Mittwoch, 24. April 2024

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Spaniens katholische Kirche
Opfer sexueller Gewalt fordern Aufklärung

Die Tageszeitung "El País" enthüllt seit Jahren sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen in Spanien. Die damaligen Opfer sind heute erwachsen. Unter dem Druck der Öffentlichkeit will die Regierung tätig werden. Die katholische Bischofskonferenz vor Ort aber schweigt.

Von Hans-Günter Kellner | 10.02.2022
Außenansicht der Kathedrale von Cartagena mit rotem Tor, grüner Tür uns zwei Heiligenfiguren (Symbolbild)
Die größte Tageszeitung Spaniens untersucht seit 2018 Fälle sexuellen Missbrauchs in der spanischen katholischen Kirche (picture alliance / blickwinkel/P. Royer)
Pedro Almodóvar sprach schon 2004 davon: Der sexuelle Missbrauch des Schuljungen Ignacio durch einen katholischen Priester war eines der zentralen Themen seines Films „Schlechte Erziehung“. Der Pfarrer spielt Gitarre, blickt den singenden Jungen an. Dann zeigt der Regisseur nur Vegetation.

Als Almodóvar den Film vorstellte, in dem er eigene Erfahrungen mit der katholischen Erziehung verarbeitete, schenkte dem Thema kaum jemand in Spanien große Beachtung. In einem traditionell katholischen Land, in dem das Franco-Regime den sogenannten Nationalkatholizismus mit Gewalt durchsetzte und der Kirche eine Sonderstellung bei der Erziehung zusprach, kamen solche Dinge eben vor.

Politik gibt dem Druck der Öffentlichkeit nach

Jahre später änderte sich das: Die spanische Tageszeitung „El País“ hatte damit begonnen, Nachforschungen anzustellen. Lange Zeit passierte nichts, doch in diesen Tagen hat die Politik dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben. Sie hat angekündigt, den sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen zu untersuchen.
Die katholische Bischofskonferenz aber schweigt bis heute. Auch Betroffene brauchten Jahrzehnte, um die Scham zu überwinden und sich öffentlich zu äußern. Antonio Carpallo, heute 81 Jahre: „Er kam ans Bett. Er fragte mich: ‚Willst Du ins Stadion?‘ Sevilla spielte gegen Valencia.“
Szene aus dem Film "Schlechte Erziehung" - ein Junge sitzt mit einem Pfarrer im Gras, der Pfarrer spielt Gitarre
Mit dem Film "La mala educación" verarbeitet Regisseur Pedro Almodóvar seine eigene Erfahrung mit der katholischen Erziehung in Spanien (picture alliance / United Archives)
Im Herbst 2018 nahm El País“ die Arbeit auf. Die damals neu berufene Chefredakteurin, Soledad Gallego Díaz, entschied, dass die größte Tageszeitung Spaniens den sexuellen Missbrauch auch in ihrem Land untersuchen sollte. In vielen anderen katholisch geprägten Ländern seien zahlreiche Fälle bekannt geworden, so die Journalistin, aber nicht in Spanien. Sie bildete ein Rechercheteam, dem Redakteur Iñigo Domínguez angehört.  

„Die Kirche war zu keiner Zusammenarbeit bereit. Sie wollte zu den ihr bekannten Fällen nichts sagen. Von den Gerichten wussten wir von 34 nachgewiesenen Fällen aus den letzten Jahrzehnten. Das ist eine lächerliche Zahl. Ich schrieb über diese 34 Fälle mit einer Infografie über jeden einzelnen davon.“

Und am Ende des Textes stand die E-Mail-Adresse der Redaktion. Ein Angebot an weitere Opfer, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und ihren Fall zu schildern. „Das hat alles verändert. In einer Woche bekamen wir 300, 400 Zuschriften. Das war eine ganze Welle von Zuschriften und die Zeitung sah, dass das ein großes Thema war und richtete ein Team mit sieben Leuten ein. 2019 war der sexuelle Missbrauch Thema eines Sondergipfels im Vatikan. Wir hatten also bis zum Beginn des Gipfels vier Monate vor uns, mit sehr viel Arbeit, in denen wir versuchten, über so viele Fälle zu berichten, wie nur möglich.“

