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Raniero de’ Calzabigi
Der Librettist des Willibald Gluck

Was Lorenzo da Ponte für Mozart war er für Willibald Gluck: der Abenteurer Raniero de’ Calzabigi. Der gewandte Weltmann und Opernkenner aus Livorno schuf sich als Librettist einen Namen in der Welt der Oper. Vor 300 Jahren wurde er geboren.

Von Sabine Fringes | 23.12.2014
    Christoph Willibald Gluck: "Ich würde mir einen empfindlichen Vorwurf machen, wenn ich die Erfindung einer neuen Gattung der italienischen Oper mir allein zueignen lassen wollte. Es ist der Herr von Calzabigi, dem das vorzüglichste Verdienst darum gehört;denn er allein ist es, der mich in den Stand gesetzt hat, die Quellen meiner Kunst entwickeln zu können.“
    So Christoph Willibald Gluck über seinen Librettisten Raniero de’ Calzabigi. Durch ihn sollte der Komponist als Reformator der Oper in die Musikgeschichte eingehen.
    Raniero de’ Calzabigi wurde am 23. Dezember 1714 in Livorno geboren. Der Spross einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie erhielt am Jesuitenkolleg in Prato eine humanistische Ausbildung, bevor er nach dem Tod des Vaters im elterlichen Drogeriehandel mitarbeitete. Doch mangelndes Geschick und familiärer Zwist führten 1738 zum Bankrott des Betriebs und den 24-jährigen Calzabigi sogar für drei Jahre hinter Gitter wegen versuchter Vergiftung eines Verwandten. Nach seiner Freilassung zog er nach Neapel, wo er in die Dienste eines französischen Gesandten trat und auch erste Bühnenstücke schrieb.
    Um 1750 dann machte er sich auf nach Paris. Hier gründete er unter dem Schutz der Marquise de Pompadour eine Staatslotterie. Gemeinsam übrigens mit Casanova, der in seinen Memoiren über ihn schrieb:
    Casanova:"Ich erkannte in ihm einen hochbekannten Mann, er war Junggeselle, ein hervorragender Rechner, sehr bewandert in Theorie und Praxis des Geldwesens, mit dem Handel aller Nationen vertraut, gelehrter Historiker, Schöngeist, Anbeter des schönen Geschlechts und Dichter."
    Dubioser Geschäftsmann und Finanzberater sowie Opernkenner und Dichter
    Calzabigi war eine schillernde Figur: Mitglied zweier Akademien, dubioser Geschäftsmann und Finanzberater sowie Opernkenner und Dichter. 1755 gab er Pietro Metastasios Werke mit einem lobenden Vorwort heraus und trat an anderer Stelle zugleich als Kritiker der starren Konventionen der Opera Seria hervor, so wie Metastasio sie vertrat. Calzabigi hatte die Vision von einer neuen Einfachheit, Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit in der Oper, Ideen, die im Zeitalter Rousseaus quasi in der Luft lagen.
    Der Bankrott seines Lotterieunternehmens erzwingt den nächsten Ortswechsel. Calzabigi nutzt seine diplomatischen Kontakte und lässt sich 1761 in Wien nieder, wo er einen hohen Posten im Finanzministerium erhält. Und in Wien trifft er auch auf einen Mitstreiter, den Komponisten Willibald Gluck. Ihre erste gemeinsame Oper "Orfeo ed Euridice“ wird ein voller Erfolg, ausgerechnet in Wien, wo Metastasio als kaiserlicher Hofdichter wirkt.
    An die Stelle des gängigen komplizierten Intrigenspiels der Opera Seria setzen Gluck und Calzabigi eine klare Dramaturgie, statt hochvirtuoser Koloraturen schreiben sie Arien mit sprachlicher wie auchmusikalischer, liedhafter Einfachheit.Denn nun soll die Musik der Dichtung dienen - und nicht umgekehrt. So etwa, wenn Orfeo um den Verlust seiner Geliebten trauert: (Musik: "Che faro senza Euridice“).
    Nach dem "Orfeo“ folgen noch zwei weitere Reform-Opern des Erfolgs-Duos: "Alceste“ sowie "Paride e Elena“. Doch als Gluck 1775 ein Libretto von Calzabigi ablehnt, kommt es zum Bruch, der die Zusammenarbeit der beiden beendet und auch Calzabigis Librettistentätigkeit weitgehend auf Eis legt. Wenige Jahre vor seinem Tod – er stirbt im Juli 1795 in Neapel – beginnt er noch für Giovanni Paisiello zwei Werke für die Opernbühne zu schreiben. Doch sein Ansehen als Librettist hat Calzabigi einzig Gluck zu verdanken, wie jener wiederum durch Calzabigi auf neue Bahnen geleitet wurde.
    1773 schrieb der Komponist in einem offenen Brief an den "Mercur de France“:
    Christoph Willibald Gluck: "Seine Werke sind voll der glücklichsten Situationen, die dem Komponisten Gelegenheit genug gaben, eine energische, ergreifende Musik zu schaffen.“