Peter Kapern: Dreieckige Schokolade und löchriger Käse, das dürften die erfolgreichsten Exportprodukte der Schweiz in Deutschland sein. Am vergangenen Sonntag ist ein dritter Exportschlager hinzugekommen: die Absicht, exzessive Managergehälter zu deckeln. Kaum hatten fast 70 Prozent der Schweizer in einer Volksabstimmung diesem Vorhaben zugestimmt, forderten Dutzende deutsche Politiker ähnliche Regeln hierzulande. Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit gibt es ein Gremium, das sich unter anderem mit der Angemessenheit von Vorstandsbezügen beschäftigt. Es ist die Regierungskommission Corporate Governance, ein Gremium also, das Spielregeln für die gute Unternehmensführung aufstellen soll. Dessen Vorsitzender ist Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, und ihn habe ich vor der Sendung gefragt, ob ihn die breite Zustimmung der deutschen Politik für das Projekt "Kontrolle der Managergehälter" überrascht hat.
Klaus-Peter Müller: Nein, nicht wirklich. Was mich mehr überrascht hat, ist die Unkenntnis, die in Deutschland weitgehend vorherrscht, wenn ich einmal den Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland mir vergegenwärtige. Der Verwaltungsratsvorsitzende in der Schweiz hat völlig andere Funktionen, viel weitergehende Funktionen als der Aufsichtsratsvorsitzende in Deutschland oder auch als der Vorstandsvorsitzende. Insofern gilt es hier zunächst mal, sich der Unterschiede bewusst zu sein. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass vieles von dem, was die Schweizer jetzt einführen wollen, bei uns in Deutschland bereits existiert.
Kapern: Was denn zum Beispiel?
Müller: Ja zum Beispiel das "Say on pay". Die 30 im DAX notierten Gesellschaften haben nach den mir erteilten Auskünften in den vergangenen beiden Jahren alle, also alle 30, eine sogenannte Abstimmung nach dem Motto "Say on pay" durchgeführt. Das heißt also, sie haben der Hauptversammlung vorgetragen, wie die Vergütungssysteme aussehen, und die Hauptversammlung gebeten, sprich die Aktionäre gebeten, darüber abzustimmen. Wenn ich richtig informiert bin, war das schwächste Ergebnis eine Zustimmung von 75 Prozent, aber in der Regel haben die Zustimmungsquoten deutlich über 90 Prozent gelegen. Das heißt also, in Deutschland wird den Eigentümern, sprich den Aktionären schon seit einigen Jahren genau vorgetragen, auch in den Geschäftsberichten umfangreich erläutert, was wer verdient. Da gibt es also wenig Überraschungen. Das gilt übrigens auch für die Gehälter, die in der letzten zeit in Deutschland für Gesprächsstoff gesorgt haben.
Kapern: Bleiben wir noch mal bei diesen Unterschieden zwischen Deutschland und der Schweiz. Das Votum der Hauptversammlungen in Deutschland hat aber nur unverbindlichen Charakter und der Aufsichtsrat kann dann doch handeln, wie er möchte?
Müller: Das ist zunächst mal richtig. Aber können Sie sich im Ernst vorstellen, dass ein Aufsichtsrat das Risiko auf sich nimmt, wenn eine Hauptversammlung ihm mit Mehrheit sagt, die Eigentümer, die Aktionäre missbilligen das Vergütungssystem? Glauben Sie dann im Ernst, dass ein Aufsichtsrat das Risiko auf sich nimmt, das zu ignorieren? Das hat es sicherlich so nicht gegeben. Aber die Frage, die ja hier durchaus offen ist, ist die Frage, ob wir nicht in Deutschland zu einem bindenden Votum kommen. Damit hätte ich zum Beispiel gar kein Problem.
Kapern: Warum schließen Sie das aus, dass da der Aufsichtsrat gegen die Interessen der Hauptversammlung, aber gemeinsame Sache macht mit dem Vorstand?
Müller: …, weil die Hauptversammlung ja den Aufsichtsrat abberufen kann. Ein Aufsichtsrat, der sich ständig gegen den Wunsch der Hauptversammlung verhält, der wird nicht sehr lange in seinem Amt bleiben werden.
