Samstag, 20. April 2024

Nobelpreise
Von der Liebe zur Wissenschaft und einem schlechten Gewissen

Der Nobelpreis ist der berühmteste Preis für Wissenschaft, Literatur und Friedensbemühungen. Dass es die Auszeichnung überhaupt gibt, lag an den Gewissensbissen des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel. Deutsche wurden schon oft geehrt, Frauen nur selten.

01.10.2023
    Die Worte Nobel und Prize, getippt auf ein Blatt Papier, das in eine Schreibmaschine eingespannt ist.
    Jedes Jahr mit Spannung erwartet: die Vermeldung der Nobelpreise. (imago / Pond5 Images / wytrazek)
    Die Wissenschaftscommunity, die Literaturszene und eigentlich fast die ganze Welt fiebern der Woche vom 2. bis zum 9. Oktober entgegen wie die Filmbranche der Oscarverleihung: Seit 1901 vergeben die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, das Karolinska-Institut und die Schwedische Akademie die Nobelpreise – und in dieser Woche werden die Preisträger 2023 bekannt gegeben.
    Dabei wird die Reihenfolge strikt eingehalten: Montag Medizin, Dienstag Physik, Mittwoch Chemie, Donnerstag Literatur, Freitag Frieden. Am Montag darauf wird der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften verkündet.
    Stifter aller Auszeichnungen ist der schwedische Industrielle und Erfinder Alfred Nobel (1833 – 1896) – bis auf den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Genau genommen handelt es sich bei ihm nicht um einen Nobelpreis: Er wurde erst nachträglich von der Schwedischen Reichsbank gestiftet, allerdings "in Gedenken an Alfred Nobel", und wird seit 1968 vergeben.

    Inhaltsverzeichnis

    Wer und was wird mit dem Nobelpreis ausgezeichnet?

    Die Preise zeichnen nach dem Willen ihres Stifters besondere Leistungen in den Bereichen Medizin oder Physiologie, Physik, Chemie, Literatur und Frieden aus. Darüber entscheiden die genannten Institute in Stockholm.
    Der Friedensnobelpreis allerdings wird in Oslo vergeben. Hier benennt das Storting, das norwegische Parlament, fünf Personen, die den Preisträger oder die Preisträgerin küren. Wie die Auswahlkomitees für die anderen Preise beraten auch sie sich dafür mit externen Expertinnen und Experten.
    Bis 2022 wurden nach Angaben der Nobel Foundation insgesamt 615 Nobelpreise an 989 Persönlichkeiten und Organisationen verliehen. Nur 61 gingen an Frauen.

    Die deutschen Preisträger

    Deutsche haben bislang 87 Nobelpreise erhalten, vor allem in Chemie (30) und Physik (27). Bereits bei der ersten Verleihung 1901 wurden zwei deutsche Wissenschaftler ausgezeichnet: Emil von Behring, der mit seiner Serumtherapie gegen Diphtherie weltweit Millionen Kindern das Leben rettete, und Wilhelm Conrad Röntgen, der die nach ihm benannten Röntgenstrahlen entdeckte.
    Viele der deutschen Preisträger sind bis heute unvergessen: etwa die Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, Heinrich Böll und Günter Grass oder der Friedensnobelpreisträger und frühere Bundeskanzler Willy Brandt.
    Während die Preise für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Wirtschaft jeweils an Personen vergeben werden, zeichnet der Friedensnobelpreis auch die Arbeit von Institutionen aus. 2022 waren das beispielsweise die Menschenrechtsorganisationen Memorial und Zentrum für bürgerliche Freiheiten. 2012 wurde die Europäische Union ausgezeichnet.
    Die Preise können auf maximal drei Personen oder Institutionen verteilt werden, was in den zurückliegenden Jahren auch häufiger vorkam. So wurden 2022 in den Kategorien Physik, Chemie und Frieden jeweils drei Personen beziehungsweise Organisationen ausgezeichnet.
    Der bislang (Stand: 2022) älteste Preisträger ist John B. Goodenough, der 2019 im Alter von 97 Jahren den Nobelpreis für Chemie erhielt. Jüngste Preisträgerin bislang ist die Pakistanerin Malala Yousafzai, der 2014 als Teenagerin von 17 Jahren der Friedensnobelpreis für ihr Engagement für Kinderrechte überreicht wurde.
    Übergeben werden die Preise stets am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, im Konzerthaus Stockholm, der Friedensnobelpreis wiederum in den Räumen der Universität Oslo.

    Was ist mit der Auszeichnung mit einem Nobelpreis verbunden?

    Wer mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird, erhält als Preis eine Urkunde, eine Medaille und ein Preisgeld: Aktuell sind das pro Kategorie zehn Millionen Schwedische Kronen (rund 900.000 Euro).
    Die Preisträgerinnen und Preisträger verwenden das Geld oft für die Weiterführung ihrer Forschungsprojekte oder ihres Engagements für Frieden und Menschenrechte –  oder spenden für gemeinnützige Organisationen.

