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Olympische Winterspiele
"Es sind Stätten gebaut worden, die man nie wieder braucht"

Umweltschutz und Nachhaltigkeit funktioniert bei Olympischen Winterspielen nur selten. "Auch in Pyeongchang sind Wälder gerodet worden", sagte Sportjournalistin Jessica Sturmberg im Dlf. Es gebe aber zumindest Ansätze, den ökologischen Raubbau nicht mehr so ausufern zu lassen.

Jessica Sturmberg im Gespräch mit Sandro Schroeder | 09.02.2018
    Hier finden die alpinen Ski-Wettbewerbe statt.
    Hier finden die alpinen Ski-Wettbewerbe statt. (dpa / Michael Kappeler)
    Sandro Schroeder: Es ist Aufgabe des IOC, "einen verantwortungsvollen Umgang mit Umweltbelangen zu stärken und zu unterstützen". Da fragt sich nur: Wie verantwortungsvoll, wie umweltfreundlich, wie nachhaltig kann so ein internationales Riesenevent überhaupt noch sein? Und wie sieht es damit bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr aus? Die koreanischen Organisatoren jedenfalls schreiben, die Spiele in Pyeongchang sollen nachhaltiger sein als alle Vorgänger, sie sollen einen Fortschritt bei den bisherigen Standards bringen.
    Erleben wir ab heute Mittag also die grünsten Spiele aller Zeiten?
    Jessica Sturmberg: Grüne Olympische Spiele im Sinne von Umweltschutz und Nachhaltigkeit wäre etwas anderes, auch in Pyeongchang sind Wälder gerodet worden, olympische Stätten gebaut worden, die man wohl nach den Spielen nie wieder braucht.
    Aber wenn man es relativ betrachtet, dann ist Pyeongchang - wenn man so will - grüner als zuletzt. Wobei die Spiele von Sotschi kaum noch zu toppen gewesen wären in Bezug auf Gigantismus, Umweltsünden und der Frage der Nachhaltigkeit. Etwa 35 Milliarden Euro haben diese Spiele in Sotschi gekostet - jetzt ist die Rede von zehn Milliarden Euro in Pyeongchang.
    Es gibt zumindest Ansätze, den ökologischen Raubbau nicht mehr so ausufern zu lassen und weiße Elefanten zu vermeiden. Also große Bauten, die nach Olympia nicht mehr gebraucht werden verrotten. Beispiel: das Olympiastadion, dass wird nach den Spielen wieder abgebaut und Teile sollen dann anderweitig genutzt werden.
    Bauarbeiten am Berg Gariwang vor den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang
    Bauarbeiten am Berg Gariwang vor den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang (Katrin Erdmann, ARD)
    "Es wurden 60.000 Bäume gefällt wurden, darunter 500 Jahre alte"
    Schroeder: An welcher Stelle ist Pyeongchang nicht so grün und nachhaltig wie es sollte und könnte?
    Sturmberg: Es sind auch wieder Stätten gebaut worden, die man nicht mehr braucht. Beispiel: die Rodel- und Bobbahn, da wurde eine Bahn neu gebaut, die später kaum bis keine Verwendung finden wird.
    Besonders schmerzhaft für Naturschützer war der Bau der alpinen Skipiste. Zwar hat das IOC dieses Mal nur eine Piste verlangt, es gibt jetzt keine zwei verschiedene für Frauen und Männer. Aber auch die eine Piste hat schon dafür gesorgt, dass am Mount Gariwang der Wald, der vielen als heilig galt, 60.000 Bäume gefällt wurden, darunter 500 Jahre alte, und hoch gewachsene Bäume.
    Und es gab auch dort Enteignungen, also durchaus die Dinge, die man ja eigentlich mit der Agenda 2020 beim IOC vermeiden wollte.
    Schroeder: Das sind die strukturellen Probleme. Wir reden ja über Olympische Winterspiele. Wie sieht es denn aus? Gibt es denn wirklich einen Winter in Südkorea gerade oder muss da dann doch wieder die Schneekanone herhalten?
    "Eroberung neuer Märkte wichtiger als der Umweltschutz"
    Sturmberg: Kalt genug ist es, wir haben es in den letzten Tagen immer wieder gehört, wie sehr die Sportler frieren. Allerdings gibt es wenig Niederschlag. Das hat wieder dazu geführt, dass auch wieder die Schneekanonen angemacht werden mussten und zum Einsatz gekommen sind.
    Schroeder: Welche Rolle spielen denn die Nachhaltigkeit und die Umweltfreundlichkeit bei der Vergabe der Spiele? Man könnte ja jetzt etwas unternehmen, um die nächsten Spiele besser zu gestalten.
    Sturmberg: Im Grunde hat sich das IOC ja eine solche Agenda gegeben, mit der Agenda 2020, soll ja eben besser und grüner werden. Wenn dann werden sie eher dazu gezwungen, etwas ökologischer zu werden, weil die Bewerber abspringen.
    Deswegen hat das IOC da mittlerweile auch den Druck, dort etwas ökologischer zu werden. Aber ich glaube am Ende des Tages wird immer die Frage sein, wo kann man wieder Märkte erobern und entwickeln. Und das war ja auch der Grund, warum Pyeongchang diese Spiele bekommen hat.
    Und wenn man sich nochmal das Auswahlverfahren 2011 in Durban in Erinnerung ruft: Damals hat Pyeongchang die Wahl zum Austragungsort 2018 gegen München und Annecy gewonnen. München hatte damals eine Bewerbung eingereicht, die auf mehr Sparsamkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet war. Aber die waren eben nicht gewünscht, da war ganz klar der Fokus, wir wollen die asiatischen Märkte für den Wintersport erobern.