
Eine unabhängige Kommission des UN-Menschenrechtsrats wirft den israelischen Behörden und Sicherheitskräften vor, im Gazastreifen einen Genozid an den Palästinensern begangen zu haben und weiterhin zu begehen. Sie begründet dies mit der Völkermord-Konvention, die 1948 verabschiedet wurde und 1951 in Kraft trat.
Israel aber erkennt den UN-Menschenrechtsrat nicht an und weist die Vorwürfe zurück. Was besagt die Völkermord-Konvention? Wann wird ein Verbrechen als Genozid eingestuft?
Was ist ein Genozid?
Ein Genozid ist ein Völkermord und in der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ klar definiert.
Artikel II
In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
- Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
- Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
- vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
- Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
- gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Es müssen nicht alle fünf Tatbestände nachgewiesen werden, um ein Verbrechen als Völkermord einzustufen. Gemäß der Konvention genügt bereits ein einziger.
Die Strafrechtsprofessorin Stefanie Bock betont zudem, dass dabei allein die Absicht des Täters zählt - auch wenn diese in Strafrechtsverfahren besonders schwer nachzuweisen ist. Es kommt also nicht darauf an, ob der Täter sein Ziel erreicht hat. Bereits die Tötung eines einzelnen Menschen könne theoretisch als Völkermord betrachtet werden.
Herkunft des Begriffs "Genozid"
Der Begriff „Genozid“ wurde im Jahr 1944 von dem polnisch-jüdischen Juristen Raphael Lemkin geprägt. Für die Vereinten Nationen erarbeitete Lemkin die Genozid-Konvention. Sie ist eines der ältesten UN-Menschenrechtsabkommen.
Aus dem altgriechischen „génos“ (der Stamm, Herkunft oder das Volk) und dem lateinischen „caedere“ (töten, morden, metzeln) setzte Lemkin das Wort „Genozid“ zusammen. Damit prägte er nicht nur einen völlig neuen juristischen Begriff, sondern löste eine Revolution im internationalen Strafrecht aus.
Die Konvention wurde im Dezember 1948 beschlossen. Sie war eine Reaktion auf die Gräueltaten der Nationalsozialisten im Dritten Reich. Verbrechen eines solchen Ausmaßes sollten künftig international strafbar sein.
Wie wirksam ist die Völkermordkonvention aus dem Jahr 1948?
Nicht nur der begangene Völkermord, auch schon der Versuch, die Verschwörung oder Anstiftung zum Völkermord sind strafbar. Die Konvention unterscheidet dabei nicht zwischen Mitgliedern der Regierung, Beamten oder Privatleuten. Niemand ist gegen die Genozid-Konvention immun. Somit können Staatsoberhäupter, Regierungschefs und andere – auch noch aktive – Amtsträger wegen Völkermords angeklagt und bestraft werden.
Auf nationaler Ebene ist es oft schwierig, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, insbesondere dann, wenn sie selbst Einfluss auf die Strafverfolgung haben. Daher ist – neben den nationalen Gerichten – auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IGH) für diese Verbrechen zuständig. Dort wurden zum Beispiel die Völkermorde in Ruanda und Srebrenica verhandelt.
Wer kann des Völkermordes beschuldigt und angeklagt werden?
Jeder Mensch, der des Völkermords verdächtigt wird, kann vor einem nationalen Gericht in dem Land, in dem der Genozid begangen wurde, oder vor einem internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden. Staaten sind verpflichtet, mutmaßliche Täter gemäß nationalen Gesetzen und internationalen Verträgen auszuliefern.
Im Vergleich zu anderen internationalen Verbrechen macht der subjektive Tatbestand, also die Zerstörungsabsicht einer bestimmten nationalen, ethnischen oder religiösen Gruppe, Strafverfahren wegen Völkermords besonders komplex: Während das Ziel der Nationalsozialisten, jüdisches Leben auszurotten, durch die Wannsee-Protokolle belegt ist, lässt sich die Absicht der Täter, Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit vernichten zu wollen, in aktuellen Konflikten in Strafrechtsverfahren nicht immer eindeutig nachweisen.
Völkermorde in der Vergangenheit
Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, andere Völker auszulöschen. Auch im 20. und 21. Jahrhundert begingen Menschen Völkermorde:
Holocaust: Während des Zweiten Weltkriegs versuchte das nationalsozialistische Deutschland, die jüdische Bevölkerung Europas zu vernichten. Sechs Millionen Juden wurden zwischen 1941 und 1945 systematisch ermordet.
Porajmos: Unter der NS-Herrschaft fand auch der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma statt. Die genaue Anzahl der Getöteten ist unbekannt, sie liegt zwischen 220.000 und 500.000. Ähnlich wie beim Holocaust an den Juden gingen die nationalsozialistischen Täter auch beim Porajmos geplant und systematisch vor.
Holodomor: Schätzungsweise bis zu vier Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer wurden 1932 und 1933 durch die vom sowjetischen Diktator Stalin herbeigeführte Hungersnot getötet. Erst 90 Jahre später hat der Deutsche Bundestag den „Mord durch Hunger“ als Genozid anerkannt.
Genozid an den Armeniern: Das Osmanische Reich führte während des Ersten Weltkriegs, im Wesentlichen in den Jahren 1915 und 1916, den systematischen Mord an der armenischen Bevölkerung durch. Schätzungen zufolge wurden dabei bis zu 1,5 Millionen Armenier getötet.
Völkermord in Ruanda: In einem Zeitraum von etwa 100 Tagen wurden 1994 in Ruanda rund 800.000 Menschen, hauptsächlich Angehörige der Tutsi-Minderheit, durch die Hutu-Mehrheit ermordet.
Völkermord an Bosniaken: Im Verlauf des Bosnienkriegs kam es zu Vertreibungen und Massakern, darunter 1995 das Massaker von Srebrenica, bei dem etwa 8.000 Bosniaken (bosnische Muslime) von bosnischen Serben getötet wurden.
og/rey



















