Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Protest gegen Corona-Maßnahmen
"Querdenker" dürfen Bundestag nicht zu nahe kommen

In Berlin wollen am Mittwoch sogenannte "Querdenker" gegen die Corona-Maßnahmen und das Infektionsschutzgesetz demonstrieren. Die Kundgebungen sollen im Regierungsviertel und am nahen Potsdamer Platz stattfinden - aber nicht zu nahe am Parlament.

Von Sebastian Engelbrecht | 18.11.2020
Berlin, Bundestag Deutschland, Berlin - 28.09.2020: Im Bild ist das Reichstagsgebäude zu sehen. Berlin Berlin Deutschland *** Berlin, Bundestag Germany, Berlin 28 09 2020 The picture shows the Reichstag building Berlin Berlin Germany
Das Parlamentsgebäude in Berlin - Demonstranten müssen Abstand halten (www.imago-images.de)
300 bis 400 Demonstranten überrennen die Absperrgitter vor dem Reichstagsgebäude und drohen, es zu erstürmen. In den Händen halten viele schwarz-weiß-rote Reichsfahnen. So geschah es am 29. August bei der sogenannten "Querdenker"-Demonstration gegen die Corona-Bestimmungen der Regierungen von Bund und Ländern.
Rechtsextreme schwenken Reichsflaggen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin
Proteste gegen Corona-Politik - "Verwahrlosung der Demokratie"
Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen wertet der Politikwissenschaftler Rainer Forst als Krise in der Demokratie. Die Frage der Gerechtigkeit gerate aus dem Blick, Verschwörungstheorien hätten immer mehr Zulauf, sagte er im Dlf.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bilanzierte selbstkritisch im Abgeordnetenhaus: "Das ist nicht gut gelaufen, das dürfen wir nicht mehr zulassen. Aber 40 Reichsflaggen bringen die Demokratie nicht zum Wanken. Erst drei, dann ganz viele Polizistinnen und Polizisten haben sich der Menge in den Weg gestellt und sie ganz schnell zurückgedrängt. Sie haben gezeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert, dass unsere Polizei unsere Symbole der Demokratie schützt. Das muss die Lehre vom Wochenende sein. Mir ist es eine Lehre."
Für heute waren ursprünglich mindestens drei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen angekündigt, insbesondere gegen das Infektionsschutzgesetz. In einigen Aufrufen wird es mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 verglichen.
Mehrere Anmelder halten an ihren Demonstrationsplänen fest. Die Kundgebungen sollten im Regierungsviertel und am nahen Potsdamer Platz stattfinden. Auch das "Netzwerk Impfentscheid Deutschland" hatte 500 Teilnehmer einer Demonstration vor dem Reichstagsgebäude angekündigt, die Veranstaltung aber gestern abgesagt. Der Grund: Man befürchte Ausschreitungen gewaltbereiter Extremisten.
Keine Demos im "befriedeten Bezirk"
Nach Informationen der Berliner Polizei sind auch mehrere kleine Gegendemonstrationen angemeldet.
Anders als Ende August werden die Demonstranten heute aber dem Bundestag nicht so nahe kommen können. Denn das Bundesinnenministerium lehnte gestern insgesamt 12 Anträge auf Zulassung von Versammlungen im sogenannten "befriedeten Bezirk" um den Bundestag und den Bundesrat ab. Es befürchtet, der Parlamentsbetrieb könnte durch die Demonstrationen beeinträchtigt werden.
Den Aufruf zu den Demonstrationen gegen das Infektionsschutzgesetz sollen auch AfD-Bundestagsabgeordnete weitergeleitet haben. Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner, äußerte die Befürchtung, AfD-Mitglieder könnten den Protestierenden "den Weg zu den Eingängen des Bundestages weisen".
AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann wies dies zurück: "Mit so was haben wir gar nichts zu tun. Weder den Reichstag besetzen noch Zugänge verhindern. Das sind extreme und extremistische Auswüchse. Das kann ich schon sagen, dass sich die Fraktion davon in jeder Form distanziert."
Massen-E-Mails an Abgeordnete
Unter dem Schock des Sturms auf das Reichstagsgebäude bei der Demonstration am 29. August hatte der Ältestenrat des Bundestags am 3. September angekündigt, man werde das Sicherheitskonzept für das Parlament überarbeiten.
Nach der Sitzung hatte der vor kurzem verstorbene Thomas Oppermann, damals Bundestagsvizepräsident, erklärt: "Ich bin erleichtert, dass niemand den Bundestag abschotten will, ihn abriegeln, verbarrikadieren oder zu einer Polizeikaserne machen will. Das wäre auch die falsche Konsequenz. Unser Parlament wird ein offenes Parlament bleiben. Gleichwohl gibt es große Einigkeit, dass sich die schlimmen Bilder vom Wochenende nicht wiederholen dürfen."
Gestern stimmten sich die Demonstranten bereits auf die heutigen Kundgebungen ein und überschwemmten viele Bundestagsabgeordnete mit einer Flut von E-Mails gegen das Infektionsschutzgesetz.