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Olympische Spiele in Tokio
Vorsichtige Euphorie in Japan

Kurz vor Beginn der Spiele war in Tokio nichts von Euphorie zu spüren. Das Coronavirus breitet sich unter den AthletInnen aus. Viele Tokioter wünschten sich, dass die Geisterspiele am besten schon vorbei wären. Doch mit dem Olympia-Start und den sportlichen Erfolgen Japans, hat sich das Bild gedreht.

Von Felix Lill | 27.07.2021
    Japanische Olympia-Fans schauen die Wettkämpfe in einem Restaurant in Kobe.
    Japanische Olympia-Fans schauen die Wettkämpfe in einem Restaurant in Kobe. (dpa / picture alliance / Kyodo)
    Wer an diesen Tagen in Japan den Fernseher einschaltet, wird außer Jubeln und Raunen nicht viel erleben. Am Montagabend gewann Japans gemischtes Doppel im Tischtennis gegen den ungeliebten Nachbarn China und holte eine weitere Goldmedaille für das Gastgeberland. Es war schon Nummer acht. Außerdem hat Japan zweimal im Skateboarding gewonnen, viermal im Judo und einmal im Schwimmen.
    Vieles deutet darauf hin, dass dies die erfolgreichsten Olympischen Spiele der japanischen Geschichte werden. So erfolgreich, dass man im Land nun wohl doch noch warm werden könnte mit diesen kontroversen Spielen:
    "Ich war zuerst gegen die Spiele, wie die meisten Leute, wegen der Pandemie. Aber wo sie jetzt laufen, bin ich ehrlich gesagt froh drüber. Japan ist ja auch extrem stark", sagt der 32-jährige Ryusuke Nonaka am Dienstagnachmittag in einem Café im Tokioter Stadtteil Yotsuya.

    Über 50 Prozent Einschaltquote bei der Eröffnungsfeier

    Schon mit Beginn der Spiele habe sich seine Einstellung zu Olympia geändert. Und da ist er nicht der Einzige. Die Einschaltquote der Eröffnungsfeier am Freitag lag in der Hauptstadtregion bei über 50 Prozent.
    Die Olympia-Übertragungen laufen in einem Restaurant in Japan kaum beachtet im Hintergrund. 
    Die Olympia-Übertragungen laufen in einem Restaurant in Japan kaum beachtet im Hintergrund. (dpa / picture alliance / Kiichiro Sato)
    Am Montagabend, in einer Kellerbar im Westen der Hauptstadt, die trotz der dringenden Aufforderung der Regierung zum Schließen noch geöffnet hat, blickt der 23-jährige Kyon immer mal wieder zum Fernseher:
    "Ich hatte Tickets für Basketball und hatte mich trotz der Pandemie drauf gefreut. Aber dann durften ja keine Zuschauer mehr in die Stadien. Dann waren mir die Spiele ehrlich gesagt egal. Wären sie abgesagt worden, hätte ich nichts dagegen gehabt. Aber jetzt, wo sie doch laufen, schau ich schon gerne hin."

    Erfolge der japanischen Athleten scheinen der Stimmung gutzutun

    Der Fernseher zeigt Wettbewerbe im Schwimmen, danach stehen noch Tischtennis und Turnen an. Dass sich die gesamte Kundschaft hier um den Fernseher tummelt, lässt sich nicht behaupten. Dass der Sport den Menschen völlig egal ist, aber auch nicht.
    Umfragen haben gezeigt, dass sich ungefähr 70 Prozent in Japan - trotz der weiterhin überwiegenden Olympiaopposition - auf die Wettkämpfe gefreut haben. Und die Erfolge der japanischen Athleten scheinen der Stimmung gutzutun. Am Montagabend führte das ostasiatische Land sogar vor den USA und China den Medaillenspiegel an.
    "Es ist schade, dass das Public Viewing nicht möglich ist. Aber in der Pandemie ist es besser so. Ich schaue mir die Spiele mit einem Bier zuhause allein an. Jetzt in der Pandemie machen das viele Leute so. Ich freue mich schon aufs Baseball am Mittwoch."
    Das geht vermutlich nicht nur Ryusuke Nonaka so. Baseball ist der beliebteste Sport in Japan. Und auf euphorische Berichterstattung kann man sich ohnehin verlassen. Die größten Medienunternehmen Japans sind Sponsoren der Spiele, und der öffentliche Rundfunksender hat die Übertragungsrechte.