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Julian Assange und Wikileaks
Wie weit geht die Pressefreiheit?

Wikileaks hat tausende geheime Dokumente der amerikanischen Regierung veröffentlicht. Dafür drohen Gründer Julian Assange bis zu 175 Jahre Haft in den USA - falls er von Großbritannien ausgeliefert wird. Eine Entscheidung dazu könnte bald fallen.

Von Anna Loll | 22.12.2022
Ein Demonstrant hält ein Schild vor dem Justizministerium während einer Free-Assange-Demonstration in Washington hoch
In den USA ist Julian Assange wegen Spionage, Verschwörung und Hacking angeklagt. Es drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. (picture alliance / AA / Nathan Posner)
"Sie schauen in dein Haar. Du öffnest deinen Mund, sie schauen unter deine Zunge." Stella Assange beschreibt die Sicherheitsmaßnahmen, denen sie und ihre Kinder sich unterziehen müssen, wenn sie ihren Mann und Vater, Julian Assange, besuchen wollen. "Dann gibt es eine Durchsuchung mit Hunden. Der Hund springt an dir hoch. Er riecht an dir. Du musst stillhalten. Die Kinder müssen stillhalten. Das ist ziemlich einschüchternd, so eine Durchsuchung. Und das alles nur, um ihren Vater einmal in der Woche zu sehen."

Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben Julian Assange für den Menschenrechts-Preis des Parlaments, den "Sacharow-Preis", nominiert. Das ist der Grund, warum Stella Assange im Oktober dieses Jahres in Brüssel ist und auf das Schicksal ihres Mannes Julian hinweisen will, der in London in Haft sitzt. Der 51-jährige Australier ist Gründer der Whistleblower-Plattform "Wikileaks".

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"Was hat Julian getan? Er hat die Wahrheit über Kriegsverbrechen einer mächtigen Regierung veröffentlicht, die ihre Macht nutzt, um ihn zu bestrafen." Die mächtige Regierung, die Stella Assange meint, ist die der USA. Sie sieht in Julian Assange einen kriminellen Hacker und Spion, der mit Wikileaks tausende geheime Dokumente der US-Regierung und des US-Militärs veröffentlicht hat. In den USA ist Assange wegen Spionage, Verschwörung und Hacking angeklagt. Es drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Aber noch sitzt Assange in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Washington fordert seine Auslieferung – eine gerichtliche Entscheidung dazu könnte in Großbritannien bald fallen.

Wikileaks: Whistleblower veröffentlichen Geheiminformationen

Rückblick: 2006 gründet Julian Assange Wikileaks. Das Motto der Organisation lautet "We Open Governments": "Wir öffnen Regierungen". Auf der Wikileaks-Website können Whistleblower verschlüsselt und anonym Informationen einreichen. Schon kurz nach der Gründung veröffentlicht Wikileaks brisantes Material, wie die Handbücher der US-Armee zum Umgang mit Gefangenen im Lager von Guantanamo Bay. Die Dokumente belegen die Verletzung der Menschenrechte. Es folgen weitere Leaks zu Steuerhinterziehung und Korruption. Weltbekannt wird Wikileaks im April 2010 mit der Veröffentlichung eines Videos aus dem Irak-Krieg. Assange und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter taufen es "Collateral Murder": "kollateraler Mord".

Das Video, entstanden 2007, zeigt, wie Soldaten der US-Armee aus einem Kampfhubschrauber in Bagdad tagsüber Zivilisten erschießen, die sie, ohne es eindeutig zu wissen, für Aufständische halten. Unter ihnen sind zwei Reuters-Journalisten. Die Welt ist entsetzt.
Auch das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet über das Collateral-Murder-Video. Danach meldet sich Wikileaks bei Holger Stark, heute stellvertretender Chef der Wochenzeitung Die Zeit, damals leitender Mitarbeiter des "Spiegels". "Im Frühjahr, ich glaube im April 2010, ist der deutsche Wikileaks-Vertreter Daniel Domscheidt-Berg auf uns zugekommen und hat gesagt: 'Wir haben da was, was in der Pipeline ist, was Weltnachrichten machen wird, und wir würden das gerne mit euch machen'", erzählt Stark. 

