Giftige Chemikalien
Warum Deutschland PFAS verbieten lassen will

In der EU soll eine Gruppe von Industriechemikalien verboten werden, die unter anderem in Pfannen oder in Funktionskleidung vorkommen. Die "Ewigkeitschemikalien" reichern sich wegen ihrer Langlebigkeit fortwährend in der Umwelt und in Menschen an.

    Eine Person sprüht, Gumminhandschuhe tragend, blaue Wildlederschuhe mit Imprägnierspray ein.
    In Imprägniersprays findet sich ebenfalls die giftige Substanz PFAS. (Getty Images / iStockphoto / Evgen Prozhyrko)
    Man findet PFAS mittlerweile überall auf der Welt: von der Arktis über Tibet bis in die Antarktis. Fünf europäische Länder wollen die Produktion, Verwendung und Import der Stoffgruppe EU-weit verbieten lassen und haben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag zur Beschränkung von PFAS zur Prüfung vorgelegt. Deutschland und die Niederlande sind dabei federführend.
    Anschließend wird die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten über rechtlich bindende Beschränkungen für Herstellung und Nutzung entscheiden. Laut Umweltbundesamt ist mit möglichen Beschränkungen frühestens 2025 zu rechnen.

    Inhaltsverzeichnis

    Für was steht PFAS und wo sind PFAS erhalten?

    PFAS ist eine Abkürzung für Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, die oft auch als "forever chemicals" („Ewigkeitschemikalien“) bezeichnet werden. Die Fluorchemikalien sind ausschließlich menschengemacht. Dazu gehören mehr als 10.000 Substanzen, die herausragende technische Eigenschaften besitzen: Sie sind wasser-, schmutz- und/oder fettabweisend und damit seit Langem bewährte Industriechemikalien.
    Eingesetzt werden sie in Alltagsprodukten, etwa für Beschichtungen von Wetterjacken, Pfannen und Papiere, für Zahnseide und Kettenfett, für Kontaktlinsen und Cabriodächer, im Imprägnierspray von Outdoor-Ausrüstung, in Kosmetik, Skiwachs, Verpackungen für Fast Food oder Feuerlöschmitteln. Darüber hinaus werden sie in einer Vielzahl von industriellen Prozessen verwendet.

    Aus für F-Gase kommt

    Zur PFAS-Stoffgruppe gehören auch die sogenannten F-Gase, das F steht dabei für fluoriert. Diese Gase sind unter anderem kühlend und isolierend, weshalb sie zum Beispiel in Kühlschränken, in Klimaanlagen und auch in Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Die F-Gase haben dabei das früher eingesetzte, die Ozonschicht schädigende FCKW ersetzt.
    F-Gase haben aber den klaren Nachteil, dass sie extrem starke Treibhausgase sind. Einige wirken hundertmal oder sogar bis zu 25.000 Mal stärker als Kohlendioxid, CO2. Das Europaparlament hat deshalb im Januar 2024 beschlossen, dass die Industrie schon ab nächstem Jahr auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen muss. 2050, also in 26 Jahren, soll dann komplett Schluss sein mit den F-Gasen.

    Warum sind PFAS gefährlich?

    Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen sind Industriechemikalien, die vor allem wegen ihrer hervorragenden Antihaft-Eigenschaften in sehr großer Menge produziert und verarbeitet werden. Laut dem der ECHA vorgelegten Dossier sind es allein in der EU rund 300.000 Tonnen pro Jahr.
    Sie gelangen somit aus Fabriken, aber auch aus Produkten wie Imprägniersprays fortwährend in die Umwelt, wo sie zwar zerteilt, aber nicht abgebaut werden: Sie bleiben kritische Verbindungen mit vielen Fluor-Atomen und sind praktisch unzerstörbar. Das liegt an ihrem molekularen Aufbau: Kurz-, mittel- oder langkettige Moleküle aus Kohlenstoff und Fluor - die Bindung zwischen diesen beiden Atomen ist bombenfest und praktisch für die Ewigkeit.
    Die Verbindungen reichern sich in Gewässern und Böden an und werden durch Wind und Wasser über zum Teil große Distanzen transportiert. Eine PFAS-Untergruppe nennt sich Fluortelomeralkohole. Laut jüngsten Forschungsergebnissen sind diese Stoffe flüchtig und können so auch in die Luft geraten. Einzelne Messungen haben ergeben, dass an manchen Orten kritische Schwellenwerte in der Luft überstiegen wurden und PFAS-Verbindungen so eben auch eingeatmet werden. 
    Laut Studien der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sind vor allem tierische Lebensmittel mit PFAS belastet. Spuren von ihnen stecken auch in anderen Lebensmitteln und im Trinkwasser. Das bedeutet, dass auch Menschen diese Stoffe aufnehmen und sie teilweise monatelang zum Beispiel in der Leber anreichern. Für einige Verbindungen konnte nachgewiesen werden, dass sie bereits in geringen Konzentrationen negative Auswirkungen auf Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben. Sie können sich unter anderem negativ auf das Hormon- und das Immunsystem auswirken. Sie stehen zudem in Verdacht, Krebs zu verursachen.

