Sonntag, 28. April 2024

Queerer Sportverein
SC Janus - Sicherer Hafen zum Sporttreiben auf Augenhöhe

Der SC Janus in Köln ist der älteste queere Sportverein Europas. Er schafft einen sicheren Raum, wo alle Sport treiben können, wie sie sind. Der Zulauf ist riesig. Daraus ergeben sich aber auch Herausforderungen.

Von Sonja Schubert | 30.03.2024
Eine Eckfahne in Regenbogenfarben in einem Fußballstadion.
Um die 60 queere Sportvereine gibt es mittlerweile in Deutschland. (IMAGO / Bildbyran / IMAGO / MARIUS SIMENSEN)
Aufwärmen vor dem Volleyballtraining beim SC Janus. Das Team „Tuschi Deluxe“ trifft sich einmal in der Woche in einer kleinen Schul-Turnhalle mitten in Köln. Zum Volleyballspielen, aber auch zum Austausch – bei der Erwärmung herrscht gute Stimmung.
Das Team „Tuschi Deluxe“ gehört zum SC Janus, dem ältesten queeren Sportverein Europas. Die Volleyballgruppe ist sehr divers. Nicht nur, was die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Vielfalt betrifft. Zum Team gehören eine gehörlose Person, unterschiedliche Altersklassen und Spielniveaus.
Jana ist seit 2017 im SC Janus aktiv. Hier beim Volleyballspielen und ehrenamtlich in der Pressestelle des Vereins." Wir versuchen, möglichst jedem Menschen einen Raum zu geben, um sich sportlich zu betätigen. So wie er ist. So wie er kommt, einfach er selbst zu sein oder sie selbst zu sein, der Mensch zu sein."

"Ich hatte Angst, ausgeschlossen zu werden"

Bastian ist erst seit ein paar Monaten bei „Tuschi Deluxe“, vorher hat er ganz lange gar kein Volleyball gespielt: "Irgendwie war es für mich immer ein bisschen schwierig, so in einem Teamsport mitzumachen. Das war so, als ich 17, 18 war, total schwierig für mich. Da gibt es viele Themen so mit Coming-Out und so. Ja ich habe das Gefühl gehabt, ich habe da nicht mit den anderen Jungs irgendwie Sport machen können. Und Teamsport. Ich hatte Angst, ausgeschlossen zu werden."
Die Angst, diskriminiert zu werden, ist einer der Gründe, warum viele queere Menschen erst gar keinen Sport machen. Jeder fünfte queere Mensch in Deutschland verzichtet auf die Teilnahme an Sportangeboten. Das ergab eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2019.

Workshops gegen Transfeindlichkeit

Der SC Janus leistet hier Aufklärungsarbeit. Mit Workshops und Schulungen zur Prävention von Transfeindlichkeit. Der Diversity-Vorstand sorgt dafür, im Verein einen diskriminierungsfreien Raum zu schaffen. Wo sich alle auf Augenhöhe begegnen können.
Das hat Bastian geholfen, seine Angst zu überwinden und wieder mit dem Training anzufangen: "Ja, es ist total schön, dass ich das jetzt hier nochmal so anders erleben kann. Ich habe diesen Safespace gebraucht, um mich einfach immer wieder zu trauen."
Aus Janas Sicht sind queere Sportvereine deshalb unbedingt notwendig: "Solange es Diskriminierung gibt, brauchen queere Menschen einen diskriminierungsfreien Raum. Punkt. Wir hören immer noch von Anfeindungen, von homo- und transfeindlichen Übergriffen. Egal, ob verbal oder wenn nicht sogar tätlich und bei uns gibt es einfach einen sicheren Raum, einen diskriminierungsfreien Raum, einen geschützten Raum, um sich zu begegnen und Sport zu treiben."
Auch Ben ist beim SC Janus aktiv, spielt Volleyball bei „Tuschi Deluxe“. Für ihn sind queere Sportangebote wichtig, sein Wunsch ist aber ein anderer: "Am idealsten wäre es ja, es müsste keine Extra-Angebote mehr geben, alles ist einfach queer-friendly. Man kann einfach in alle Vereine gehen und Sport machen, wie man möchte. Und wird da einfach akzeptiert, wie man ist."

