändert sich nicht viel, aber das ist gar keine Beruhigung"

Wer WhatsApp weiternutzen will, muss bis zum 15. Mai neue Regeln akzeptieren. Dass Unterhaltungen unter den neuen Nutzungsbedingungen auch weiterhin verschlüsselt sein sollen, sei schön, aber ein "Ablenkungsmanöver", sagte Verbraucherschützerin Miriam Ruhenstroth im Dlf. Beim Datenschutz blieben Fragzeichen - die aber auch nicht neu seien.

Miriam Ruhenstroth im Gespräch mit Bettina Schmieding | 10.05.2021
Eine Person hält eine Handy in der Hand, auf dem Display vom Handy sind die neuen Nutzungsbedingungen, AGBs, von dem Messenger WhatsApp zu sehen sind
Bis zum 15. Mail sollen Nutzerinnen und Nutzer den neuen Bedingungen von WhatsApp zustimmen (IMAGO / Fotostand)
Bereits jetzt würde Mutterkonzern Facebook Daten sammeln – das sei vielen gar nicht klar, so Ruhenstroth, die das Verbraucherschutzportal mobilsicher.de leitet. Nun gehe es darum, diese Daten für andere Zwecke zu nutzen. Zum einen könne Facebook in seinen anderen Angeboten künftig besser für WhatsApp werben.
Zustimmen oder abmelden?
WhatsApp will im Mai seine Nutzungsbedingungen ändern. Wer den neuen Regeln nicht zustimmt, kann den Messenger-Dienst wohl nur noch eingeschränkt nutzen. Doch für EU-Bürger gelten die Neuerungen nur bedingt - soweit der Stand von Februar 2021.
Zum anderen gelte die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht mehr für Unternehmen, die deswegen auch für sich werben könnten. Auch damit habe #WhatsApp ein ursprüngliches Versprechen gebrochen.
WhatsApp führt zum 15. Mai seine neuen Nutzungsbedingungen ein. Wer bis dahin noch nicht zugestimmt hat, kann den Messenger wohl vorerst dennoch weiternutzen. Solche Accounts würde man nicht löschen, hatte das Unternehmen bereits Anfang des Jahres erklärt. Auch bleibe, anders als zunächst angekündigt, zunächst die Funktionalität erhalten, heißt es bei Whatsapp. Man werde Nutzerinnen und Nutzer weiterhin erinnern, und "nach Ablauf einiger Wochen" werde diese Erinnerung "permanent angezeigt". Erst dann werde die Funktionalität eingeschränkt.
Das Interview im Wortlaut:
Bettina Schmieding: WhatsApp verspricht mir, dass Unterhaltungen über WhatsApp auch in Zukunft verschlüsselt bleiben. Wie bewerten Sie diese Ankündigung?
Miriam Ruhenstroth: Das ist ein Ablenkungsmanöver. Es ist natürlich schön, dass die Nachrichten weiterhin Ende-zu-Ende-verschlüsselt bleiben. Aber darum ging es in der ganzen Sache eigentlich überhaupt nicht. Und WhatsApp unternimmt da den Versuch, von den ganz klaren eigentlichen Änderungen abzulenken und Sie dazu zu bringen, einfach Ja und Amen zu sagen.
Schmieding: Ich verstehe, wenn ich ehrlich bin, die Hinweise von WhatsApp gar nicht richtig, die ich bekommen habe in den letzten Wochen. Es erscheint mir alles ein bisschen harmlos zu sein. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass WhatsApp mir sagen will: Das ist alles gar nicht so schlimm, welchen Bedingungen Sie da zustimmen. Ist das symptomatisch?
Ruhenstroth: Ja, da sind Sie nicht alleine, das geht nicht nur den Nutzerinnen so, das geht auch sogar Leuten so, die regelmäßig Nutzungsbedingungen lesen und Datenschutzerklärungen. Und die alle sehr viele Fragezeichen haben. Und ich bin ganz fest überzeugt, dass das Absicht ist.

"Eine neue Art der Monetarisierung"