Kapern: Wenn eine vergleichbare Abstimmung in Deutschland wie in der Schweiz stattfinden würde, also eine Volksabstimmung über eine Deckelung der Managergehälter, was denken Sie, Herr Müller, mit welchem Ergebnis diese Abstimmung zu Ende gehen würde?
Müller: Ich könnte mir vorstellen, dass wir ein ähnliches Ergebnis wie in der Schweiz erreichen würden, was aber auch damit zusammenhängt, dass es ja hier auch ein Stückchen darum geht, eine relativ populistische Meinungsbildung zu betreiben. Wenn wir beide, Herr Kapern, jetzt mal darüber nachdenken, wie viele Vorstandsgehälter kennen Sie oder ich denn, über die man wirklich diskutieren muss? Das sind doch absolute Ausnahmen. Und die Hunderte und Tausende von Vorständen und Geschäftsführern, deren Gehälter sich völlig im Rahmen des Üblichen bewegen, über die spricht ja keiner. Wir sprechen immer nur von den drei, vier oder fünf Ausnahmen oder von irgendwelchen Investmentbankern, die von dieser Gesetzgebung gar nicht erfasst werden.
Kapern: Der Rahmen des Üblichen, das ist natürlich auch immer eine Interpretationsfrage, Herr Müller. 1989 haben die 30 Vorstandschefs der DAX-Unternehmen durchschnittlich 500.000 Mark verdient, 20 Jahre später verdienen sie durchschnittlich sechs Millionen Euro. Ist das auch alles im Rahmen des Üblichen?
Müller: Ich habe jetzt diese Rechnung nicht nachvollzogen und weiß nicht, ob die 30 DAX-Vorstandsvorsitzenden tatsächlich sechs Millionen verdienen. Offen gestanden würde ich das bezweifeln, denn es gibt insgesamt, glaube ich, nur zehn Vorstandsvorsitzende, die überhaupt über fünf Millionen liegen. Also habe ich Zweifel an dieser Ausrechnung, sehen Sie mir das bitte nach.
Kapern: Ich kenne einen, der fast 17 Millionen im vergangenen Jahr bekommen hat.
Müller: Ja, aber da reden wir doch von den Ausnahmen, Herr Kapern. Sie kennen auch keinen Zweiten, der 15 hat oder 14. Sie wissen doch genau, dass das eine Ausnahme war, und die ist darüber hinaus von der Hauptversammlung ausdrücklich gebilligt worden. Das heißt, die Eigentümer haben dieses Gehalt ausdrücklich gebilligt. Und am Ende des Tages kann es doch nicht angehen, dass der Gesetzgeber oder wer auch immer oder die Medien glauben, dass sie den Eigentümern aufoktroyieren sollen, welches Gehalt noch angemessen ist und welches nicht mehr. Das muss doch die Entscheidung der Eigentümer sein und die Eigentümer müssen diese ihre Entscheidung bewusst treffen können. Sie brauchen Transparenz, sie müssen also umfänglich informiert werden. Aber wenn das der Fall ist, dann geht es doch mit Verlaub Dritte nichts an, was die Eigentümer entscheiden.
Kapern: Hat denn so etwas wie ein Vorstandsvorsitzendengehalt von, sagen wir mal, fünf oder zehn oder 15 Millionen Euro Auswirkungen, Rückwirkungen auf die Verfassung einer Gesellschaft Ihrer Meinung nach?