Aktionsplan "Queer leben" der Bundesregierung

Auf bundespolitischer Ebene setzt sich Sven Lehmann ein für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen aus dem Wahlkreis Köln ist Queer-Beauftragter der Bundesregierung. Unter seiner Mitarbeit haben Bund und Länder den Aktionsplan „Queer leben“ beschlossen. Darin finden sich verschiedene Maßnahmen, Queerpolitik umzusetzen – auch im Sport. Hier ist die Teilhabe von transsexuellen Menschen an Sportwettkämpfen weltweit ein großes Thema.
Im Breitensport in Deutschland geht es Lehmann vor allem darum, "diejenigen, die in den Verbänden die Verantwortung haben, nämlich die Vorstände und so weiter in die Verantwortung zu nehmen, dass die auch beispielsweise Diskriminierung ansprechen und proaktiv dafür sorgen, dass es ein faires, offenes Klima gibt, sodass alle Menschen sich wohlfühlen. Weil man darf nicht vergessen: Es gibt immer noch sehr viele queere Menschen, die nicht, in Profiligen sowieso nicht, aber auch in Amateurvereine gehen, aus Angst vor Diskriminierung. Und das müssten wir als gemeinsam anpacken, dass das nicht mehr der Fall ist."

Schwul-lesbische Volleyball-Liga

In einigen wenigen Sportarten gibt es schon Fortschritte, was das Startrecht für Trans-Personen angeht. Beispielsweise im Fußball-Amateurbereich: Seit 2022 können trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen selbst entscheiden, ob sie in Frauen- oder Männerteams spielen wollen.
Im Volleyball ist das bisher nicht möglich. Deshalb gibt es eine schwul-lesbische Volleyball-Liga, die offen für alle queeren Menschen ist. Einige von „Tuschi Deluxe“ fahren über Ostern zu einem queeren Volleyballturnier nach Hamburg.
Bastian fährt auch mit. Er hat Glück, denn das Interesse an dem Turnier ist so groß, dass es vom SC Janus eine Warteliste gibt. Bastian ist von der Warteliste nachgerückt. Es gibt viel mehr Menschen, die beim SC Janus Sport treiben wollen, als Plätze in den Teams. Leute kommen sogar aus Leverkusen, um in Köln zu trainieren.

Lange Wartelisten beim SC Janus

Die Folge: Wartelisten für viele der über 45 Sportangebote beim SC Janus: "Wir haben beim Boxen zum Beispiel 80 Menschen auf der Warteliste, beim Fußball 40 Personen, wir kommen quasi gar nicht nach. Und dadurch, dass der Vorstand mit seinen zehn Personen alles ehrenamtlich und unentgeltlich neben dem 40 Stunden Vollzeitjob noch reißen muss und reißen möchte und das Ganze verwaltet, zusammen mit der Geschäftsstelle, ist das schon eine Herausforderung", erklärt Jana.
Damit mehr Menschen aktiv werden können – nicht nur beim SC Janus – ist viel Kommunikation mit der Stadt Köln notwendig. Maria, die Trainerin von „Tuschi Deluxe“, kritisiert die aktuelle Situation: "Es fehlen Trainer:innen und Übungsleitungen, aber auch der Sportraum, also Hallen, Hallenzeiten und natürlich Schwimmbäder. Also da würde ich mir wünschen, dass da mal was passiert dafür, dass Köln ja die Sportstadt ist, oder sich als Sportstadt verkauft. Es gibt ja noch nicht einmal eine Halle, in der die erste Volleyball Damen-Bundesliga spielen können, weil es hier keine Halle gibt mit der richtigen Hallenhöhe. Das ist sehr, sehr schade, weil die Damen, die können locker in der ersten Bundesliga spielen."
Mittlerweile gibt es in Deutschland um die 60 queer-freundliche Sportvereine wie den SC Janus. Das Sportangebot wird stetig erweitert. Seit ein paar Jahren gehört auch das Volleyball-Team „Tuschi Deluxe“ dazu.