Schmieding: Aber Sie sind Expertin, haben sich damit beschäftigt und auch verstanden, nehme ich an. Was ändert sich für mich als EU-Bürgerin konkret ab dem 15. Mai, wenn ich denn zustimme?
Ruhenstroth: Es ändert sich tatsächlich – und da war WhatsApp ausnahmsweise mal ehrlich – gar nicht so viel, weil, das ist aber eigentlich gar keine Beruhigung, sondern: Der Grund ist, dass WhatsApp jetzt schon ziemlich viele Daten an Facebook weitergibt, personenbezogene Nutzerdaten. Und ich glaube, durch verschiedene Rechtsverfahren und Prozesse und Einsprüche ganz vielen Leuten das klar ist, dass WhatsApp das eigentlich schon längst tut. Es geht jetzt nur darum, dass diese Daten noch mal auf eine andere Art, also für einen anderen Zweck noch mal verwendet werden sollen. Das ist der eine große Punkt. Und dann führt WhatsApp tatsächlich eine neue Art der Monetarisierung ein. Und, das ist auch neu, da müssen Sie sich auch noch mal absichern – das ist allerdings gar nicht so ungewöhnlich, das ist einfach eine neue Art der Datenverarbeitung, die dann dazukommt.
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Schmieding: WhatsApp gehört ja, wie auch Instagram, zum großen Facebook-Konzern. Sie sagen jetzt, dass es eine weitere Nutzungsmöglichkeit gibt, mit diesem Einverständnis, das ich erkläre. Welche Nutzungsmöglichkeit ist das? Welcher Zweck?
Ruhenstroth: Also, es ist so, dass WhatsApp jetzt schon die Daten an Facebook gibt, damit Facebook Sicherheitsprobleme erkennen kann, damit sie Analyse machen können, damit sie Produkte damit verbessern können. Und jetzt soll, so ist es auf jeden Fall formuliert in der neuen Datenschutzerklärung, auch noch der Zweck Marketing dazukommen. Marketing und Direktkommunikation. Und das ist eben genau der umstrittene, wo die Datenschützer auch sagen, das geht so eigentlich nicht.

"Das ist eigentlich eine prinzipielle Frage"

Schmieding: Was soll denn da vermarktet werden?
Ruhenstroth: WhatsApp möchte die Daten der Nutzer, die sie ja eigentlich dafür hergeben, um nur Nachrichten schreiben zu können, verwenden, um für sich besser Werbung machen zu können.
Schmieding: Das heißt, ich bekomme dann in Zukunft, wenn ich dann auch bei Facebook bin, Werbung für WhatsApp bei Facebook?
Ruhenstroth: Das könnte passieren.
Schmieding: Aber das klingt jetzt nicht mehr so schlimm.
Ruhenstroth: Ja, das ist eigentlich eine prinzipielle Frage. Weil WhatsApp damals schon versprochen hat, als sie gekauft wurden von Facebook, dass sie genau diese Dinge niemals machen werden.
Schmieding: Sonst hätten sie die Genehmigung für die Fusion gar nicht bekommen, vermutlich?
Ruhenstroth: Unter Umständen. Und sie haben es auch den Nutzerinnen versprochen.
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Schmieding: WhatsApp sagt ja, das ist alles nötig, sonst geht unser Geschäftsmodell nicht, das ist nun mal der Datenhandel. Auch Facebook hat ja sein Geschäftsmodell im Datenhandel. Das ist doch irgendwo ein nachvollziehbarer Grund, wenn ich jetzt so überlege, ob ich weiterhin diesen "kostenlosen" Service von WhatsApp will, oder?
Ruhenstroth: Da geht es jetzt um den zweiten Aspekt der Änderung, nämlich, dass dieses Tool eingeführt wird, das Nutzerinnen mit Unternehmen direkt kommunizieren können, bzw. dass Unternehmen Nutzerinnen auf WhatsApp direkt ansprechen können. Und diese Kommunikation ist dann nicht mehr Ende-zu-Ende-verschlüsselt und läuft über Facebook-Services. Das ist natürlich schon ein ganz neuer Aspekt. Und da kann man natürlich sagen: Ja, klar, es ist ein toller, professioneller Dienst, und der muss sich irgendwie finanzieren, und so sind Unternehmen nun mal – wenn man sozusagen die Infrastruktur, die grundlegende Kommunikations-Infrastruktur einem privaten Unternehmen überlässt und dafür nichts bezahlen will, dann kann das auch passieren. Andererseits hat auch da WhatsApp wieder sein Versprechen gebrochen, weil sie gesagt haben, sie werden niemals Werbung auf WhatsApp machen.

"Netzwerkeffekt funktioniert schon bei anderen"

Schmieding: Also, mir kann es passieren, dass, wenn ich jetzt Ja sage zu den Nutzungsbedingungen, dass mir dann bei WhatsApp in Zukunft Firmen direkt entgegentreten und etwas von mir wollen?
Ruhenstroth: Das könnte passieren.
Schmieding: Eigentlich wäre diese Änderung ja schon im Februar passiert. Es gab aber Widerstand damals, und das Ganze wurde verschoben auf Mitte Mai. In der Redaktion hatten wir heute Morgen darüber ein Gespräch, und manche Kollegen haben gesagt, dass seit Februar viele Menschen Alternativprodukte wie zum Beispiel Signal oder Threema benutzen. War das ein Katalysator für diese anderen Produkte?
Ruhenstroth: Absolut. Es war ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es war anscheinend das perfekte Timing, das diese alternativen Angebote, die es ja schon lange gibt, jetzt gerade die Bekanntheit hatten und auch die Professionalität. Und jetzt kam noch dieses Ultimatum, diese unglückliche Kommunikation von WhatsApp dazu, und die Leute sind massenweise zu anderen Diensten gegangen. Soweit sogar, dass der Netzwerkeffekt bei anderen Diensten schon funktioniert. Also, dass dieses Problem, alle anderen sind bei WhatsApp, bei vielen schon gar nicht mehr eintritt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.