Kirche nicht zur Zusammenarbeit bereit

Ein weiterer dieser Berichte stammt von der heute 58-jährigen Leonor García. Sie war mit acht Jahren in einem katholischen Sanatorium untergebracht: „Er setzte sich mit seiner Soutane zu uns und nahm uns auf den Schoß. Dann begann er mit seinen Fingern in unserem Geschlecht rumzufummeln.“

„Die Schwierigkeiten sind enorm. Es ist so viel Zeit vergangen. Die Opfer haben ihr Leid niemandem mitgeteilt, nach 40 Jahren sprechen sie zum ersten Mal darüber. Es gibt keine Beweise, nur die Berichte der Opfer. Vor allem, die Kirche will von alldem nichts wissen. Die Anrufe liefen so ab:

„Ich habe hier diesen Bericht eines Opfers, das diesen oder jenen Priester beschuldigt.‘ Und von der anderen Seite kam immer nur: „Nein, davon wissen wir nichts.“ - „Und, werdet Ihr den Fall untersuchen?“ - „Nein.“

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Während die meisten Fälle als verjährt gelten und deshalb von den Gerichten nicht untersucht werden, wurde der Geistliche, der den Sohn von Juan Casanova sexuell misshandelte, zu zwei Jahren Haft verurteilt: „Das war 2008, 2009 und 2010. Es nahm nach und nach zu. Dieser Herr hat meinen Sohn aus dem Unterricht zu sich geholt. Fünf, sechs Stunden in einer Woche. Bei sexuellen Straftätern entwickelt sich das nach und nach.“

Der heute 81-jährige Antonio Carpallo ist Vollwaise. Er und sein Bruder waren fünf und sechs Jahre alt, als ihre Eltern starben. Das Sorgerecht bekam die Großmutter. Als sie neun und zehn Jahre alt waren, vermittelte der Pfarrer ihrer Kirchengemeinde die beiden Jungen an ein Internat der Salesianer Don Boscos in Sevilla. Antonios Berichte aus der Schulzeit bei den Salesianern sind voller Bitterkeit. Wie viele Opfer erinnert er sich nicht nur an sexuellen Missbrauch, sondern auch an die körperliche Züchtigung.

„Du musstest Dich hinknien, die Arme ausgebreitet. In dieser Stellung haben sie Dir dann auf die Hände geschlagen. Die Gewalt war Alltag. Sie schlugen uns im Beichtstuhl. Man erfand dort Sünden. Im Beichtstuhl. Das war schlimm.“

"Ich habe mich wirklich geschämt"

Manche Jungen seien geflüchtet, weil sie die Misshandlungen nicht mehr ertragen hätten, erinnert er sich, doch nirgends hätten sie Zuflucht gefunden. Schließlich seien sie zurückgekehrt. Von der erlittenen sexuellen Misshandlung berichtet Antonio nur knapp. Der Präfekt des Internats, eine Art Tutor, sei nachts zu ihm gekommen, habe ihn gefragt, ob er gerne ein Heimspiel des FC Sevilla besuchen wolle. Dabei habe er masturbiert.

„Sie hatten es leicht. Wenn sie einen Jungen missbrauchen wollten, sagten sie ihm: ‚Hey, Du kommst schon lange nicht mehr zur Beichte.‘ Und sie nahmen ihn dann in eine Ecke des Arbeitszimmers. Aber es wurde nicht viel davon gesprochen. Wem hätte man es erzählen sollen? Wir waren Waisenkinder. Ich hätte meiner Großmutter schreiben können. Aber die Briefe wurden ja gelesen, bevor sie rausgeschickt wurden.“

Später habe er fast niemandem davon erzählt. „Ich habe mich da wirklich geschämt.  Man konnte erzählen, dass man verprügelt worden ist. Aber dass sie dich angefasst haben?“

