Samstag, 27. April 2024

Kommentar zu Ukraine-Aussagen
Papst Franziskus verliert an Strahlkraft

Mit einer Äußerung, die als Aufforderung zur Kapitulation der Ukraine verstanden wurde, erregt Papst Franziskus großen Unwillen. Als Friedensstifter, der er gerne wäre, hat er sich unglaubwürdig gemacht, meint Anne Françoise Weber.

Ein Kommentar von Anne Françoise Weber | 16.03.2024
    Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom.
    Papst Franziskus hat mit einem Interview im Schweizer Fernsehen über die Kriege in der Ukraine und Nahost einigen Unmut ausgelöst. (picture alliance / ipa-agency / ALESSIA GIULIANI / ipa-agency.ne)
    Es ist schon lange her, dass die Worte eines Papstes für die meisten Menschen im sogenannten christlichen Abendland eine Richtschnur waren. Aber auch in jüngerer Zeit hörte man dem Mann in Weiß gern zu, wenn er über Umweltschutz, Aufnahme von Geflüchteten oder Frieden sprach – besonders Papst Franziskus hatte die Sympathien auch linksliberaler, aber kirchenferner Milieus zurückerobert. Sein gestreng-professoraler Vorgänger Benedikt XVI. hatte diese schon lange verspielt.
    Besonders eindrücklich zeichnete der Film „Papst Franziskus – ein Mann seines Wortes“ von Wim Wenders vor einigen Jahren dieses Bild von Jorge Bergoglio: ein nahbarer, gütiger Seelsorger, der sich für die Entrechteten einsetzt. Das beeindruckte auch Menschen, die ansonsten an der katholischen Kirche viel auszusetzen haben oder denen sie schlicht egal ist – und die werden ja zumindest in Deutschland und Europa immer zahlreicher.

    Ermutigung der Ukraine zur Kapitulation

    Viele dieser Menschen hat Papst Franziskus mit seiner Äußerung zur „weißen Fahne“ jetzt vor den Kopf gestoßen. Für die meisten ist klar, dass er die Ukraine letztlich zur Kapitulation ermutigt – auch wenn sein Sprecher danach behauptete, dass es nur ein Aufruf zu einem Waffenstillstand war. Nur erging der jedenfalls nicht an den Aggressor Russland. Als Friedensstifter, der er gerne wäre, hat sich der Papst unglaubwürdig gemacht – mindestens in den Augen derer, die einen gerechten Frieden fordern und das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und territoriale Unversehrtheit anerkennen.
    Selbst aus dem Kirchenvolk kommt Kritik; so nannte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz die Äußerungen „grundfalsch“. Und FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb, sie schäme sich als Katholikin, dass Franziskus nicht die mörderische Hetze von Patriarch Kyrill I., dem Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche verurteile.

    Franziskus enttäuscht Kirchenvolk und Kirchenferne

    Den „Papst der Enttäuschungen“ nennt der Religionsjournalist Michael Meier Franziskus in einem Buch, das Anfang April erscheinen wird. Darin erläutert er, dass Franziskus den Vatikan nicht als Teil des Westens sieht und sich auch deswegen dem strategischen Bündnis zur Unterstützung Kiews nicht anschließt. Damit enttäuscht Franziskus zumindest hierzulande Kirchenvolk und Kirchenferne gleichermaßen.
    Das ist nun nichts Neues – auch beim sogenannten Synodalen Weg, also dem Reformprozess von katholischen Gläubigen und Bischöfen in Deutschland, hat der Papst oder einer seiner Kardinäle immer wieder Grenzen gesetzt. Zuletzt wurde den deutschen Bischöfen verboten, bei ihrer Vollversammlung im Februar eine Satzung für den Synodalen Ausschuss zu verabschieden und damit für eine Verstetigung des Reformprozesses zu sorgen. Auch hier: Enttäuschung unter Kirchenvolk und Kirchenfernen – sofern die sich überhaupt noch für diese x-te Volte in einem schon unendlich scheinenden Konflikt interessieren.

    Der Vatikan darf nicht "grundfalsch" liegen

    Doch anders als beim Ukraine-Krieg können sich Bischöfe und Gläubige nicht wirklich erlauben, die Position des Vatikan als „grundfalsch“ zu bezeichnen, um noch einmal Friedrich Merz zu zitieren. Die katholische Kirche ist zu hierarchisch ausgerichtet, als dass Schritte gegen den expliziten Willen des Papstes erfolgreich sein könnten.
    Bleibt also in Kirchendingen nur, auf die Güte und das Einlenken des Heiligen Vaters zu warten – oder, wie die vatikankritische Bewegung „Wir sind Kirche“ appelliert, „dem von Franziskus eingeleiteten, dringend notwendigen Reformkurs gegen alle Widerstände auch im Vatikan treu zu bleiben und diesen fortzuführen.“
    Reform in der katholischen Kirche, sofern man überhaupt noch daran glauben mag, geht eben nur mit dem Papst – eine Ukrainepolitik, die das angegriffene Land gegen den Aggressor Russland unterstützt, anscheinend nur ohne ihn. Das ist weniger ein Problem für die Ukraine und ihre Bündnispartner als für den Papst selbst. Er hat weiter an Strahlkraft und moralischer Autorität verloren – zumindest im Westen.