Zwei Kollegen von Stark fliegen nach London. Kurz danach trifft er selbst den Herausgeber von Wikileaks. "Das erste Mal, als ich Julian getroffen habe, war in London. Damals war er noch frei und auch ohne Fußfessel. Und wir haben uns gesehen im Frontline Club, einem Presseclub, wo Journalisten sich treffen, wo er als Gast gern gesehen war. Dort hatte er seinen ersten journalistischen Auftritt und da war im ersten Stock eine Bar, und ich weiß nicht, ob er einen Whisky trank oder so, und wir haben einfach so über die Welt räsoniert", sagt Stark.

Kennzeichnend für Julian Assange sei sein rascher Verstand. "Das Faszinierende ist, wenn man Zeit mit Julian Assange verbringt, ist, dass er auf der Metaebene einmal einen Abriss des US-Imperialismus der vergangenen 100 Jahre in drei Minuten bringen kann, um dann mit dir über ein Crypto-Modul eines neuseeländischen Programmierers, der gerade eine neue Form der Verschlüsselung in ein Programm implementiert hat, durchzudiskutieren", so Stark. 

2010: Veröffentlichung der "Irak-Tagebücher"

Eine intensive Zusammenarbeit beginnt. Im Oktober 2010 veröffentlicht Wikileaks mit seinen Medienpartnern, darunter dem Spiegel, die sogenannten "Irak-Tagebücher". Zehntausende geheime Militärdokumente zum Irak-Krieg, die laut Assange klare Kriegsverbrechen zeigen. Sie zeigen unter anderem die Ermordung von Zivilisten und Folter von Gefangenen.
"Ich erinnere mich, dass wir, als wir im Oktober 2010 die Irak-Tagebücher veröffentlicht haben, da saßen wir in so einem kleinen britischen Häuschen, eines dieser schmalen, mit mehreren Etagen, und Julian hatte seine Schuhe ausgezogen und saß im Schneidersitz auf einem Sitz hinter seinem Laptop, hatte 27 Tabs offen und zwei Rechner parallel, stopfte Pizza-Stückchen, die schon längst kalt waren, in sich rein und ging durch ein Dokument nach dem anderen und sagte: 'Noch eine halbe Stunde und wir gehen live, noch eine Viertelstunde und wir gehen live.' Und es war so, so eine Mischung aus Start-up, Zauberlehrling und ein bisschen Rad von Weltgeschichte drehen."

Das US-Verteidigungsministerium reagiert scharf. "Indem solch sensible Dokumente zugänglich gemacht werden, setzt Wikileaks weiter das Leben unserer Soldaten, unserer Verbündeten, und von Irakern und Afghanen aufs Spiel, die für uns arbeiten", heißt es in einer Mitteilung kurz nach der Veröffentlichung. Die in den Leaks dargestellten mutmaßlichen Verbrechen durch das US-Militär und seine Verbündeten verfolgen die US-Regierung und ihre Strafermittlungsbehörden nicht. Stattdessen wächst der Druck auf Assange.

Ermittlung gegen Assange wegen angeblicher Sexualdelikte

Im Spätsommer 2010 beginnen die schwedischen Behörden mit Ermittlungen gegen ihn aufgrund angeblicher Sexualdelikte. Einige Monate später wird er in London wegen eines schwedischen Haftbefehls kurzzeitig festgenommen, Schweden fordert Assanges Auslieferung. Assange wehrt sich dagegen juristisch. Aus Angst, nach einer möglichen Überstellung an Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, flüchtet Assange im Juni 2012 in London in die ecuadorianische Botschaft und beantragt politisches Asyl.
Kritikerinnen und Kritiker halten Assange vor, er sei paranoid, er wolle sich mit seinem Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft nur der Untersuchung in Schweden entziehen. Knapp sieben Jahre später entzieht Ecuador unter Präsident Lenin Moreno Assange das Asyl, die britische Polizei kann ihn festnehmen. Das ist im April 2019. Bilder des staatlichen russischen Nachrichtensenders Ruptly gehen um die Welt, wie Assange von mehreren Beamten in Zivil gegen seinen Willen in ein Polizeiauto getragen wird. Die Tonaufnahme ist schlecht, Assange ruft wiederholt "The UK must resist": "Das Vereinigte Königreich muss widerstehen, das Vereinigte Königreich muss sich der Trump-Regierung entgegenstellen!"