    Wie wird die Verbreitung von PFAS kontrolliert?

    Eine systematische Erfassung gibt es nicht, weil noch nicht lange bekannt ist, dass die Substanzen gesundheitsschädlich sein könnten und es sich um eine Vielzahl an Stoffen handelt. Viele Experten vermuten mittlerweile aber, dass ein Teil der bisher erlaubten Stoffe negative Eigenschaften besitzt.
    Wissenschaftler und Journalisten weisen zudem schon seit längerer Zeit darauf hin, dass PFAS in Gewässern und Böden nachgewiesen wurden - überall auf der Welt, auch in Deutschland, wie eine Recherche von WDR, NDR und SZ zeigt.
    Auf einem violetten Untergrund stehen mehrere Petrischalen in denen verschiedene Kosmetika enthalten sind.
    Auch in einigen Kosmetikprodukten finden sich PFAS. (Getty Images / iStockphoto / Anna Tretiak)
    In den letzten Jahren haben verschiedene europäische Behörden aus den fünf EU-Ländern Deutschland, Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen sämtliche vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich PFAS ausgewertet und die aktuellen Anwendungen dieser Substanzen zusammengetragen. Zu den beteiligten Institutionen aus Deutschland zählen das Umweltbundesamt (UBA), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

    Gibt es Regularien?

    Bislang wurden im Zulassungs- und Bewertungsprozess der EU (REACH) nur einzelne Substanzen reguliert, die nachweislich negative Auswirkungen haben. Der neue Vorschlag der fünf EU-Staaten zielt darauf ab, ein umfassendes Verbot von PFAS einzuführen.
    Damit würde die gesamte Substanzklasse verboten, beziehungsweise stark beschränkt. Ein solches Verbot hätte weitreichende Konsequenzen für Hersteller vieler Produkte in der EU.
    Die Industrie soll daher gestaffelte Übergangsfristen von 18 Monaten bis zu zwölf Jahren erhalten - je nachdem, ob es bereits Alternativen zu PFAS gibt, ob diese noch entwickelt werden müssen oder ob langwierige Genehmigungsprozesse oder Zertifizierungen erforderlich sind.
    Eine mögliche Ausnahmefrist von fünf Jahren könnte für die Lebensmittelindustrie gelten, während die Übergangszeit von zwölf Jahren möglicherweise für medizinische Implantate wie Herzschrittmacher erforderlich ist, da PFAS in diesen Produkten noch vorhanden sein können.
    Gegen ein umfassendes Verbot von PFAS-Chemikalien sprechen sich in Deutschland die Verbände der Autoindustrie, Maschinenbau sowie Elektro- und Digitalindustrie aus. Ohne die langlebigen Stoffe ließen sich wichtige Technologien auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren. Daher sollten für die Industrie die Chemikalien weiterhin verfügbar sein, für die es noch keinen Ersatz gibt. Andere könnten schrittweise ersetzt werden.

    Was sind Alternativen zu PFAS?

    Bisher gibt es nur wenige Alternativen, da PFAS seit den 1940er-Jahren bewährte Industriechemikalien sind. Es gibt aber zum Beispiel bereits Produkte mit PFAS-freien Membranen, die aus Polyethylenterephthalat (PET) bestehen.
    Das Umweltbundesamt weist zudem darauf hin, dass es für Verbraucher und Verbraucherinnen bisher nur wenig Möglichkeiten gibt, um zu erkennen, ob Produkte PFAS enthalten. Bei Bekleidung wie Outdoorjacken gebe es mittlerweile entsprechend gekennzeichnete Produkte (zum Beispiel GOTS oder Blauer Engel).
    Der Verweis auf PFAS-freie Produkte sei etwa im Outdoor-Bereich ein Werbeargument, unterstreicht der Chemiker Ralf Ebinghaus vom Institut für Umweltchemie des Küstenraumes. Wenn es keine Alternativen gebe, sei es notwendig zu Innovationen zu forschen. Dazu könne auch ein Verbot der Chemikalien beitragen, so Ebinghaus.
    Um PFAS zu meiden, könnte man statt einer beschichteten Pfanne eine länger haltbare Eisen- oder Emaillepfanne verwenden, statt beschichtetem Einweggeschirr besser Mehrweggeschirr aus Glas oder Porzellan. Auch bei Imprägniermitteln könne man anstelle PFAS-basierter Sprays auf natürliche Fette und Wachse zurückgreifen, wie bei Teppichen die natürliche Schmutzabweisung von Wolle.

    Volker Mrasek, Arndt Reuning, Andrea Hoferichter, SMC, Umweltbundesamt, bmuv, og