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Normalwerte und extreme Schwankungen

Neues in der Doping-Affäre von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein. Die Berlinerin wurde auch nach dem für sie verhängnisvollen Test vom Februar 2009 immer wieder auf ihre Blutwerte kontrolliert, dies bestätigt nun der Eislauf-Weltverband ISU. Die Befunde waren stets unauffällig - und das verstärkt Pechsteins Dilemma.

Von Thomas Kistner | 20.07.2009
    Normalwerte über Monate hinweg sind nicht das, was die Naturwissenschaft bei Claudia Pechstein erwartet. Das passt nicht zu den extremen Schwankungen, die ihr Blut über die letzten zehn Jahre bei Dopingtests aufwies.

    Nicht nur die ISU, auch unabhängige Experten wie Professor Fritz Sörgel werten dies als belastendes Indiz. Der Nürnberger Pharmakologe sagt: "Kommen bei ihr auch nur drei, vier neue Werte mit klar erniedrigten Werten über zwei, drei Monate dazu, bekommen die Modellberechnungen von Pierre Sottas in ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft einen enormen Schub. Ich sehe da auch vor Gericht kaum eine Chance für ein Entkommen."

    Dr. Sottas vom Wada-Labor in Lausanne bezeugte im ISU-Verfahren, dass sich in 10.000 Blutprofilen von Athleten nur ein einziges vergleichbares zu Pechstein fand - da habe aber ein Krankheitsbild vorgelegen. Das beziffert die Wahrscheinlichkeit für eine Anomalie auf 0,01 Prozent.

    Schon einmal entging Pechstein knapp einer Schutzsperre. Laut ISU erhielt sie bei der Mehrkampf-WM im Februar 2004 in Hamar trotz des den Grenzwert treffenden Hämoglobinwerts von 16,5 nur wegen logistischer Probleme kein Startverbot. Während sich Pechsteins Blutwerte seit der Anklage stark beruhigt haben, sorgt das Bundesinnenministerium für Aufregung. Die Behörde wies den deutschen Eislaufverband DESG an, keine Bundesmittel mehr an Pechstein zu vergeben, so lang die Sperre der ISU andauert. Auch darf die Athletin an keinem offiziellen DESG-Training teilnehmen.