Müller: Ich glaube, dass überhöhte Gehälter – und ich bin jetzt im Moment gar nicht willig, von mir aus hier zu definieren, was ich als überhöht empfinde -, ich finde, zweistellige Gehälter auch für sehr erfolgreiche Vorstandsvorsitzende eher als die absoluten Ausnahmen. Auch Vorstände, auch Aufsichtsräte brauchen den Konsens mit unserer Gesellschaft. Der ist ja gerade in Deutschland in der sozialen Marktwirtschaft von besonderer Bedeutung. Insofern zähle ich zu denen, die die Aufsichtsräte an ihre besondere Verantwortung in diesem Zusammenhang erinnern, und diese besondere Verantwortung wird ja geteilt: einmal von demjenigen, der das höhere Gehalt haben will, und zum zweiten von demjenigen, der es dann bewilligen und letztlich der Hauptversammlung vortragen muss. Also insofern geht es schon darum, dass sich hier jeder der Verantwortung, auch der gesellschaftlichen bewusst ist. Aber noch mal: Herr Kapern, wichtig ist, dass wir nicht immer von zehn, zwölf, 15 und 17 sprechen. Das sind absolute Ausnahmen. Und wir dienen der Diskussion nicht, indem wir reine Ausnahmen nehmen. Das ist ja so, als würde ich jetzt so tun, als würde jeder, der Formel eins oder Formel zwei oder Formel drei fährt, 60 Millionen verdienen. Das ist ja da auch nicht der Fall.
Kapern: Herr Müller, dann reden wir doch mal kurz über den Durchschnitt. Da hat uns Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, vor zwei Tagen hier in diesem Sender etwas vorgerechnet. Sie hat gesagt, bei der Gründung des DAX, da lagen die Vorstandsgehälter der DAX-Unternehmen beim 15fachen des Durchschnittsgehalts des Unternehmens, heute liegen sie beim mehr als dem 50fachen. Das ist der Durchschnitt.
Müller: Ich hätte es natürlich begrüßt, wenn ich die Ausrechnung von Sahra Wagenknecht vorher hätte mal prüfen können, oder wenn ich davon vorher mal Kenntnis gehabt hätte. Ich muss das ja so jetzt einfach zur Kenntnis nehmen. Hinzu kommt aber etwas anderes, jetzt mal völlig unabhängig davon, welche Multiplikatoren hier wer in welchem Zusammenhang anwenden möchte. Nicht völlig unbedeutend ist ja auch, wie haben sich die Gehälter links und rechts von uns entwickelt, in anderen, zum Beispiel europäischen Nachbarstaaten. Das ist ja alles nicht ganz unmaßgeblich, darauf zu achten und das auch in einen Vergleich zu ziehen. Deshalb sagt die Regierungskommission, es ist nicht nur wichtig, dass sich die Aufsichtsräte ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind, dass ein ganz hohes Maß an Transparenz hergestellt wird, die haben wir heute noch nicht in befriedigendem Umfange, und – das ist mir ganz besonders wichtig – dass man auch innerhalb eines Aufsichtsrates den Vergleich mit vergleichbaren Unternehmen im In- und im Ausland herstellt, um die Angemessenheit durch einen solchen Vergleich auch noch mal sicherzustellen.
Kapern: Also von einer gesetzlichen Regelung, die beispielsweise das Spitzengehalt des Vorstandsvorsitzenden an das geringste, im Unternehmen gezahlte Gehalt koppelt, davon halten Sie gar nichts?
Müller: Nein, davon halte ich deshalb nichts, weil es ein völlig unzulässiger Eingriff in die eigentümerrechte ist. Da gibt es doch Menschen, denen das Unternehmen gehört. Lassen Sie doch die Eigentümer befinden, wann zu viel zu viel ist.
Kapern: Gibt es auch so etwas wie die Sozialverpflichtung des Eigentums?
Müller: Ja, natürlich gibt es die. Deshalb wiederhole ich: In der sozialen Marktwirtschaft, der wir angehören, können wir nicht für uns beanspruchen, dass für uns alle Regeln von urkapitalistischem Denken gelten. Deshalb zähle ich nicht zu denen, die meinen, dass Gehälter, die hier in die hohen zweistelligen Beträge hineingehen, wie wir das in der Schweiz gesehen haben damals bei Brady Dougan, dem damaligen Chief Executive Officer der Credit Suisse, der hat alleine im Jahre 2010 einen Bonus von 70 Millionen Franken bekommen. Das ist nicht die Welt, der ich mich verpflichtet fühle, das ist auch für mich nicht soziale Marktwirtschaft. Da ist schon ein konsensuales Verhalten und auch die Verantwortung des einzelnen für seinen Platz in der Gesellschaft wichtig, und den muss man leben.