    Warum gibt es den Nobelpreis?

    Gestiftet hat die jährlich vergebene Auszeichnungen der schwedische Industrielle und Erfinder Alfred Nobel. In seinem Testament legte er 1895 fest, dass mit seinem Vermögen eine Stiftung gegründet werden sollte, deren Zinsen „als Preis denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“ sowie an diejenigen, die „am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt" haben. Das Geld sollte zu fünf gleichen Teilen auf die bekannten Gebiete verteilt werden.
    Nobel hinterließ seinerzeit ein Vermögen von etwa 31 Millionen schwedischen Goldkronen. Das meiste Geld hatte er mit seinen beiden wichtigsten Erfindungen gemacht: Dynamit und Sprenggelatine. Obwohl diese beiden Produkte vor allem im Bergbau oder beim Eisenbahnbau eingesetzt wurden, galt Nobel als jemand, der dem Krieg sein Vermögen verdankte. Doch genau das belastete ihn auch und führte zu der Stiftung: Der Erfinder des Dynamits konnte nicht verwinden, dass seine Entdeckung für den Krieg genutzt wurde.

    Eine Schlagzeile brachte die Gewissensbisse

    Angeblich brachte ihn eine Zeitungsschlagzeile aus dem Jahr 1888 zum Nachdenken. Als sein Bruder Ludvig starb, verwechselte eine französische Zeitung die beiden und veröffentlichte versehentlich einen Nachruf auf Alfred Nobel. Die Überschrift des Artikels lautete: "Der Kaufmann des Todes ist tot".
    Auch die österreichische Friedensforscherin Bertha von Suttner soll Alfred Nobel zur Stiftung des Nobelpreises angeregt haben. Beide standen in engem Austausch miteinander. Von Suttner erhielt 1905 auch selbst den von ihr angeregten Friedensnobelpreis.

    Welche Diskussionen gibt es um den Nobelpreis?

    Von der breiten Öffentlichkeit beachtet wird vor allem der Friedensnobelpreis. Hier stieß die Vergabe aber auch besonders oft auf Kritik. Im Hintergrund steht dabei die Frage: Sollten aktive Politiker mit dem Preis ausgezeichnet werden?
    Tatsächlich wurden bereits sehr viele mit dem Preis geehrt: Barack Obama, Menachem Begin, Lê Đuc Tho, Henry Kissinger, Jassir Arafat und Shimon Peres. Das ließ immer wieder die Diskussion aufflammen, ob es richtig ist, aktive Politiker von Ländern auszuzeichnen, die treibende Akteure eines Krieges waren.
    Streit gab es auch beim Literaturnobelpreis: Belästigungs- und Korruptionsvorwürfe hatten die Jury der Schwedischen Akademie in eine so schwere Krise gestürzt, dass die Akademie im Frühjahr 2018 beschloss, die Vergabe auszusetzen. 2019 wurden dann zwei Preise vergeben.

    Was steckt hinter dem sogenannten Alternativen Nobelpreis?

    Eigentlich heißt die seit 1980 vergebene Auszeichnung korrekt "Right Livelihood Award", übersetzt etwa "Preis für die richtige Lebensweise". In der Öffentlichkeit ist aber meistens vom „Alternativen Nobelpreis“ die Rede, was jedoch im Widerspruch zur Entstehungsgeschichte des Awards steht.
    Dessen Begründer ist der schwedisch-deutsche Publizist und Umweltaktivist Jakob von Uexküll. Der Preis entstand 1980 aus dem Wunsch heraus, Engagement in Ländern der Dritten Welt zu würdigen – „speziell ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschheit in der Dritten Welt“ und der gesamten Erdbevölkerung. Nach Angaben der Right Livelihood Foundation schlug von Uexhüll der Nobelstiftung die Schaffung zweier Nobelpreise vor, einen für Ökologie und einen für die Überwindung von Armut. Er wollte sich an diesen Preisen auch finanziell beteiligen. Die Nobelstiftung lehnte dies ab.
    Uexküll verkaufte daraufhin eine wertvolle Briefmarkensammlung für einen Millionenbetrag und gründete damit eine eigene Stiftung für den Award.
    Der Preis wurde 2023 an vier Preisträger vergeben: die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée, die schon zahlreiche Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer bewahrt hat; die ghanaische Ärztin und Aktivistin Eunice Brookman-Amissah, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzt, Afrikanerinnen sichere Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen; die jungen Umweltaktivistinnen und -aktivisten von Mother Nature Cambodia; die Kenianerin Phyllis Omido, die sich in ihrer Heimat ebenfalls für Umweltschutz einsetzt.

    mkn, kna