Wie jeden Samstag steht Ad Stoutjesdijk auf dem Markt von Spijkenisse, einer Kleinstadt im Schatten der Hafenkräne von Rotterdam: Der 64-Jährige bietet Handy- und Computerzubehör feil.
Früher war Ad ein treuer Sozialdemokrat. Aber mit der PvdA, der Partij van de Arbeid, hat er schon lange nichts mehr am Hut.
"Die lassen zu, dass unser Land islamisiert wird!" sagt der 64-Jährige. Er macht sich Sorgen um die Zukunft seines Sohnes und der beiden Enkelkinder: "Ein Glück, dass es Wilders gibt, der wird das zu verhindern wissen!"
Regierungsparteien müssen mit schweren Verlusten rechnen
Mit allem, was Geert Wilders von sich gibt, ist Ad zwar nicht einverstanden, das ist ihm zu radikal. Aber der Markthändler will, dass sich etwas ändert. Deshalb gibt er seine Stimme auch dieses Mal wieder der Partij van de Vrijheid, der PVV. Und er ist nicht der einzige:
"So gut wie alle meine Freunde und Bekannte sind von den Sozialdemokraten zu Wilders übergelaufen!"
Der liefert sich in den Umfragen seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Rechtsliberalen von Premierminister Mark Rutte. Wilders könnte die Zahl seiner Mandate im 150-Sitze starken niederländischen Abgeordnetenhaus auf 30 verdoppeln; die beiden Regierungsparteien hingegen müssen mit schweren Verlusten rechnen – vor allem die Sozialdemokraten: Von ihren bisher 38 Sitzen könnten bloß 12 übrig bleiben.
"Mit diesen Softies hatte ich noch nie was am Hut", meint eine von Ads Stammkundinnen, ebenfalls eine treue PVV-Wählerin."
Viele Wähler nehmen es den Sozialdemokraten übel, dass sie 2012 mit der Unternehmerpartei von Mark Rutte in See gestochen sind. Dadurch entstand der Eindruck, sie seien zu weit nach rechts gerutscht. Denn um die schwere Rezession zu bekämpfen, in der die Niederlande damals steckten, führte die sozialliberale Koalition drastische Sparmaßnahmen durch. Inzwischen boomt die Wirtschaft zwar wieder. Aber, so Politologe André Krouwel von der Freien Universität Amsterdam:
"Die etablierten Parteien haben übersehen, dass die Wähler zutiefst beunruhigt sind und sich Sorgen machen um ihre Zukunft."
"Schutz ist in Zeiten wie diesen für die Wähler extrem attraktiv"
Neben der sozialen Sicherheit hätten sie durch Vorgaben aus Brüssel, Immigration und Terror auch die kulturelle Sicherheit verloren, so Krouwel:
"Das Gefühl, dass nichts mehr sicher ist, hat die etablierten Parteien das Vertrauen gekostet. Denn der Wähler macht sie dafür verantwortlich. Und deshalb hat jede Partei, die in irgendeiner Form Schutz bieten will, auf einmal Erfolg – selbst wenn sie Luftschlösser verspricht. Schutz ist in Zeiten wie diesen für die Wähler extrem attraktiv."
Kein Wunder also, dass sich der neue Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Lodewijk Asscher, bisher Minister für Arbeit und Soziales, auf die traditionelle Rolle der PvdA als Schützer des Sozialstaates zurückbesonnen hat.
Auf den Wahlkampfveranstaltungen verspricht er den Wählern ehrliche Spielregeln für alle: Multinationals sollen ihre Steuern genauso zahlen wie jeder Handwerker. Genau sie will Asscher vor unfairem Wettbewerb schützen und vor den Billiglöhnen der Arbeitsimmigranten aus Osteuropa. Am Kündigungsschutz dürfe nicht weiter gerüttelt werden, und auch nicht an den festen Arbeitsverträgen.
Splitterpartei DENK könnte es ins Parlament schaffen
Noch aber hat sich das Blatt nicht gewendet, die PvdA befindet sich nach wie vor im Umfrage-Tief. Doch es ist noch nicht aller Tage Abend: 40 Prozent der Wähler entscheiden erst in der letzten Woche, wem sie ihre Stimme geben wollen. Jeder Wahlkampftag zählt.
Und so mischen sich die Sozialdemokraten unermüdlich unters Volk, um Wählerstimmen zu fangen und Rosen zu verteilen - auch in alten Stadtvierteln mit hohem Migrantenanteil.
Es gilt nicht nur, die Arbeiter zurückzugewinnen oder kleine Händler wie Ad Stoutjesdijk. Sondern auch die Immigranten: Die laufen zwar nicht zur PVV von Wilders über, aber zu DENK, einer der vielen neuen Splitterparteien. DENK will Rassismus und Diskriminierung bekämpfen und gilt als erste Migrantenpartei Europas. Wahlexperten zufolge könnte es DENK im Gegensatz zu den meisten anderen neuen Protestparteien durchaus gelingen, mit einem oder sogar zwei Sitzen ins Parlament einzuziehen. Auf Kosten der Sozialdemokraten.