Kapern: Wenn Sie dies nicht als Beispiel für korrektes wirtschaftliches Verhalten gelten lassen wollen, warum wehren Sie sich dann so sehr dagegen, dass verbindliche gesetzliche Regeln aufgestellt werden, die solche Exzesse ausschließen?
Müller: Wie kommen wir beide dazu, der Politik das Recht zuzusprechen, den Eigentümern zu erzählen, was die Eigentümer dürfen und was sie nicht dürfen?
Kapern: Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank und Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance, heute Früh im Deutschlandfunk. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Klaus-Peter Müller: Nein, nicht wirklich. Was mich mehr überrascht hat, ist die Unkenntnis, die in Deutschland weitgehend vorherrscht, wenn ich einmal den Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland mir vergegenwärtige. Der Verwaltungsratsvorsitzende in der Schweiz hat völlig andere Funktionen, viel weitergehende Funktionen als der Aufsichtsratsvorsitzende in Deutschland oder auch als der Vorstandsvorsitzende. Insofern gilt es hier zunächst mal, sich der Unterschiede bewusst zu sein. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass vieles von dem, was die Schweizer jetzt einführen wollen, bei uns in Deutschland bereits existiert.
Kapern: Was denn zum Beispiel?
Müller: Ja zum Beispiel das "Say on pay". Die 30 im DAX notierten Gesellschaften haben nach den mir erteilten Auskünften in den vergangenen beiden Jahren alle, also alle 30, eine sogenannte Abstimmung nach dem Motto "Say on pay" durchgeführt. Das heißt also, sie haben der Hauptversammlung vorgetragen, wie die Vergütungssysteme aussehen, und die Hauptversammlung gebeten, sprich die Aktionäre gebeten, darüber abzustimmen. Wenn ich richtig informiert bin, war das schwächste Ergebnis eine Zustimmung von 75 Prozent, aber in der Regel haben die Zustimmungsquoten deutlich über 90 Prozent gelegen. Das heißt also, in Deutschland wird den Eigentümern, sprich den Aktionären schon seit einigen Jahren genau vorgetragen, auch in den Geschäftsberichten umfangreich erläutert, was wer verdient. Da gibt es also wenig Überraschungen. Das gilt übrigens auch für die Gehälter, die in der letzten zeit in Deutschland für Gesprächsstoff gesorgt haben.
Kapern: Bleiben wir noch mal bei diesen Unterschieden zwischen Deutschland und der Schweiz. Das Votum der Hauptversammlungen in Deutschland hat aber nur unverbindlichen Charakter und der Aufsichtsrat kann dann doch handeln, wie er möchte?
Müller: Das ist zunächst mal richtig. Aber können Sie sich im Ernst vorstellen, dass ein Aufsichtsrat das Risiko auf sich nimmt, wenn eine Hauptversammlung ihm mit Mehrheit sagt, die Eigentümer, die Aktionäre missbilligen das Vergütungssystem? Glauben Sie dann im Ernst, dass ein Aufsichtsrat das Risiko auf sich nimmt, das zu ignorieren? Das hat es sicherlich so nicht gegeben. Aber die Frage, die ja hier durchaus offen ist, ist die Frage, ob wir nicht in Deutschland zu einem bindenden Votum kommen. Damit hätte ich zum Beispiel gar kein Problem.
Kapern: Warum schließen Sie das aus, dass da der Aufsichtsrat gegen die Interessen der Hauptversammlung, aber gemeinsame Sache macht mit dem Vorstand?
Müller: …, weil die Hauptversammlung ja den Aufsichtsrat abberufen kann. Ein Aufsichtsrat, der sich ständig gegen den Wunsch der Hauptversammlung verhält, der wird nicht sehr lange in seinem Amt bleiben werden.
Kapern: Wenn eine vergleichbare Abstimmung in Deutschland wie in der Schweiz stattfinden würde, also eine Volksabstimmung über eine Deckelung der Managergehälter, was denken Sie, Herr Müller, mit welchem Ergebnis diese Abstimmung zu Ende gehen würde?