Ein britisches Gericht verurteilt Assange daraufhin und inhaftiert ihn, weil er gegen Bewährungsauflagen im Zusammenhang mit dem schwedischen Fall verstoßen hat. Die Ermittlungen in Schweden werden später von der dortigen Staatsanwaltschaft endgültig eingestellt – aus Mangel an Beweisen.
Aber dafür wird die US-Regierung unter Donald Trump aktiv: Zeitglich zu Assanges Festnahme durch die britische Polizei fordert sie seine Auslieferung und veröffentlicht ihre Anklage. Sie wirft Assange Hacking von Regierungscomputern vor, später kommen Spionage und Verschwörung hinzu – auf der Grundlage des "Espionage Act", eines Gesetzes aus dem Ersten Weltkrieg.

Die Obama-Regierung hatte zuvor davon abgesehen, Assange unter diesem Gesetz anzuklagen. Ihre Sorge war, dass ein solcher Schritt einen negativen Effekt für die Pressefreiheit haben und möglicherweise verfassungswidrig sein könnte. Die Trump-Administration folgt solchen Bedenken nicht. Bereits 2017 macht Mike Pompeo, damals CIA-Chef und später unter Trump Außenminister, die Position seiner Regierung deutlich: "Wikileaks agiert wie ein feindlicher Geheimdienst, spricht wie ein feindlicher Geheimdienst. Es ist an der Zeit, Wikileaks als das zu bezeichnen, was es wirklich ist: ein nicht-staatlicher feindlicher Dienst, der oft von staatlichen Akteuren wie Russland unterstützt wird."

Assange kämpft gegen die Auslieferung in die USA

2017 veröffentlicht Wikileaks die Hacking-Werkzeuge der CIA in einem Leak namens "Vault7". Medienberichten zufolge überlegen danach CIA-Beamte unter Pompeo, Assange zu entführen und umzubringen. Pompeo will sich zu den Vorwürfen im Einzelnen nicht äußern, bestätigt jedoch, dass die CIA nach der Veröffentlichung von "Vault7" Wikileaks aggressiv verfolgt habe. "Wir haben absolut die Pflicht zu reagieren. Wir wollten unbedingt die Personen zur Rechenschaft ziehen, die gegen das US-Recht verstoßen haben", sagt er in einem Interview im Jahr 2021.

Hacking ist der minderschwere Vorwurf gegen Assange. Sollte er dafür schuldig gesprochen werden, bekäme er maximal fünf Jahre Haft. Eine Strafe von bis zu 170 Jahren Gefängnis droht ihm aufgrund der Anklage wegen Spionage und Verschwörung unter dem Espionage Act. Es ist ein Verfahren, das Assange um jeden Preis verhindern will. Er kämpft deswegen gegen seine Auslieferung an die USA, in jeder Instanz, bis heute. Aktuell liegt der Fall beim britischen "High Court". Der muss entscheiden, ob er Assanges Berufung zulässt. Die hatte der Wikileaks-Gründer eingereicht, nachdem die damalige britische Innenministerin Priti Patel im Sommer die Auslieferung an die USA bewilligte.

Und so ist der Fall Julian Assange zu einem Präzedenzfall für die Pressefreiheit im demokratischen Westen geworden. Er wirft die Frage auf: Wie dürfen Regierungen auf Missstände und Whistleblower reagieren? Wie weit können Medien gehen und geheime Informationen von Regierungen veröffentlichen, ohne kriminalisiert zu werden? Und überhaupt: Welche Rolle spielen Medien dabei?

