Dienstag, 19. März 2024

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Papiermangel
Zeitungen kürzen Seiten und verschieben Beilagen

Papier ist derzeit knapp. Für die Zeitungsbranche ist der Rohstoff deswegen teuer - und das ausgerechnet jetzt, wo viele Leserinnen und Leser wieder öfter zum Printprodukt greifen.

Von Michael Meyer | 20.10.2021
Zwei Arbeiter bearbeiten eine Papierrolle in der Papierfabrik des Herstellers Leipa in Schwedt/Oder.
Zeitungspapier wird in Teilen aus Altpapier gemacht - wenn es daran mangelt, hakt der gesamte Kreislauf (picture alliance/dpa/Christoph Gateau)
Beim "Mindener Tageblatt" ist man vor kurzem dazu übergegangen, das TV-Programm wegzulassen und die Terminseiten zu kürzen. Grund: Papiermangel. Bis man wieder ausreichend und verlässlich Papier beziehen könne, soll nur da gespart werden, wo es am wenigsten weh tut.
Derlei Maßnahmen sind bislang noch selten, beobachtet man beim Verband der Zeitungs-und Digitalpublisher (BDZV) in Berlin. Notausgaben werde man erstmal nicht erleben, meint der Verband. Aber: Manche Beilage oder mancher Extra-Teil könnte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Papierfabriken haben zuletzt Kapazitäten gedrosselt

Gerade die Zeitungsverlage verarbeiten viel Recyclingpapier, und um dieses Material gibt es gerade einen heftigen Kampf, sagt Gregor Andreas Geiger, Pressesprecher des Verbands der Papierindustrie:
"Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Druckpapier in den letzten 15 Jahren aber kontinuierlich nach unten gegangen, sodass die Hersteller ihre Kapazitäten abgebaut oder zum Teil Maschinen umgebaut haben. Also eine kurzfristig erhöhte Nachfrage trifft auf eine langfristig reduzierte Angebotsmenge."

Ein Rohstoff, viele Branchen

In der Corona-Zeit wurde deutlich weniger gedruckt, etwa wenn man an Flyer für Veranstaltungen und anderes denkt. Auch die Tatsache, dass heute mehr Medien digital konsumiert werden, ließ die Produktionsmenge sinken.
Nun wird das öffentliche Leben wieder hochgefahren und Leser und Leserinnen greifen wieder verstärkt zu gedruckten Zeitungen und Zeitschriften - ein Engpass ist die Folge. Auch wenn die Materialien für die einzelnen Produkte unterschiedlich sind, kämpfen viele Player am Markt doch um dieselben Rohstoffe, nicht nur die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, auch Buchverlage, Hersteller von Werbebroschüren und andere Branchen. Der Verlag C.H. Beck befürchtete Anfang der Woche bereits, beliebte Titel nicht mehr rechtzeitig vor Weihnachten nachdrucken zu können.
Zeitungen liegen in einer Auslage in einem Zeitschriftenladen.
Scheitern der Presseförderung
Nach dem vorläufigen Scheitern der Presseförderung kritisieren die Verlegerverbände die Bundesregierung. Rein digitale Publisher, die von der Förderung ausgenommen waren, begrüßen das Aus dagegen – und hoffen auf Neuverhandlungen.
Alexander von Schmettow, Pressesprecher des BDZV, verweist darauf, dass etwa seine Branche, die Zeitungen, Teil einer Verwertungskette sind. Zeitungen werden überwiegend aus Recyclingpapier gemacht und gehen dann wieder in die Weiterverwertung.

Zeitungen wichtig für Verpackungsbranche

"Weil die Zeitungen tatsächlich, das ist übrigens auch noch ein ganz wunder Punkt, ein fester Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft sind. Sie können keinen Zalando-Amazon-Karton herstellen ohne Zeitungspapier, aber Sie können aus einem Amazon-Karton keine Zeitung machen."
Auch der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter BVDA hält die Rohstoffversorgung aktuell für ein großes Thema in der Branche. Die Verlage seien aber unterschiedlich stark betroffen.
Blick auf ein Gebäude der Verlagsgruppe Nordkurier aim März 2014 auf dem Datzeberg in Neubrandenburg
"Katapult" macht Lokalzeitung Konkurrenz
Bekannt ist das "Katapult"-Magazin für seine originellen Grafiken. Nun plant die Greifswalder Redaktion in Mecklenburg-Vorpommern eine Online-Lokalzeitung – aus Frust über den dort ansässigen "Nordkurier".
Noch einmal anders sieht es aus bei den Magazinen – jenen Printprodukten, die oft hochglänzendes Papier, also eine deutlich wertigere Aufmachung haben. Hier kann man meist nicht mit Recyclingpapier arbeiten, denn das würde der Leser sofort merken. Allenfalls bei Umweltmagazinen ist das noch vermittelbar. Und auch die Anzeigenkunden fordern oft hochwertige Druckqualität für ihre Werbung.

Verband sieht massive Preissteigerungen

Stephan Scherzer, Geschäftsführer des Verbandes der Zeitschriftenverleger (VDZ), sagt, dass man gerade den "perfekten Sturm" erlebe - eine Mischung aus Papiermangel in manchen Bereichen, Logistikproblemen bei den Lieferanten und höherer Nachfrage. Für die Magazine gebe es zwar derzeit noch genügend Papier:
"Allerdings ist es momentan noch so, dass wir sehen, dass die Preise massiv steigen. Wir sehen 30 Prozent, 40 Prozent Preissteigerungen, und müssen jetzt sehen, wie sich das in der nahen Zukunft verhält. Aktuell ist die Versorgungslage noch gesichert, aber es gibt keine Garantie, dass es im kommenden Jahr für die Nachfrage im grafischen Papierbereich genügend Papier geben wird."
Scherzer meint, dass sich alle Leser und Leserinnen darauf einstellen müssten, dass sich Rohstoffe allgemein verteuern, das betreffe auch die Energiekosten. Erstmal würden die Verlage jedoch nicht die Preise erhöhen. Langfristig könnte das natürlich anders aussehen.

Papierindustrie erwartet schnelle Besserung

Gregor Andreas Geiger, Pressesprecher des Verbands der Papierindustrie, erwartet allerdings, dass der derzeit zu beobachtende Papiermangel und die Preissteigerungen keine Dauerzustände bleiben werden:
"Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in den nächsten drei, vier Monaten beruhigen wird, und der langfristige Trend anhält, dass einfach durch die Digitalisierung weniger Druckpapiere nachgefragt werden."