Müller: Ich könnte mir vorstellen, dass wir ein ähnliches Ergebnis wie in der Schweiz erreichen würden, was aber auch damit zusammenhängt, dass es ja hier auch ein Stückchen darum geht, eine relativ populistische Meinungsbildung zu betreiben. Wenn wir beide, Herr Kapern, jetzt mal darüber nachdenken, wie viele Vorstandsgehälter kennen Sie oder ich denn, über die man wirklich diskutieren muss? Das sind doch absolute Ausnahmen. Und die Hunderte und Tausende von Vorständen und Geschäftsführern, deren Gehälter sich völlig im Rahmen des Üblichen bewegen, über die spricht ja keiner. Wir sprechen immer nur von den drei, vier oder fünf Ausnahmen oder von irgendwelchen Investmentbankern, die von dieser Gesetzgebung gar nicht erfasst werden.
Kapern: Der Rahmen des Üblichen, das ist natürlich auch immer eine Interpretationsfrage, Herr Müller. 1989 haben die 30 Vorstandschefs der DAX-Unternehmen durchschnittlich 500.000 Mark verdient, 20 Jahre später verdienen sie durchschnittlich sechs Millionen Euro. Ist das auch alles im Rahmen des Üblichen?
Müller: Ich habe jetzt diese Rechnung nicht nachvollzogen und weiß nicht, ob die 30 DAX-Vorstandsvorsitzenden tatsächlich sechs Millionen verdienen. Offen gestanden würde ich das bezweifeln, denn es gibt insgesamt, glaube ich, nur zehn Vorstandsvorsitzende, die überhaupt über fünf Millionen liegen. Also habe ich Zweifel an dieser Ausrechnung, sehen Sie mir das bitte nach.
Kapern: Ich kenne einen, der fast 17 Millionen im vergangenen Jahr bekommen hat.
Müller: Ja, aber da reden wir doch von den Ausnahmen, Herr Kapern. Sie kennen auch keinen Zweiten, der 15 hat oder 14. Sie wissen doch genau, dass das eine Ausnahme war, und die ist darüber hinaus von der Hauptversammlung ausdrücklich gebilligt worden. Das heißt, die Eigentümer haben dieses Gehalt ausdrücklich gebilligt. Und am Ende des Tages kann es doch nicht angehen, dass der Gesetzgeber oder wer auch immer oder die Medien glauben, dass sie den Eigentümern aufoktroyieren sollen, welches Gehalt noch angemessen ist und welches nicht mehr. Das muss doch die Entscheidung der Eigentümer sein und die Eigentümer müssen diese ihre Entscheidung bewusst treffen können. Sie brauchen Transparenz, sie müssen also umfänglich informiert werden. Aber wenn das der Fall ist, dann geht es doch mit Verlaub Dritte nichts an, was die Eigentümer entscheiden.
Kapern: Hat denn so etwas wie ein Vorstandsvorsitzendengehalt von, sagen wir mal, fünf oder zehn oder 15 Millionen Euro Auswirkungen, Rückwirkungen auf die Verfassung einer Gesellschaft Ihrer Meinung nach?
Müller: Ich glaube, dass überhöhte Gehälter – und ich bin jetzt im Moment gar nicht willig, von mir aus hier zu definieren, was ich als überhöht empfinde -, ich finde, zweistellige Gehälter auch für sehr erfolgreiche Vorstandsvorsitzende eher als die absoluten Ausnahmen. Auch Vorstände, auch Aufsichtsräte brauchen den Konsens mit unserer Gesellschaft. Der ist ja gerade in Deutschland in der sozialen Marktwirtschaft von besonderer Bedeutung. Insofern zähle ich zu denen, die die Aufsichtsräte an ihre besondere Verantwortung in diesem Zusammenhang erinnern, und diese besondere Verantwortung wird ja geteilt: einmal von demjenigen, der das höhere Gehalt haben will, und zum zweiten von demjenigen, der es dann bewilligen und letztlich der Hauptversammlung vortragen muss. Also insofern geht es schon darum, dass sich hier jeder der Verantwortung, auch der gesellschaftlichen bewusst ist. Aber noch mal: Herr Kapern, wichtig ist, dass wir nicht immer von zehn, zwölf, 15 und 17 sprechen. Das sind absolute Ausnahmen. Und wir dienen der Diskussion nicht, indem wir reine Ausnahmen nehmen. Das ist ja so, als würde ich jetzt so tun, als würde jeder, der Formel eins oder Formel zwei oder Formel drei fährt, 60 Millionen verdienen. Das ist ja da auch nicht der Fall.