Der Opferrolle nicht bewusst gewesen

Auch Leonor García, heute 58 Jahre alt, ist ein Opfer sexueller Übergriffe durch einen Geistlichen -  mit schwerwiegenden Folgen bis heute. Mit acht Jahren erkrankten Leonor und ihr Bruder an Tuberkulose. Sie kamen in ein Sanatorium in der Nähe von Bilbao, das von Nonnen betrieben wurde. Auch ein Pfarrer kam regelmäßig zu Besuch. Er soll die Kinder schwer sexuell misshandelt haben.
50 Jahre später berichtet Leonor davon, wie er im Beichtstuhl masturbierte und davon, wie er nachts mit den Fingern in ihrem Geschlecht „herumgewühlt hat“, so Leonor wörtlich. Ein Geistlicher, den die Mädchen nach eigenen Angaben eigentlich mochten, der liebevoll zu ihnen war.
„Das ist das, was sie uns angetan haben. Ich bin ein Opfer, aber ich war mir dessen nie bewusst. Ich gehöre zu der Generation, die für die Gleichberechtigung gekämpft hat, dafür, dass Sexualität Freiheit und Schönheit bedeutet. Dieser Mensch hat uns angeblich geliebt. Und eine sexuelle Aggression ist doch eine Frage von Gewalt. Wir sehen so viel Gewalt an Frauen, und Du denkst, das hast Du doch gar nicht erlebt. Und irgendwann stellst Du fest, dass Du es nicht erträgst, dass Dein Partner, den Du so sehr liebst, Dich anfasst. Klar, man kann Sex haben, man kann auch Kinder bekommen, aber es gibt Dinge, die Du nicht akzeptierst und weißt nicht, warum. Das haben sie uns genommen. Diese Schönheit.“
Ein steinernes Kreuz an der Kreuzung der Calle de Toledo und der Calle de los Cuchilleros im Zentrum der spanischen Hauptstadt Madrid.
Missbrauch im Beichtstuhl, im Schlafraum des Internats, in der Ecke des Arbeitszimmers - erst viele Jahre danach melden sich Opfer (imago / Mangold)
Eine Aggression durch einen auf den ersten Blick liebevollen Menschen. Es belaste ihr Verhältnis zu ihren Mitmenschen bis heute. Damals im Schlafsaal des Sanatoriums von Bilbao hätten sich die Mädchen schließlich mit ihren Mitteln gewehrt. „Wir beschlossen, dass, wenn der Priester kommt, wir uns ganz fest in die Bettwäsche einwickeln, von den Füßen bis zum Hals. Damit er nicht an die Peseta rankommt. ‚Die Peseta‘, so nannten wir die Genitalien. Aber dann kam eine andere Betreuerin und sah uns da eingewickelt wie Mumien und fragte, was wir machen. Und wir sagten, dass der Pfarrer kommt. Er kam nie wieder.“

Bistum Bilbao leitete Untersuchungsausschuss ein - als eines der wenigen

Das Bistum Bilbao habe sich nach der Veröffentlichung ihrer Geschichte mit ihr in Verbindung gesetzt – es ist eines der wenigen katholischen Bistümer in Spanien, das einen Untersuchungsausschuss eingerichtet hat. Dazu gehört auch ein Geistlicher.

„Ich fand, der Geistliche sollte dabei sein. Das ist ein junger Mann, wenn er sein Leben seinem Glauben widmen möchte, muss er mir zuhören. Sie waren sehr korrekt, empathisch. Sie fragten, was ich wollte. Ich sagte, ich möchte wissen, wer der Pfarrer war, der mir das angetan hat, wer ihn beaufsichtigt hat, wohin er später kam. Und ich fragte, ob andere Fälle aus dem Sanatorium bekannt sind. Sie antworteten mit nein. Aber der Geistliche sagte: ‚Wenn es einen Fall gab, gab es mehr.‘“