Präzedenzfall für die Pressefreiheit im demokratischen Westen

Holger Stark, der damals für den Spiegel die Wikileaks-Veröffentlichungen begleitet hat, geht kritisch mit sich und den anderen Medienpartnern, die auch an Bord waren, ins Gericht. Denn die Medienpartner "haben auf der einen Seite damit Geschäfte gemacht, Ruhm eingefahren, und auf der anderen Seite haben sie sich dann zurückgelehnt und so getan, als ob sie das nichts angeht. Und ich fand das eine Form von fast Doppelmoral, jedenfalls eine schwierige Form zu vertreten, und hatte den Eindruck, da muss jetzt einfach mal was passieren."

Stark hat deshalb Ende November dieses Jahres einen offenen Brief der Wikileaks-Partnermedien initiiert. Darin fordern die New York Times, der Guardian, der Spiegel, Le Monde und El País die US-Regierung auf, die Verfolgung Assanges aufzugeben. Die Anklage durch die USA stelle einen gefährlichen Präzedenzfall für die Meinungs- und Pressefreiheit dar, schreiben die Chefredakteure und Herausgeber: "Journalismus" sei "kein Verbrechen".

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Holger Starks Idee, Assange öffentlich gemeinsam zu unterstützen, war bei den Zeitungen anfangs erst einmal auf wenig Begeisterung gestoßen. "Das ist naturgemäß nicht ganz einfach gewesen, weil Julian Assange polarisiert, weil er mit vielen Medien gebrochen hat, früh mit der New York Times, dann auch mit dem Guardian, mit anderen Medien. Er beschimpft ja immer wieder auch Medien und sagt, dysfunktional, alles muss bis auf den Grund niedergebrannt und neu gebaut werden und so. Also er hat ja eine sehr verachtende Art Medien gegenüber und ist ein wahnsinnig schwieriger Partner im Umgang, im Persönlichen auch."

Holger Stark ist selbst mit Assange zerstritten. Wikileaks-Vertreter verklagten ihn zudem wegen einer angeblich falschen Darstellung – ohne Erfolg. Aber das Verhältnis ist zerrüttet. "Und das macht es nicht ganz einfach, jemand wie Assange vorbehaltlos zu unterstützen. In gewisser Weise ist das aber egal, weil es hier um einen Angriff auf die Pressefreiheit in ihrem Kern geht."

"Reporter ohne Grenzen": Auslieferungsverfahren war verstörend

Christian Mihr, Geschäftsführer der journalistischen Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen Deutschland", sieht das genauso. Er war als einer der wenigen Beobachter in London dabei, bei den Verhandlungen zur Auslieferung Assanges an die USA. "Dieses Verfahren, muss ich sagen, war für mich verstörend. Ich habe viele Prozesse in der Türkei beobachtet, offenkundige, willkürliche Prozesse in einem Staat, der wenig mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, das ist keine Zuspitzung: Ich habe mich in jedem türkischen Willkürprozess als Prozessbeobachter willkommener gefühlt als bei dem Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange."

Die britische Justiz habe versucht, systematisch die Öffentlichkeit auszuschließen. "Wir mussten uns jeden Morgen um sechs um acht Plätze balgen. Wir haben uns bemüht, unter Verweis auf internationale Resolutionen und internationale Praxis, dass man als Prozessbeobachter irgendwie auch einen Sitzplatz haben sollte, der war nie garantiert. Da hat Großbritannien wirklich eklatante rechtsstaatliche Prinzipien verletzt", sagt Mihr.