Kapern: Herr Müller, dann reden wir doch mal kurz über den Durchschnitt. Da hat uns Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, vor zwei Tagen hier in diesem Sender etwas vorgerechnet. Sie hat gesagt, bei der Gründung des DAX, da lagen die Vorstandsgehälter der DAX-Unternehmen beim 15fachen des Durchschnittsgehalts des Unternehmens, heute liegen sie beim mehr als dem 50fachen. Das ist der Durchschnitt.
Müller: Ich hätte es natürlich begrüßt, wenn ich die Ausrechnung von Sahra Wagenknecht vorher hätte mal prüfen können, oder wenn ich davon vorher mal Kenntnis gehabt hätte. Ich muss das ja so jetzt einfach zur Kenntnis nehmen. Hinzu kommt aber etwas anderes, jetzt mal völlig unabhängig davon, welche Multiplikatoren hier wer in welchem Zusammenhang anwenden möchte. Nicht völlig unbedeutend ist ja auch, wie haben sich die Gehälter links und rechts von uns entwickelt, in anderen, zum Beispiel europäischen Nachbarstaaten. Das ist ja alles nicht ganz unmaßgeblich, darauf zu achten und das auch in einen Vergleich zu ziehen. Deshalb sagt die Regierungskommission, es ist nicht nur wichtig, dass sich die Aufsichtsräte ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind, dass ein ganz hohes Maß an Transparenz hergestellt wird, die haben wir heute noch nicht in befriedigendem Umfange, und – das ist mir ganz besonders wichtig – dass man auch innerhalb eines Aufsichtsrates den Vergleich mit vergleichbaren Unternehmen im In- und im Ausland herstellt, um die Angemessenheit durch einen solchen Vergleich auch noch mal sicherzustellen.
Kapern: Also von einer gesetzlichen Regelung, die beispielsweise das Spitzengehalt des Vorstandsvorsitzenden an das geringste, im Unternehmen gezahlte Gehalt koppelt, davon halten Sie gar nichts?
Müller: Nein, davon halte ich deshalb nichts, weil es ein völlig unzulässiger Eingriff in die eigentümerrechte ist. Da gibt es doch Menschen, denen das Unternehmen gehört. Lassen Sie doch die Eigentümer befinden, wann zu viel zu viel ist.
Kapern: Gibt es auch so etwas wie die Sozialverpflichtung des Eigentums?
Müller: Ja, natürlich gibt es die. Deshalb wiederhole ich: In der sozialen Marktwirtschaft, der wir angehören, können wir nicht für uns beanspruchen, dass für uns alle Regeln von urkapitalistischem Denken gelten. Deshalb zähle ich nicht zu denen, die meinen, dass Gehälter, die hier in die hohen zweistelligen Beträge hineingehen, wie wir das in der Schweiz gesehen haben damals bei Brady Dougan, dem damaligen Chief Executive Officer der Credit Suisse, der hat alleine im Jahre 2010 einen Bonus von 70 Millionen Franken bekommen. Das ist nicht die Welt, der ich mich verpflichtet fühle, das ist auch für mich nicht soziale Marktwirtschaft. Da ist schon ein konsensuales Verhalten und auch die Verantwortung des einzelnen für seinen Platz in der Gesellschaft wichtig, und den muss man leben.
Kapern: Wenn Sie dies nicht als Beispiel für korrektes wirtschaftliches Verhalten gelten lassen wollen, warum wehren Sie sich dann so sehr dagegen, dass verbindliche gesetzliche Regeln aufgestellt werden, die solche Exzesse ausschließen?
Müller: Wie kommen wir beide dazu, der Politik das Recht zuzusprechen, den Eigentümern zu erzählen, was die Eigentümer dürfen und was sie nicht dürfen?
Kapern: Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank und Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance, heute Früh im Deutschlandfunk. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.