Auch das Bistum Madrid hat vor zwei Jahren eine Anlaufstelle für Opfer eingerichtet. Der spanische Philosophie-Professor Miguel García-Baró betreut das Projekt „Repara“: „Wir hatten hier auch schon den Fall eines Mannes, Opfer eines grausamen Geistlichen, der nach vielen Jahren hierher kam und uns beschimpfen und gleichzeitig umarmen wollte. Einerseits bezeichnete er uns Laien als naiv, auf der anderen Seite war er froh über unsere Arbeit, dass wir ihm zuhörten. Aber die meisten Menschen kommen ohne Vorurteile zu uns, sie wollen, dass ihnen jemand zuhört, ihnen glaubt, ihnen Hilfe anbietet, psychologische, juristische und auch spirituelle Hilfe. Natürlich kostenlos.“

García-Baró hofft, den Opfern in den Räumen der Caritas, die ohne religiöse Symbole dekoriert sind, die Scheu vor einer kirchlichen Beratungsstelle zu nehmen. Mit Erfolg. 103 Menschen hat das Projekt im vergangenen Jahr betreut, 2020 waren es 85. Die Opferberichte führten auch zu Überlegungen, wie in Zukunft sexuellem Missbrauch vorgebeugt werden kann: „Es gibt auch Risiken in der spirituellen Führung, die zur Kontrolle des Gewissens führt. Das muss ein Thema weiterleitender Untersuchungen sein."

Kirche weigert sich, bekannte Fälle mitzuteilen

Nicht alle von ihnen sind Opfer sexueller Gewalt durch Kleriker. Im internationalen Vergleich sind es nur wenige. Philosophie-Professor Miguel Garcia-Baró: „Diese Zahlen sind sehr niedrig. Aber wir stellen keine eigene Untersuchung an. So können wir auch nicht wissen, ob die niedrigen Zahlen in Spanien Ergebnis einer wundersamen spirituellen Gesundheit sind. Oder ob noch viele weitere Fälle bekannt werden. Wir können es nicht wissen.“

Und dann adressiert der Leiter der kirchlichen Anlaufstelle die Kirchenführung direkt: „Meine persönliche Meinung ist: Die Kirche sollte sich bei der Sorge um Klarheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe auch in diesem Thema von niemandem überholen lassen. Davon bin ich fest überzeugt.“

Bislang sind die spanischen Bischöfe solchen Forderungen aus den eigenen kirchlichen Reihen nicht nachgekommen. Und auch die Bitte der Tageszeitung El País um Aufklärung habe die katholische Bischofskonferenz bislang ignoriert. Das unterstreicht Redakteur Iñigo Domínguez: „Die Zahlen sind ein großes Problem. Die Kirche hat sich stets geweigert, die ihr bekannten Fällen mitzuteilen. Sie sagen, sie wissen es nicht. Wir haben im April 2021 eine erste Bilanz vorgelegt. Jetzt sind es mehr als 1.200 Opfer und 600 Fälle, also mutmaßliche Täter. Ein Teil von ihnen ist in unserem Bericht zum Thema aufgelistet, es sind 251. Jeder Fall ist ein Beschuldigter.

Staatsanwaltschaft: Taten sind längst verjährt

Und diesen Bericht hat ein Journalist der Zeitung Papst Franziskus im vergangenen Dezember überreicht – persönlich, im Flugzeug, bei einer Reise des Papstes nach Malta. Franziskus mahnt seit Längerem eine Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche an. In Spanien aber stößt er noch immer auf große Widerstände. Die spanische Bischofskonferenz hält die Bistümer für zuständig. Für die Staatsanwaltschaften handelt es sich um längst verjährte Taten - und die Politik, so El Pais-Redakteur Domínguez, habe den Konflikt in der Vergangenheit immer gescheut:

„Die Kirche will keine Untersuchungskommission, auch keine, die die Bischöfe selbst bestimmen wie in Deutschland oder Frankreich. Den Staat interessiert das auch nicht. Denn, würde diese Regierung eine unabhängige Untersuchung vornehmen, würde von einer Kampagne gesprochen, die sich gegen die Kirche richtet. Aber irgendwas wird geschehen und das Thema wird auf die Agenda kommen. Wir untersuchen das Thema nun schon seit drei Jahren. In drei Jahren sind aus den 34 Fällen, die damals bekannt wurden, weit mehr als zehn Mal so viele geworden.“
Foto vom Profil des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte nach dem Interview des betroffenen Schrifstellers Alejandro Palomas eine Untersuchungskommission an (picture alliance / abaca)
Nur wenige Tage nach dem Interview kommt tatsächlich Bewegung in das Thema, die Politik hat in diesen Tagen damit begonnen, die Weichen neu zu stellen. Der Anlass: Der spanische Schriftsteller Alejandro Palomas gibt dem Rundfunksender Cadena Ser Ende Januar ein Interview. Er berichtet aus seiner Zeit an einer katholischen Schule in der Nähe von Barcelona im Jahre 1976. Ein Geistlicher fuhr ihn damals im Auto nach Hause:

„Ich war sehr krank, hatte hohes Fieber. Wir fuhren im Auto, in der einen Hand hatte er das Lenkrad, mit der anderen zog er mir die Hose runter und befummelte mein Geschlecht. Das wechselte er ab mit einer Masturbation mit der Hand in seiner Hosentasche.“

Nur einen Tag nach der Ausstrahlung des Interviews setzt sich Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez mit dem Schriftsteller in Verbindung, eine Woche später treffen sich die beiden. Wenig später kündigt Hector Gómez, Sprecher der Fraktion der regierenden Sozialisten im Parlament, eine Untersuchungskommission an. Sie soll unter der Leitung des Ombudsmanns, dem Bürgerbeauftragten der Regierung, stehen. Der Sozialist Hector Gómez im spanischen Rundfunk:

„Wir müssen etwas unternehmen. Die Gesellschaft ist alarmiert. Dutzende von Fällen werden bekannt. Wir dürfen die Opfer nicht länger allein lassen. Wir wollen eine Untersuchung, die die Privatsphäre der Opfer respektiert. Dies richtet sich gegen niemanden. Auch nicht gegen die katholische Kirche. Ich habe mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz mehrmals gesprochen. Es wäre gut, wenn sich die Kirche an dieser unabhängigen Expertenkommission beteiligen würde. Es wäre auch für die Kirche gut, wenn diese Kommission Fälle aufklärt und Lösungen für die Zukunft findet.

"Wir können hoffen, dass die Kirche jetzt ihre Haltung ändert"

El País-Redakteur Iñigo Domínguez freut sich über die Wendung, ist aber auch überrascht. Schließlich dokumentieren er und seine Kolleginnen und Kollegen seit Jahren hunderte ähnlicher Fälle. Gleichzeitig glaubt er nicht, dass die katholische Kirche nun einlenkt und auch ihre Akten offenlegt:

„Wir können hoffen, dass die Kirche jetzt ihre Haltung ändert. Ich denke aber, die Bischöfe sehen sich eher im Krieg. Die Mehrheit ist sehr konservativ, sie lehnt Papst Franziskus in dieser Frage ab und empfindet dies als einen Angriff, gegen den sie sich verteidigen muss. Sie sieht in der Untersuchung keine Chance, dass die Wahrheit nun endlich ans Licht kommt. Überhaupt nicht.“

Die Bischofskonferenz hat eine Interviewanfrage zum Thema abgelehnt. Ihre Gremien würden sich nun in der Angelegenheit beraten, heißt es. Unterdessen fordert die Fraktion von Podemos, der linke Koalitionspartner der Sozialisten, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss – der zeitgleich zur von Regierungschef Sánchez vorgeschlagenen Expertenkommission arbeiten soll. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen. Missbrauchsopfer Leonor García begrüßt die Pläne für eine umfassende Untersuchung. Über die katholische Kirche sagt sie:

„Mich macht diese Macht wütend. Die Macht dieser Institution, die wie ein Panzer alles überrollt und die damit einfach weitermacht, wenn wir es ihr erlauben. Im Namen ihres Gottes. Wenn sie wirklich an diesen gerechten Gott glauben, müssten sie eine schreckliche Angst haben.“