"Reporter ohne Grenzen" sieht jedoch nicht nur in den USA und Großbritannien Probleme bei der Verfolgung von Assange, sondern auch in Deutschland. Die deutsche Regierung müsse sich für die Freiheit des Journalisten Assange einsetzen, sagt Christian Mihr. Sofort. Schließlich stehe im Koalitionsvertrag, dass die Bundesregierung sich für eine Werte geleitete Außenpolitik engagieren wolle. Assanges Arbeit falle unter die Pressefreiheit, sei bedeutsam für die Öffentlichkeit. "Der Bundeskanzler und gleichzeitig auch die Bundesaußenministerin, die sich in ihrer Oppositionszeit sehr kritisch auch dazu verhalten hat, auch öffentlich die Freilassung von Julian Assange gefordert hat, ist beim Fall Assange radikal schnell in der Realpolitik angekommen."
Eine Anfrage des Deutschlandfunks mit der Bitte um Stellungnahme beantwortet das Auswärtige Amt nicht. In der Bundespressekonferenz betont Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Sommer dieses Jahres auf Nachfrage eines Journalisten aber noch mal ihren Einsatz für die Pressefreiheit. "Wir haben ganz klar eine Situation, dass in Amerika eine Entscheidung getroffen worden ist, die wir aus unserem Rechtsverständnis anders sehen. Wir haben ein Rechtsverständnis, das mit Blick auf Geheimnisträger gewisse Dinge gelten und dass es hier um einen Fall von Pressefreiheit geht. Das haben wir immer wieder deutlich gemacht."

Auch mit Blick auf Großbritannien sieht man keine Probleme. Eine Sprecherin des Bundeskanzlers gibt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Deutschlandfunk an, die Bundesregierung habe "volles Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der britischen Justiz". Für Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen ist so eine Position in einem für die Pressefreiheit derart kritischen Fall wie dem von Assange nicht ausreichend: "Auch in Rechtsstaaten passieren Fehler. Deswegen ist das, finde ich, nicht gleich ein grundsätzliches Infragestellen von Rechtsstaatlichkeit, wenn man Freunde kritisiert."

Neue Hoffnung durch Unterstützer aus Politik und Medien

Doch wendet sich jetzt, Ende 2022, das Blatt? Denn nun, zum Jahresende, kommt plötzlich Bewegung in den Fall. Mächtige Unterstützerinnen und Unterstützer melden sich zu Wort. "Ich habe schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass es reicht. Es ist an der Zeit, dass diese Angelegenheit zu Ende gebracht wird." Der australische Premierminister Anthony Albanese äußert sich Ende November diplomatisch-kryptisch, aber doch erstmals seit er im Amt ist zugunsten von Assange. Auch der designierte Präsident Brasilliens Luis Inácio Lula da Silva fordert ein Ende der, wie er es nennt, "ungerechten Inhaftierung" von Assange.
Europaabgeordnete und Journalistenverbände verfassen ebenfalls einen offenen Brief an US-Präsident Joe Biden. Hinzu kommt der von Zeit-Journalist Holger Stark initiierte offene Brief der ehemaligen Partnermedien von Wikileaks. Julian Assanges Frau Stella lassen diese Entwicklungen im Interview mit dem Deutschlandfunk Hoffnung schöpfen: "Es scheint etwas zu passieren. Ich sage seit langem, dass dies kein juristischer Fall ist. Es ist ein politischer Fall. Je nachdem, wer im Weißen Haus sitzt, ist Julian entweder frei oder ihm drohen 175 Jahre."
Entscheidend wird wohl die Position der USA sein. "Sehen Sie, dieser Fall war innerhalb der US-Regierung immer äußerst umstritten. Es ist nicht so, dass die gesamte US-Regierung diesen Fall verfolgen will", meint Stella Assange. "Das ist ein sehr unangenehmer Fall vor allem für eine demokratische Regierung, vor allem, wenn die Redakteure der New York Times und so weiter sagen, man solle den Fall fallen lassen, weil er ein großes Problem ist. Es sind hier verschiedene Kräfte im Spiel."
Wie geht es jetzt weiter mit Julian Assange? Wird er ausgeliefert an die USA und dort vor Gericht gestellt? Oder legen die USA vielleicht unverhofft die Anklage im Fall Assange nieder? Das US-Justizministerium schreibt in einer Mitteilung an den Deutschlandfunk, dass es sich nicht äußern möchte. Stella Assange sagt: "Ich glaube, die Möglichkeit ist groß, dass so etwas passieren könnte. Aber natürlich kann man sich nicht auf den besten Fall einstellen. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass wir Weihnachten wieder einmal getrennt verbringen." Und Großbritannien 2023 möglicherweise doch die Auslieferung ihres Mannes an die USA vollzieht.