
In seiner Abschiedsrede warnte der scheidende Präsident Joe Biden davor, dass in den USA mit Donald Trumps zweiter Amtszeit die Oligarchen die Macht übernehmen. Dass also Menschen besonders mächtig werden, die nicht gewählt wurden, sondern ihre Macht auf andere Weise bekommen haben.
Aber was genau ist ein Oligarch? Wann sind Oligarchen in der Geschichte erstmals aufgetaucht?
Was bedeutet das Wort Oligarchie?
„Oligarchie wird abgeleitet vom altgriechischen Wort ‚oligarchia‘“, sagt die Historikerin Alexandra Eckert. Das Wort steht für „eine Herrschaft weniger“: Eine kleine Gruppe übt die Macht aus. Die Idee dahinter, die in antiken Quellen zu finden sei, beruht laut Eckert darauf, dass diese Oligarchen sich als „die Besten“ verstehen würden. „Diejenigen, die am besten ausgebildet sind, und die deshalb auch am besten Verantwortung für ein Gemeinwesen übernehmen können“, beschreibt Eckert die „antike Rechtfertigung für diese Form von Herrschaft“.
Wer waren die ersten Oligarchen?
Geschichtswissenschaftler haben eine Oligarchisierung bereits in der Historie des antiken Griechenlands beschrieben. „Die erste große Demokratie entstand in Athen im Laufe des 5. Jahrhunderts vor Christus“, sagt die Historikerin Alexandra Eckert. Mitte des 5. Jahrhunderts verfügte Athen demnach über ein „auch nach modernen Vorstellungen institutionell sehr gut ausgebildetes demokratisches System“.
„Aber es gibt in diesem System immer wieder Leute, die damit nicht einverstanden sind – und die das auch als Einschränkung einer Machtfülle sehen, die sie vorher hatten", sagt Eckert. „Und wir haben schon in der ersten Hälfe des 5. Jahrhunderts Überlieferungen, dass Leute versuchen, tatsächlich die Demokratie zu stürzen.“ In zwei Fällen kamen später dann auch „oligarchische Regimes“ in Athen an die Macht, so die Historikerin.
Welche Oligarchen gab es noch in der Geschichte?
Oligarchische Strukturen hat es nicht nur in der Antike gegeben, sondern zum Beispiel auch in der italienischen Renaissance. Da wären etwa die Medici, die durch Handel und Bankgeschäfte sehr reich wurden und sich im eigentlich demokratischen Florenz politischen Einfluss kauften.
Im 19. Jahrhundert gewannen Oligarchen auch in Staaten Lateinamerikas an Einfluss. Nach der Unabhängigkeit von Spanien und Portugal seien Republiken gegründet worden, die sich an den Idealen der französischen Revolution orientierten, so der Ökonom Joachim Becker. „Gleichzeitig waren Land und Eigentum sehr ungleich verteilt.“ Großgrundbesitzer strebten demzufolge nach Zugriff auf den Staat, um die hohe Eigentumskonzentration zu erhalten.
Reiche Oligarchen gewannen auch an Einfluss nach dem Zerfall der Sowjetunion. Der 2023 gestorbene Unternehmer und frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi wurde ebenfalls als Oligarch bezeichnet. Auch Russlands Machthaber Wladimir Putin gilt als Oligarch – ein Oligarch im Amt des Präsidenten.
Was taugt der Begriff Oligarchie zur Beschreibung heutiger Verhältnisse?
Der Begriff mache auch heute „noch Sinn“, so der Professor für Volkswirtschaft Joachim Becker. Er definiert Oligarchie als „Herrschaft einer Minderheit, die die Macht zu ihrem eigenen privaten Nutzen benutzt“.
Ökonomische und politische Macht würden dabei verbunden – und oft komme auch noch mediale Macht hinzu. Becker hat zu Oligarchen in Russland und Osteuropa geforscht. "Meistens heißt das dann real, dass politische Macht auch genutzt wird, um wirtschaftliche Eigeninteressen zu nutzen. Und die mediale Macht befördert eben auch die politische Karriere."
Auch Donald Trump könne man als Oligarchen bezeichnen, sagt der Ökonom Becker. Trumps großes Vermögen, sein Netzwerk und seine Verbindungen etwa in einzelne Medien hinein hätten ihm geholfen, eine politische Karriere zu starten. Und im Wahlkampf und zu Beginn der zweiten Amtszeit gab es auch eine enge Verbindung Trumps mit dem Tech-Oligarchen Elon Musk.
Welche Gefahr stellen Oligarchen für die Demokratie dar?
Auch der Politikwissenschaftler Claus Leggewie verwendet den Begriff zur Beschreibung heutiger Verhältnisse. Seit der Jahrtausendwende breiteten sich laut Leggewie Autokratien aus, „die sich oftmals demokratische Mehrheiten sichern und damit legitimieren“.
Gefahr drohe unter anderem von der Etablierung einer Oligarchie, verbunden mit einem „technologisch-industriellen Komplex“, wie sie der aus dem Amt scheidende US-Präsident Biden bei seinem Abschied ausgemalt hatte. Die Inauguration von Bidens Nachfolger hat laut Leggewie „die Präpotenz (Übermacht, die Red.) der Tech-Milliardäre“ belegt.
Hörfunkbeitrag: Jörg Biesler; Online-Text: tei